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Eine junge Frau reist 1930 wegen eines Lungenleidens von Paris ins Sanatorium von Hauteville. Dort findet sie ein Schreiben ihres Verlobten vor. Es ist ein Abschiedsbrief und darin steht: "Ich heirate ... Unsere Freundschaft bleibt." Die junge Frau versucht den Schock zu überwinden, indem sie auf die Zumutung antwortet - in einem Brief, der nie abgeschickt wird.

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Produktbeschreibung
Eine junge Frau reist 1930 wegen eines Lungenleidens von Paris ins Sanatorium von Hauteville. Dort findet sie ein Schreiben ihres Verlobten vor. Es ist ein Abschiedsbrief und darin steht: "Ich heirate ... Unsere Freundschaft bleibt." Die junge Frau versucht den Schock zu überwinden, indem sie auf die Zumutung antwortet - in einem Brief, der nie abgeschickt wird.

Autorenporträt
Marcelle Sauvageot, geboren 1900, wurde 1926 Professorin in Charleville. Wenig später erkrankte sie und verbrachte die meiste Zeit ihres Lebens in Sanatorien. Marcelle Sauvageot verstarb 1934 in Davos.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 18.03.2005

Gedanken im Seelenverlies
Marcelle Sauvageots exemplarische Abrechnung mit der Liebe

Dieser Text hat die Klarheit und Härte eines Kristalls. Der schöne deutsche Titel gibt ihm eine elegische Note. Die hat er nicht. "Lassen Sie mich", wie er in der französischen Neuauflage zuletzt hieß, ist bereits eine Interpretation. Schnörkellos richtig ist der Originaltitel von 1933: "Kommentar".

Denn die Schreibende, gerade in einem Lungensanatorium angekommen, kommentiert den Abschiedsbrief ihres Geliebten, den sie dort vorfindet. Ihr literarischer Kunstgriff besteht darin, den Brief nur in wenigen Sätzen zu zitieren, vor allem diesen: "Ich heirate ... Unsere Freundschaft bleibt." Schreibend tritt sie mit dem Mann in ein Gespräch, das keine Nähe trübt. Die Frauenklage wird zur Selbstbefragung: Was ist Liebe, was ist Freundschaft, wer war der Mann, wer bin ich, die dem Tod entgegengeht? Sie spottet über die bürgerliche Ehe, über die "mein Mann, mein Mann" zwitschernden Frauen, von denen sie umgeben ist. Mit einer Unbedingtheit, die dem Leser Respekt abnötigt, nimmt sie das Nicht-Haben an, befiehlt sich das Vergessen. Der Text endet mit einem Kuß, den sie am Ende eines Tanzabends einem anderen Mann gibt. Er ist kein Ausdruck von Liebe, sondern ein Zeichen der Befreiung.

Marcelle Sauvageots Test spielt in einem geschlossenen Raum, der nicht das Krankenzimmer ist, sondern ein Seelenverlies. Die Außenwelt dringt kaum herein in diese metaphysische Leere. Liebe bedeutet hier niemals Glut, geschweige denn Sex, sondern sie ist etwas Gedachtes. Mildernde Umstände billigt die Autorin weder dem Mann zu, der keinen Namen trägt, noch der Frau. Niemals streift sie der Gedanke, daß diese beiden vielleicht einfach nicht zusammenpassen noch daß dieser Mann eben, wie es in einem der Nachworte heißt, von "instinktiver, organischer Falschheit" sei. Bei Marcelle Sauvageot wird er zum Inbegriff des sich verweigernden Lebens. Nur junge Menschen ohne Lebens- und Liebeserfahrung sind eines so reinen, so trostlosen Rigorismus fähig.

Marcelle Sauvageot, geboren 1900, von Beruf Lehrerin, hat, als sie diese confessio niederschrieb, an keine Veröffentlichung gedacht. Der französische Kritiker Charles Du Bos entdeckte und publizierte sie mit Einwilligung der Verfasserin. Es ist ihr einziges Buch; sie starb 1934 in Davos. Ihr Journal intime, das in der Tradition der analytischen Bekenntnisliteratur Frankreichs steht, faszinierte Literaten wie Valéry und Claudel und erlebte in den dreißiger Jahren mehrere Auflagen. Auch in Deutschland erschien eine Übersetzung. Mais hélas, möchte man da ausrufen, aber ach: Die Schönheit des schmalen Textes ist im Deutschen schwer nachzuempfinden. Hier wirkt er streng und kahl (und das "Sie", mit dem die Frau den Mann anredet, skurril), während im Französischen, das zur Rhetorik neigt, die Kühle und Simplizität dieser Sätze klassische Erhabenheit ausstrahlen. So wird das schmale Bändchen hierzulande wohl nicht den Kultstatus erreichen, den es in Frankreich im vorigen Jahr erlangt hat.

RENATE SCHOSTACK

Marcelle Sauvageot: "Fast ganz die Deine". Mit einem Nachwort von Ulrike Draesner. Aus dem Französischen übersetzt von Claudia Kalscheuer. Verlag Nagel und Kimche, München und Wien 2005. 109 S., geb., 12,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 22.02.2005

In Worten tanzen
Marcelle Sauvageots Briefessay „Fast ganz die Deine”
Es ist eine alte Geschichte und ist doch immer neu. Der Mann hat eine andere, offenbar schon länger. Jetzt gesteht er in einem Brief: „Ich heirate ... Unsere Freundschaft bleibt. ... Ich hoffe, Du siehst darin einen Liebesbeweis, nicht wahr.” Wie viele Variationen dieser Sätze gibt es wohl? Immer wieder will der Verlassende sein neues Glück und dazu: kein schlechtes Gewissen, keinen Streit, keine Komplikationen. Als Marcelle Sauvageot (1900- 1934) diese Zumutung erlebt, reagiert sie mit ihrem einzigartigen Büchlein „Fast ganz die Deine”.
Frei und klug missachtet sie darin die Grenzen von Literatur und Lebenszeugnis, Analyse und Aufbegehren, Resignation und Retourkutsche, Antwortbrief und Liebesessay; Stil und Wahrheitswille gehen hier Hand in Hand. So begeisterte der Text einerseits Intellektuelle wie Paul Valéry oder Paul Claudel und eroberte andererseits seit der Neuauflage 2003 die Bestsellerlisten in Frankreich. Spurlos gingen die siebzig Jahre seit Erscheinen an diesem Werklein, das gleichzeitig Herz und Hirn anspricht, vorüber (nicht allerdings an dem überflüssig-ärgerlichen Beitext von Charles du Bos).
Marcelle Sauvageot, die mit dem „Du” der Nähe und dem „Sie” der Distanz spielt, begnügt sich nicht damit, die eigentlichen Motive des Mannes hinter den vorgeschobenen, die psychologischen Tricks und den simplen Selbstbetrug bloßzulegen, die geschlechtsspezifische Bedingtheit des männlichen Verhaltens herauszupräparieren: „Sie wünschen mir Glück, und ich kann Sie mir sehr gut vorstellen, wie Sie einen Mann für mich suchen, einen Liebhaber, um mich zu trösten.”
Sauvageot weiß, wer nur vernünftig über die Liebe schreibt, versteht nichts von ihr. Gleichwohl fasziniert diese Analyse in ihrer Klarheit, ihrem mal grauen, mal bunten Spott, ihrem Wechsel von resignativem und kämpferischem Ton: „Unsere Freundschaft wird in Zukunft etwas sehr Hübsches sein; wir werden uns Ansichtskarten von unseren Reisen und zu Neujahr Pralinen schicken ... wir werden vorgeben zu sein, was wir zu sein glauben, und nicht, was wir sind; wir werden einander oft ,Danke’ und ,Verzeihen Sie’ sagen, freundliche Worte, die man so dahinsagt. Wir werden Freunde sein. Glauben Sie, dass das nötig ist?”
Dagegen ist Sauvageots Selbstanalyse nicht schonungslos, und doch erkennt der Leser unschwer, dass diese Frau zu lieben manchmal nicht einfach gewesen sein muss, dass sie - aus berechtigter Furcht - nicht mit vollem Risiko liebte: „Um mich ganz zu verlieren, hätte ich sicher sein müssen, dass ich mich nicht mehr brauche.” Ulrike Draesner betont in ihrem empathischen, hellsichtigen Nachwort, dass sich der Text weit über das Rührende einer individuellen Geschichte ins Radikale der Liebesaporien erhebe: „... seine Unbedingtheit erzeugt ihn thematisch und formal. Hand in Hand mit der absoluten Liebe geht eine absolute Aufrichtigkeit - zumindest das Bemühen darum. Auch dies: ein Programm der Überforderung.”
Konzentriert, wandlungsfreudig, mutig und spielerisch kommen Sauvageots Gedanken daher, gekleidet in Sätze schöner Deutlichkeit. Die tragischen Ingredienzien tun ein Übriges, aber nicht Notwendiges, den Reiz des Buches zu erhöhen: „Fast ganz die Deine” ist die einzige Veröffentlichung von Marcelle Sauvageot, die, 1900 geboren, ein paar Jahre als Lehrerin arbeitete, 1926 an Tuberkulose erkrankte, 1930 in einem Sanatorium scheinbar geheilt wurde, sich kurz darauf in Paris verliebte und dann doch wieder erfahren musste, dass sie krank geblieben war. Der Geliebte schreibt ihr 1933 den Trennungsbrief, auf den ihr Text antwortet; als Privatdruck kursiert er im Freundeskreis. Am Dreikönigstag 1934 stirbt Sauvageot im Sanatorium.
Deshalb ist die unüberbrückbare Fremdheit zwischen Kranken und Gesunden, das Zu-Tode-erkrankt-Sein und die Hoffnung wider alle Vernunft ein wichtiges Nebenthema, das herzensklug behandelt wird. Überraschend endet das Buch mit einer Ballszene im Sanatorium, die wie eine Miniatur der Walpurgisnacht im „Zauberberg” wirkt, beunruhigend fröhlich. Die Kranken tanzen dem Tod zum Trotz: „Tanzen, das ist der glücklichste Rhythmus des Lebens; Tanzen, wenn man glaubte, man würde es nie wieder tun, ist ein errungener Sieg.”
ROLF-BERNHARD ESSIG
MARCELLE SAUVAGEOT: Fast ganz die Deine. Aus dem Französischen von Claudia Kalscheuer. Mit Nachworten von Charles du Bos und Ulrike Draesner. Verlag Nagel & Kimche, Zürich 2005. 107 Seiten, 12,90 Euro.
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Als "kluge Mischung" von Liebesbrief und Liebesessay feiert Rolf-Bernhard Essig das rund siebzig Jahre alte Büchlein der Französin Marcelle Sauvageot, das gar nichts Verstaubtes an sich habe. Sauvageot antwortete darin auf einen Trennungsbrief ihres Geliebten, der nach dem wandlungsfähigen und zählebigen Motto, wir wollen Freunde bleiben, verfasst war. Ironisch wechselt Sauvageot zwischen dem Du und dem Sie, zwischen Distanz und Nähe, Analyse und Aufbegehren, so Essig, stets aber gingen "Stil und Wahrheitswille Hand in Hand". Damit überwand Sauvageot scheinbar mühelos die Grenzen zwischen persönlichem Zeugnis und Literatur, der Text kursierte damals als Privatdruck im Freundeskreis, berichtet der Rezensent. Sicher haben auch die tragischen Umstände das ihre dazu beigetragen, "Fast ganz die deine" zu einem Kulttext zu machen (seit der Neuauflage 2003 steht das Buch in Frankreich auf den Bestsellerlisten); es blieb die einzige Veröffentlichung Sauvageots, die 1934 an Tuberkulose starb. Ihre Erkrankung ist ein Nebenthema des Textes, der mit einer Ballszene im Sanatorium endet, die Essig an Thomas Manns "Zauberberg" erinnert. Ärgerlich und veraltet findet der Rezensent den Beitext von Charles du Bos, wohingegen das "hellsichtige" Nachwort von Ulrike Draesner diese Schlappe wieder wett macht.

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