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Frans Laarmans hat den grauen Büroalltag gründlich satt. Da tut sich ihm unverhofft die Chance zu einer glanzvollen Karriere auf: Ch. A. F. D. Boorman, Herausgeber der "Allgemeinen Weltzeitschrift für Finanzen, Handel, Gewerbe, Kunst und Wissenschaft" sowie Generaldirektor des "Museums für einheimische und ausländische Erzeugnisse", bietet ihm eine Stelle als Sekretär und späterer Nachfolger an. Laarmans schlägt ein - und merkt zu spät, wem er seine Seele verkauft hat. Nun wird er in die hohe Kunst des "Leimens" eingeführt: Boorman ist nämlich mitnichten Herausgeber einer seriösen Zeitschrift,…mehr

Produktbeschreibung
Frans Laarmans hat den grauen Büroalltag gründlich satt. Da tut sich ihm unverhofft die Chance zu einer glanzvollen Karriere auf: Ch. A. F. D. Boorman, Herausgeber der "Allgemeinen Weltzeitschrift für Finanzen, Handel, Gewerbe, Kunst und Wissenschaft" sowie Generaldirektor des "Museums für einheimische und ausländische Erzeugnisse", bietet ihm eine Stelle als Sekretär und späterer Nachfolger an. Laarmans schlägt ein - und merkt zu spät, wem er seine Seele verkauft hat.
Nun wird er in die hohe Kunst des "Leimens" eingeführt: Boorman ist nämlich mitnichten Herausgeber einer seriösen Zeitschrift, sondern ein gerissener Betrüger, der genau weiß, wie man die Maschinerie der Marktwirtschaft für sich arbeiten lässt. Laarmans imponiert der hemdsärmelige Boorman, und doch kann er sein Mitgefühl für die Betrogenen nicht ganz verleugnen.
Autorenporträt
Willem Elsschot, 1882 - 1960, ist das Pseudonym von Alfons de Ridder. Er leitete eine Werbeagentur in Antwerpen und schrieb in seiner Freizeit Romane, ohne dass seine Familie etwas davon ahnte.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 23.04.2005

Die Kunst des Leimens
Abkassiert: Willem Elsschots Satire auf die Werbebranche

Glücklich die Zeiten, als Werbung noch Reklame, Marktforschung Gefühlssache, Zielgruppenansprache ein Schuß ins Blaue war und die Kreativen noch keine Hosenträger und Zöpfchen trugen, sondern Handschuhe und Orden im Knopfloch. Ch. A. Boorman, Herausgeber der "Allgemeinen Weltzeitschrift für Finanzen, Handel, Gewerbe, Kunst und Wissenschaft" und Generaldirektor des "Museums für einheimische und ausländische Erzeugnisse", ist einer dieser soliden Hochstapler aus der Gründerzeit der Werbeindustrie: ein jovialer Gefühlsmensch, der bei aller gemütlichen Brutalität und Chuzpe doch Würde und Charisma besitzt. Leimen ist sein Geschäft, aber er übt es noch mit der operettenhaften Grandezza und Eloquenz des Vogelfängers aus, der seine Leimruten wie goldene Teppiche auslegt.

Boorman schreibt für Firmen, Händler und Handwerker gratis Lobhudeleien; im Gegenzug verpflichten sich seine Kunden, ihm seine "Weltzeitschrift" abzukaufen oder Naturalien für sein Museum zu liefern. Die Anzeigenakquisition läuft wie geschmiert: Die Eitelkeit, Habgier und Dummheit der Verführten bildet harmonische Synergieeffekte mit der Skrupellosigkeit des Verführers. Frans Laarmans, von dem mephistophelischen Gentleman zu einer Art Teufelspakt gedungen, ist aus weicherem Holz geschnitzt. Wo sein Herr betrügerische Bestattungsunternehmer und überforderte Krämerseelen kaltblütig über den Tisch zieht, wird der unbeholfene Zauberlehrling von Selbstzweifeln, Scham und Mitleid übermannt. Andererseits: Die Welt will betrogen, der Tölpel übertölpelt werden, und so lauscht der kleine Leimer ehrfürchtig, wenn ihn der große in der Kunst unterweist, wie man mit Titeln, Halbwahrheiten und Imponiergebärden jongliert, jämmerliche Klitschen zu bedeutenden Unternehmen aufplustert, selbstgefällige Chefs bauchpinselt, mißtrauische Angestellte und Journalisten besticht und vor allem: wie man kassiert. "Es ist übrigens unsinnig, über Geld zu streiten, wenn der eine es hat und der andere es bekommen will, denn haben schließlich nicht beide Recht? Ein Geschäft ist ein Geschäft und immer ein Sieg für eine der Parteien . . ." Boorman entspannt sich gern auf dem Tigerfell und hält Telefone für überflüssig; aber so ähnlich reden Motivationstrainer, Vertriebsrepräsentanten und PR-Berater noch heute.

Der Flame Alfons De Ridder (1882 bis 1960), der unter dem Pseudonym Willem Elsschott schrieb, wußte, wovon er sprach. Vom kleinen Büroangestellten in Antwerpen zum internationalen Geschäftsmann promoviert, gründete er 1912 eine "Revue Continentale Illustrée", die Boormans "Weltzeitschrift" ziemlich ähnlich sah, und 1919 eine erfolgreiche Werbeagentur. Den Laarmans in sich, das Schuldgefühl beim Leimen, schrieb er sich heimlich mit elf Romanen von der Seele. Nicht einmal seine Familie wußte von seinem Doppelleben, und auch die Öffentlichkeit entdeckte seine tragikomischen, bittersüßen Satiren aus dem Geschäftsleben erst spät. "Käse", 1933 entstanden und erst kürzlich ins Deutsche übersetzt, wurde dank Elke Heidenreich gleich ein Besteller. Jetzt legt der Unionsverlag einen Laarmans-Roman aus dem Jahr 1924 nach: "Leimen".

In "Käse" war der Parzival des Geschäftslebens bei seinem wahnwitzigen Versuch, sich als Käse-"Generalvertreter" zu etablieren, auf zwanzig Tonnen vollfettem Edamer sitzengeblieben. In "Leimen" brütet Elsschots Alter ego eine ähnlich ehrgeizige Geschäftsidee aus. Als Juniorpartner des zwielichtigen Boorman will der ewige Verlierer am allgemeinen Leimen partizipieren; aber er ist zu naiv, zu tolpatschig, zu schüchtern oder auch nur zu gutmütig, um die Tricks und Winkelzüge, Triumphe und Rückschläge seines Lehrmeisters in ihrer weltumspannenden Bedeutung zu begreifen. Am Ende wird er zwar Boormans Erbe antreten, aber der namenlose Erzähler, vor dem er die Geschichte seiner Karriere ausbreitete, winkt ab, als Laarmans ihn seinerseits als Mitarbeiter werben will.

Elsschotts Satire auf die Machenschaften der Werbebranche ist über achtzig Jahre alt, und das merkt man. Die - in aller Ausführlichkeit referierten - Werbetexte, Sinnsprüche ("Verbindlichkeit in Handelsdingen wird dir Lob und Freundschaft bringen") und Geschäftspraktiken sind nicht ganz auf der Höhe der Zeit: Das Leimen kommt hier noch ohne griffige Slogans, freche Wortspiele und starke Bilder aus. Aber der Tonfall der hohlen Phrasen und großmäuligen Ankündigungen ist durchaus zeitlos getroffen, und insofern ist Elsschots Satire auch im Zeitalter der entfesselten Marktwirtschaft noch lesenswert.

Zumal der Autor keine unlauteren Erzähltricks anwendet. Streckenweise, etwa in der Beschreibung der bizarren Ablagesysteme und undurchsichtigen Hierarchien der Angestelltenwelt, erinnert sein Roman fast an Kafka. Im Mittelteil verläppert Elsschot sich in umständlich ausgepinselten Genrebildchen, aber am Ende, wenn unter der Groteske das schwarze Unterfutter der Tragödie aufblitzt, nimmt "Leimen" noch einmal Fahrt auf. Das Erbarmen mit kranken Buchhalterinnen, halbdebilen Chefs und streikenden Arbeitern, das Laarmans beim Kassieren walten läßt, ist schlecht fürs Geschäft, aber gut für einen Roman, der ohne diese soziale und psychologische Tiefenschärfe bloß eine bemooste Hochstapler-Klamotte wäre. Nur Boorman würde Elsschots kleinen Roman als Meisterwerk der flämischen Literatur rühmen. Aber eine unterhaltsame Satire, die den Leser zu keiner Zeit leimt, ist auch ihr Geld wert.

Willem Elsschot: "Leimen". Aus dem Niederländischen übersetzt von Gerd Busse. Unionsverlag, Zürich 2005. 207 S., geb., 18,90 [Euro].

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Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension

Der im Original 1933 erschienene, bei uns im letzten Jahr veröffentlichte Roman "Käse" des hierzulande zuvor kaum bekannten flämischen Autors Willem Elsschot war ein Überraschungserfolg. Weniger überraschend ist es, dass der Unionsverlag nun nachlegt, und zwar das ähnlich funktionierende Werk "Leimen", das schon 1924 erschien, aber den selben Helden hat wie "Käse". Ums vom Titel versprochene Leimen geht es dabei sehr wohl, nämlich das Leimen von Unternehmern mit einem Werbeblättchen, das teuer ist, aber ohne jede Wirkung bleibt. Elsschot schreibt hier durchaus aus eigener Erfahrung (als Leimer, nicht als Geleimter), deshalb macht das, bis in Details hinein, schon Spaß, meint der Rezensent Wolfgang Schneider. Aber auch wieder nicht bis in jedes der allzuvielen Details hinein. Zudem komme der Plot insgesamt arg kurz, das habe Elsschot bei seinem "Käse"-Roman deutlich besser gelöst.

© Perlentaucher Medien GmbH
"Elsschots Erzählfreude strotzt vor vergnügtem Sarkasmus, hinter dem eigentlich zuweilen die pure Verzweiflung ob der Jämmerlichkeit der Conditio humana durchschimmern müsste." (Frankfurter Allgemeine Zeitung)