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Sein Großvater Roda Roda war ein berühmter Satiriker und Humorist, sein Vater Ulrich Becher ein gefeierter Dramatiker. Mit viel Humor und ausgeprägtem Sinn für groteske Situationen schreibt Martin Roda Becher, ein routinierter Stilist und Kenner der literarischen Moderne, das Drehbuch seiner Familiengeschichte - eine Irrfahrt durch die Nachkriegszeit.

Produktbeschreibung
Sein Großvater Roda Roda war ein berühmter Satiriker und Humorist, sein Vater Ulrich Becher ein gefeierter Dramatiker. Mit viel Humor und ausgeprägtem Sinn für groteske Situationen schreibt Martin Roda Becher, ein routinierter Stilist und Kenner der literarischen Moderne, das Drehbuch seiner Familiengeschichte - eine Irrfahrt durch die Nachkriegszeit.
Autorenporträt
Martin Roda Becher, 1944 in New York geboren, lebte in Wien, München und Berlin und Basel. Nach seiner Ausbildung am Bühnenstudio in Zürich arbeitete er als Regieassistent an verschiedenen Theatern und bei Spielfilmproduktionen. Heute lebt Martin Roda Becher als Autor in Basel und im Tessin. Er veröffentlichte Romane und Erzählungen, Drehbücher, Hörspiele und Theaterstücke.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 18.09.2001

Die Flucht aus der Firma
Martin Roda Becher erzählt seine Familiengeschichte

Das Ende kommt unverhofft. Als die Familie den schwerverletzten, den gestürzten Vater ins Krankenhaus bringt, springt der Sohn aus dem Wagen. Während das Auto an einer Ampel hielt, war ihm plötzlich eingefallen, daß er eine Verabredung hatte. Unter des Vaters "Protesten" verläßt er das "Familienauto". Wie es dazu kam, was dem Ausstieg vorausging, diese Geschichte eines "langen Abschieds" erzählt der Schweizer Autor Martin Roda Becher in den Erinnerungen an seine Kindheit und Jugend.

Als einen Entwicklungsroman kann man den Bericht von der ersten bis zur letzten Seite lesen. Nicht erst im pointierten Schluß will sich die literarische Anlage offenbaren; epische Dimensionen erstrebt der Rückblick durchweg. Eingebettet in die Zeitläufte, erscheint das Schicksal von Anfang an, beispielhaft und einzigartig zugleich. Nicht jedem könnte es so widerfahren, nacherleben aber läßt es sich vielfach. Das Versagen des Begabten in der Schule, der Stolz auf den abgelehnten Vater, die erotisch getönte Bindung an die Mutter, alles wirkt vertraut und fremdartig gleichwohl, eigentümlich durch die besonderen Verhältnisse. Sie haben den Heranwachsenden von Geburt an exponiert.

Der Autor ist nicht nur der Sohn des jüdischen Schriftstellers Ulrich Becher, sondern auch noch der Enkel des Satirikers Roda Roda. Daß er es einmal bis zur "Bewerbung um die US-Präsidentschaft" bringen könnte, hält der Großvater nicht für ausgeschlossen. Das New Yorker Exil, in dem Martin Roda Becher 1944 geboren wird, hat alle Perspektiven verändert.

Für den Vater ist es ein Schwebezustand, aus dem er nie wieder herausfinden kann. Noch in Europa, wo sie seit 1948 wieder lebten, sollten die Heimkehrer "Dauergäste" bleiben, hin- und herreisend, zwischen Wien und Basel, von Hotel zu Hotel, von Pension zu Pension, immer dahin, wo gerade ein Stück Ulrich Bechers aufgeführt wurde.

"Das Apartmenthaus", schreibt der Sohn rückschauend, "ermöglichte ein Leben als Provisorium, die Illusion, alle Optionen seien offen, alle Hoffnungen noch intakt. Man konnte hier wohnen und sich dabei fühlen, als lebte man woanders, auf irgendwelchen Stationen der Emigration, aus der man vor noch nicht allzu langer Zeit zurückgekehrt war."

Diese Angst vor der Seßhaftigkeit, die ewige Unbehaustheit des Intellektuellen nach seiner Vertreibung bestimmte ein Leben, zu dem der Eindruck der Großzügigkeit ebenso gehörte wie das Gefühl der Isolation. Auch wenn der Babysitter zuweilen Helmut Qualtinger hieß, war er für das Kind doch immer noch ein Fremder.

Daß er "zwar eine Adresse", aber "kein Zuhause hatte", mußte Martin Roda Becher früh erfahren; und früh schon mußte er lernen, dieser Heimatlosigkeit auf den Wegen des Vaters, nämlich schreibend, zu entkommen. Bereits die Phantasien des Kindes wurden von den Eltern aufgezeichnet und als kleines Buch in rosafarbenem Einband herausgebracht.

Später hat dann die Mutter im Diktat aufgenommen, was sich der Halbwüchsige ausdachte. "Halb im Spaß", berichtet er, habe der Vater manchmal von einer "Firma oder Fabrik" gesprochen, wenn er die Generationen von Roda Roda bis zu ihm überblickte. Auf Umwegen wollte sich der Gedanken des bürgerlichen Familienbetriebes einschleichen. Enge drohte noch in der "bizarren Lebensweise"; noch mit den Freiheiten, die er genoß, sollte der Sohn in eine Pflicht genommen werden, der er sich entziehen mußte. Denn auch für die eigenen Verhältnisse hatte sich der Blick in der Offenheit seiner Erziehung geschärft.

Als Folge der Heimatlosigkeit offenbart sich in der Erinnerung die Beschränkung der elterlichen Existenz immer mal wieder, gleich, ob sich der Vater nun auf den Stalinismus versteift oder ob er der Versuchung erliegt, die Rolle des Literaten zu zelebrieren. Daß er vergebens versucht, "den Faden wiederaufzunehmen, der in den Wirren der Vorkriegszeit, auf der Flucht vor den Nazis verlorengegangen war", mußte der Sohn langsam erkennen. Zum langen Abschied wird seine Jugend. Das unverhoffte Ende, der plötzliche Ausstieg aus dem "Familienauto", beschließt seine "Familiengeschichte"; nachzulesen ist noch einmal der ganze Bildungsroman des 20. Jahrhunderts.

THOMAS RIETZSCHEL

Martin Roda Becher: "Dauergäste". Meine Familiengeschichte. Nagel & Kimche AG, Zürich 2000. 175 S., geb., 34,- DM.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Rezensent Thomas Rietzschel findet an diesem Roman insbesondere die Schilderungen des Gefühls von Heimatlosigkeit bemerkenswert. Der Schweizer Autor Martin Roda Becher erzählt die Erinnerungen an seine Kindheit und Jugend sowohl beispielhaft als auch einzigartig, lobt der Rezensent. Der Autor, der aus einer Schriftstellerfamilie kommt, beschreibe immer wieder die "Angst vor der Sesshaftigkeit, die ewige Unbehaustheit des Intellektuellen nach seiner Vertreibung". In dieser Familiengeschichte sei noch mal "der ganze Bildungsroman des 20. Jahrhunderts" zu finden, wie Rietzschel meint.

© Perlentaucher Medien GmbH
"Hier erreicht Roda Bechers augeprägtes Talent für das seitenlang ausgeführte Bonmot und die literarische Karikatur einen äusserst vergnüglichen Höhepunkt." Katharina Döbler, Neue Zürcher Zeitung, 06.02.2001