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Seine Stücke Tango und Striptease kennen nicht nur Theaterfans. Seine Stücke werden rund um den Globus gespielt, kein anderer Theaterautor nach Samuel Beckett wurde so berühmt. Nun schrieb der Dramatiker von Weltrang seine Autobiographie.

Produktbeschreibung
Seine Stücke Tango und Striptease kennen nicht nur Theaterfans. Seine Stücke werden rund um den Globus gespielt, kein anderer Theaterautor nach Samuel Beckett wurde so berühmt. Nun schrieb der Dramatiker von Weltrang seine Autobiographie.
Autorenporträt
Slawomir Mrozek, geboren 1930 in Borzecin bei Krakau, studierte Architektur, Kunstgeschichte und Orientalistik. In Polen war er zunächst als Karikaturist erfolgreich, bevor er als Schriftsteller in Erscheinung trat. 1957 erschien sein erstes Buch mit satirischen Erzählungen. Es folgten seine Stücke (darunter 'Tango', 'Emigranten', 'Polizei', 'Striptease'), mit denen er Weltruhm erlangte. In Deutschland gehören sie zu den meistgespielten Theaterstücken überhaupt. 1962 verließ er Polen und beantragte 1968, als Reaktion auf die Niederschlagung des Prager Frühlings, in Frankreich politisches Asyl. Nach langen Jahren in Paris und später in Mexiko kehrte er 1996 in seine Heimatstadt Krakau zurück. Die letzten Jahre lebte er in Nizza, wo er 2013 verstarb.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 04.08.2007

Im Herzen Krakaus brennt ein ewiges Feuer

Der Tod des Autors und seine Auferstehung als literarische Figur: Der polnische Dramatiker Slawomir Mrozek hat dem krankheitsbedingten Sprachverlust eine eindringliche Autobiographie abgerungen.

Von Stephan Wackwitz

Slawomir Mrozeks Autobiographie ist das Ergebnis einer medizinischen Rehabilitationsmaßnahme. "Ich saß am Tisch und schrieb", so schildert der Krakauer Dramatiker die Ereignisse des 15. Mai 2002, "ich weiß nicht mehr, was. Und plötzlich passierte etwas. Ich versuchte weiterzuschreiben, doch es wurde immer schlimmer. Also ging ich ins Schlafzimmer und legte mich hin. Ab und zu verlor ich das Bewusstsein." Es war ein Gehirnschlag, als dessen schlimmstes Symptom sich in der Folge ein fast vollständiger Sprachverlust zeigte. Diese Aphasie kam für den Schriftsteller einem symbolischen Tod gleich. Ein Traum des Kranken ein Jahr nach der ultimativen Katastrophe formuliert den Untergang des Schriftstellers und seine Wiederauferstehung als literarische Figur in einem durch "Traumarbeit" poetisch komprimierten Bild: "Ich träumte, dass mein Vorund Familienname auf einem amtlichen Schreiben auf Polnisch gedruckt waren. Die Buchstaben, an die ich mich sehr genau erinnere, stammten von einem Computerdrucker. Gleichzeitig hörte ich eine Stimme, die quasi aus dem Nichts kam. Die Stimme sagte, dass ich bald eine weite Auslandsreise antreten würde. Das beigefügte Dokument würde ich mitnehmen und nach meiner Ankunft den dortigen Behörden vorlegen. Sie würden daraufhin jede meiner Forderungen erfüllen, unter der Bedingung, dass ich nie wieder meinen echten Vor- und Nachnamen benutzte. Mein neuer Name solle Balthasar lauten."

Viele Motive und Momente dieses so überaus erfolgreichen Schriftstellerlebens sind im Bild dieses Namenswechsels miteinander verwoben: die Zauberkaft des Namens, den sich der Autor durch seine Werke erwirbt; die Arroganz der volkspolnischen Ämter und Behörden, mit denen Mrozek während seiner Jahre im sozialistischen Polen bei jeder Lebensregung einen langandauernden Guerrillakrieg ausfechten musste; die "lange Auslandsreise" seiner Wanderjahre seit 1963, die ihn nach Paris, nach Italien und bis nach Mexiko führten; und nicht zuletzt das sieghafte Selbstgefühl eines Dramatikers, dem gerade zu Beginn seiner Karriere in Polen wie im Ausland alles zu gelingen schien und dem die Liebe seines Publikums lange tatsächlich "jede seiner Forderungen" erfüllt hat. All das, so könnte man das Grundmotiv dieses traurigen und schönen Erinnerungsbuchs zusammenfassen, ist nun vorbei. Und ein Nachleben hat begonnen, in dem der berühmte Nachname des prominenten Patienten ersetzt ist durch einen poetisch-skurrilen Vornamen, wie ihn eine Figur seiner frühen Stücke tragen könnte.

Das kindliche Selbstbild, zu dem der Schriftsteller durch die Erfahrung der Aphasie zurückgeführt worden ist, prägt auch die Beschreibung seines abgelaufenen ersten Lebens. An die Okkupation Polens durch Nazideutschland hat Slawomir Mrozek noch die naiven, unschuldig-kühnen, gleichsam traumwandlerischen Erinnerungen der wirklichen Kinderjahre: jede Flucht und Umsiedlung ein Abenteuer, jeder verschwundene Kindheitsgefährte schnell vergessen, jeder Bomber ein Traumgefährt. Aber auch die verbummelten Krakauer Studienjahre des jungen Taugenichts zehren von diesem kindlichen Nicht-wahrhaben-Wollen, dem die eigene Verwahrlosung in einer schwer heizbaren Dachkammer ebenso irreal vorkommt wie die Verwandlung des stolzen und modernen Zwischenkriegspolen in einen sowjetischen Satellitenstaat, die Auflösung seiner Familie, die kafkaesken Umstände seines Journalistenberufs, das herunterkommende und verarmende Krakau.

Signum dieser kindlichen Haltung ist die Langeweile, die das Leben und die Arbeit regiert, die Entmündigung durch den Staat und der wütende Sinn für die unfreiwillige Komik der neuen Zeit, zum Beispiel bei den Weltjugendspielen 1955 im stalinistischen Prunk des Warschauer Palastes der Kultur und Wissenschaften: "Als wäre es gestern gewesen, sehe ich vor mir die Räume des Palastes und darin etwa hundert identisch gekleidete Polinnen und Polen, die sich an den Händen halten und das ewig gleiche Lied ,Ging ein Mädchen in den Wald, in den grünen . . .' singen. Dabei befanden wir uns in einem Palast aus falschem Gold und Edelsteinen."

Aber vor allem ist dies ein Krakau-Buch. Am traumhaft genauesten und nachdrücklichsten bleibt die Atmosphäre der gleichsam zu jeder Jahreszeit spätherbstlichen, sozialistisch vergewaltigten Renaissancestadt im Gedächtnis, die von Wodka befeuerten nächtlichen Gänge von einer der drei nachts geöffneten Bars zur nächsten, die verregneten Nachmittage, an denen der Spleen regiert, die Liebschaften, das Kellerkabarett "Pod Baranami", die Kohleöfen, die absurd und poetisch jeder Beschreibung spottenden Wohnverhältnisse.

Vielleicht ist es das Kennzeichen von gerade solchen Erinnerungen, die sich aus der Verwirrung des beschädigten Gehirns in das bewusste und künstlerisch gestaltbare Wachleben gerettet haben, dass sie so unvergessbar leuchten wie das Feuer, an dem sich Arbeiter auf dem Dach der Krakauer Königsburg wärmen und das der neunzehnjährige Gymnasiast vom Schulfenster aus flackern sieht, während er seinem gehassten Lehrer die Antwort auf eine Geographie-Prüfungsfrage schuldig bleibt: "Es war ein Wintertag, und man konnte schlecht sagen, ob es sein Anbruch oder seine Dämmerung war. So ist es in Krakau um diese Jahreszeit. Außerdem war es neblig, und alles war von einem gleichmäßigen, grenzenlosen Grau umhüllt. Aber das Feuer war lebendig wie, mit Verlaub gesagt, ein Herz." Slawomir Mrozeks Autobiographie hat nicht nur der Aphasie ein Buch abgerungen, sondern auch den denkbar depressiven Lebensumständen seiner Jugend all die Komik und alle Poesie, die noch im Schlimmsten verborgen sind.

- Slawomir Mrozek: "Balthasar". Autobiographie. Aus dem Polnischen übersetzt von Marta Kijowska. Diogenes Verlag, Zürich 2007. 376 S., geb., 22,90 [Euro].

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Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension

Beeindruckt zeigt sich Rezensent Ulrich M. Schmid von dieser Autobiografie des berühmten polnischen Dramatikers Slawomir Mrozek. Ein Hirnschlag im Jahr 2002 und eine anschließende Aphasie erschütterten die Identität des Autors und markierten einen Wendepunkt in seinem Leben. Vorliegende Autobiografie, entstanden auf Anraten von Mrozeks Logopädin im Zuge seiner Bemühungen, seine Sprache wieder zu erlangen, ist für Schmid dann auch ein "bemerkenswertes Dokument einer Selbstfindung". Er bezeichnet die Perspektive, die Mrozek einnimmt, als die des symbolisch Toten, der auf sein Leben zurückblickt. Mrozek erfahre seine Schreibsituation als "Epilog zu einem Leben", das eigentlich mit dem Hirnschlag geendet habe. Insofern fällt der Blick des Autors auf sein Leben nach Ansicht Schmids recht distanziert aus. Sein Ich nehme er dabei stark zurück. Schmid hebt in diesem Zusammenhang auch Mrozek gelassene und ironische (Selbst-)Einschätzungen hervor. Sich selbst oder dem Publikum etwas vorzumachen, habe Mrozek, der sich nach einem Traum Balthasar nennt, nicht mehr nötig.

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»Der führende polnische Gegenwartsklassiker.« Gerhard W. Appeltauer / Deutsche Welle Deutsche Welle