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Als die Schriftstellerin Lotte Inden erfährt, dass sie unheilbar krank ist, stellt sie einen jungen Mann ein, der sich nicht nur um ihren zunehmend geschwächten Körper, sondern auch um ihre geistige Hinterlassenschaft kümmern soll. Max Petzler wird zum ersten Leser und Archivar ihrer lebenslangen Aufzeichnungen und Gedanken, die Bausteine für ihren letzten großen Roman. Da Lotte weiß, dass sie dieses Werk nicht mehr vollenden wird, bereitet sie Max darauf vor, dass seine Hände die ihren ersetzen können, ja, dass er ihren Roman zu Ende führen kann. Je mehr sich Max auf diese "Erbschaft"…mehr

Produktbeschreibung
Als die Schriftstellerin Lotte Inden erfährt, dass sie unheilbar krank ist, stellt sie einen jungen Mann ein, der sich nicht nur um ihren zunehmend geschwächten Körper, sondern auch um ihre geistige Hinterlassenschaft kümmern soll. Max Petzler wird zum ersten Leser und Archivar ihrer lebenslangen Aufzeichnungen und Gedanken, die Bausteine für ihren letzten großen Roman. Da Lotte weiß, dass sie dieses Werk nicht mehr vollenden wird, bereitet sie Max darauf vor, dass seine Hände die ihren ersetzen können, ja, dass er ihren Roman zu Ende führen kann. Je mehr sich Max auf diese "Erbschaft" einläßt, desto mehr beginnt ihn die ungewöhnliche Frau zu faszinieren.
Ein bewegender Roman über die ungewöhnliche Beziehung zwischen zwei Menschen. Über die Kunst des Lesens und des Verstehens. Über Nähe und Distanz, Liebe und Selbstzerstörung, Fiktion und Wirklichkeit, über Leben und Tod.
Autorenporträt
Connie Palmen wurde 1955 in Holland geboren. Sie studierte in Amsterdam Philosophie und Niederländische Literatur. Ihr erster Roman Die Gesetze erschien 1991 und wurde gleich ein internationaler Bestseller. Sie erhielt für ihre Werke bereits zahlreiche Auszeichnungen.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 25.08.2001

Nichts gegen den Narzißmus
Im Herzkammerton: Connie Palmen leistet poetische Lebens- und Sterbehilfe · Von Jochen Hieber

Mit dem krankhaften Muskelschwund, medizinisch amyothrophe Lateralsklerose, ist es folgendermaßen bestellt: Der Mensch fühlt zunächst eine Ungeschicklichkeit der Hände, die sich rasch auf Arme und Beine ausdehnt und zu einer allfälligen Verunsicherung führt. Zu gleicher Zeit bemächtigt sich seiner eine schlaffe Lähmung, die sich nicht allein auf die äußeren Gliedmaßen, sondern auch auf die Fähigkeit zu sprechen und zu schlucken erstrecken kann. Es besteht eine ursächliche Störung des zentralen Nervensystems, deren chronischer Verlauf durch medizinische Maßnahmen zwar zu verlangsamen, nicht aber aufzuhalten ist.

Lotte Inden leidet an dieser Krankheit. Sie ist noch keine fünfzig Jahre alt und in ihrem Beruf bisher offenkundig sehr erfolgreich gewesen. Die freie Schriftstellerin verfügt über ein mehrstöckiges Appartement in Amsterdam und über ein Ferienhaus in der Bretagne. Als ihre Kräfte zu schwinden anfangen, kann sie sich zudem einen Privatsekretär leisten. Max Petzler, der die Stelle antritt, ist gerade mal dreißig, Lektor von Haus aus, sensibel, schwul. Er ordnet die Papiere der Dichterin, bringt ihr Archiv in Ordnung, steht allzeit zu Gesprächen bereit und entfaltet, wann immer nötig, auch krankenpflegerische Fähigkeiten. Halb freiwilliger Sklave, halb verehrender Eckermann: welche Autorin hätte so einen Helfer nicht gern? Lotte Inden hat ihn.

Und so leben die beiden dahin im Roman "Die Erbschaft", dem vierten Buch der Niederländerin Connie Palmen. Eine Idylle im Schatten des Verfalls und des Sterbens: Max Petzler im Dachgeschoß den Nachlaß ordnend, Lotte Inden im Kaminzimmer am neuen und zugleich letzten Werk arbeitend, das nicht weniger als die Mentalitätsgeschichte des zwanzigsten Jahrhunderts erzählen will. "Natürlich bin ich eine megalomane Zicke", sagt Lotte Inden über sich. Daß sie um ihren Größenwahn weiß, macht sie nicht unsympathisch. Daß sie bisweilen über die Literaturkritik im allgemeinen und über das "dumme Gewettere der Kritiker" im besonderen herzieht, liegt in ihrer Natur als Autorin.

Gegen Einwände und Kritik verteidigt sie standhaft auch den psychopathologischen Krückstock aller selbsternannten Dichtergenies, den Narzißmus: "Immer, wenn dieses Wort benutzt wird", redet sie sich in Rage, "schwingt unterschwellig eine Beschuldigung mit, und die bedenkenlose Stupidität derjenigen, die dieses Urteil fällen, macht mich rasend." Rasend so richtig in Rage geraten, setzt Lotte Inden gleich auch dem angeblich so vielgeschmähten autobiographischen Roman ein adelndes Denkmal: Er sei, läßt sie wissen, eine der ganz wenigen Kunstformen, "in der man dem einzigartigen menschlichen Phänomen der Selbstbespiegelung . . . nachgehen kann."

Der autobiographische Roman ist die Kunstform der Autorin Connie Palmen. In ihrem Erzähldebüt "Die Gesetze" von 1993 schickte sie eine Philosophiestudentin, die unverkennbar ihre Züge trug, auf einen Bildungsweg durch Gelehrten- und Scharlatanenhirne, durch Männerphantasien und Frauenemphasen. In "Die Freundschaft" von 1996 schilderte eine resolute Ich-Erzählerin, hinter der erkennbar sie selbst steckte, die Geschichte ihrer Kindheit, ihrer Jugend und ihres jungen Erwachsenseins. In der Prosa "I. M." erzählte sie 1999 ganz und gar unverstellt von ihrer Liebe zu Ischa Meijer, dem holländischen Juden, der als Kind das KZ Bergen-Belsen überlebt hatte, zeitlebens unter seinen Eltern litt, in Holland eine Medienkarriere machte und 1995 am Herzinfarkt starb.

Die Literaturkritik hierzulande hat diesen Büchern nicht sonderlich viel Beachtung geschenkt. Gehobene Unterhaltung, realistische Erzählkonfektion - mehr schien da nicht zu sein. Die Leser hingegen - zumal die Leserinnen unter ihnen, also die Mehrheit - überschütteten die Autorin mit einer Aufmerksamkeit, hinter der sich unschwer die Bereitschaft zur Identifikation erkennen ließ: mit der Autorin selbst, mit ihren Stoffen, mit der ebenso naiven wie naßforschen Art ihres Erzählens. "Die Gesetze" wurden ein Bestseller, "I. M." wurde Kult. Als verstorbener Krimiautor Tobias Tallicz taucht Ischa Meijer übrigens auch in den Dialogen des Romans "Die Erbschaft" wieder auf: Er, der Tallicz des neuen Romans, war naturgemäß die große Liebe der Heldin Lotte Inden.

Mit dem krankhaften Muskelschwund ist es folgendermaßen bestellt: Bedingt durch die fortschreitende Lähmung, ergibt sich im Laufe von zwei oder drei Jahren die Notwendigkeit, den Menschen mit einer Gehstütze zu versehen oder im Rollstuhl zu transportieren. Dann wird das Kauen schwierig und schmerzhaft, das Ernähren zur Qual. Ist endlich auch die Atemmuskulatur entscheidend in Mitleidenschaft gezogen, das Zwerchfell erschlafft, ist das Ende nahe. Vier Jahre praeterpropter sind seit dem Ausbruch ins Land gegangen. Obwohl der Geist des Menschen nicht affiziert ist, obwohl er immer noch denken und träumen und hoffen kann, gibt es keinen Ausweg.

Die Schriftstellerin Connie Palmen hat das romanhafte Leiden der Autorin Lotte Inden gut nach der Wirklichkeit gezeichnet. Die dichterischen Freiheiten, die sie sich gegenüber den Lehrbüchern nimmt, sind allerdings erheblich. So erspart sie ihrer Heldin den Verfall des Gesichts und den Horror, nicht mehr essen zu können. So gestattet sie ihr die romantische Selbstprognose, sie werde an gelähmtem Herzen sterben, obwohl der Herzmuskel, sagen die Lehrbücher, bei der amyothrophen Lateralsklerose nie betroffen ist.

Wozu dienen diese poetischen Krankheitsverschönerungen? Vor allem dazu, eine nicht unheroische - man könnte auch sagen: eine so größenwahnsinnige wie narzißtische - Liebesgeschichte möglich und erzählbar zu machen. "Willst du mit mir ins Bett, Max?" fragt Lotte gegen Ende des Buches. Und Max Petzler, der Sekretär und Erzähler, will es. Er ist, erinnern wir uns da, etwa zwanzig Jahre jünger als sie, offensichtlich ganz gesund - und schwul. Der Beischlaf gelingt gleichwohl, sensibel und sanft. Darf man den Roman "Die Erbschaft" mithin als Parabel auf die Unwiderstehlichkeit der Dichterin an sich begreifen? Vielleicht ist es doch treffender, wenn man Parabel durch Märchen ersetzt.

Merkwürdig bleibt, daß man trotz solcher Schwächen nicht wirklich verstimmt ist. Daß man trotz eines sentimentalen Briefeinschubs im letzten Drittel - Lottes "Mama" schreibt an die berühmte Tochter - im Grunde auch nie an den handwerklichen Fähigkeiten der Autorin zweifelt. Woher kommt das? Verantwortlich dafür ist vorab die Ökonomie des schmalen Buches. Nach den ausladenden Wortarien der Romanoper "I. M." ist "Die Erbschaft" ein Stück Kammermusik geworden. Und deren Töne erzeugen eine wohltemperierte Atmosphäre der Stille, der Trauer, der Lakonie.

"Die Erbschaft" ist kein wirklich bedeutendes Buch. Aber doch eine nachdenkliche Etüde über das Schreiben und den Alltag, über die großen und nicht ganz so großen Heroen der Literatur im zwanzigsten Jahrhundert, über Beckett und Proust etwa, Marguerite Duras oder Jane Bowles, in denen Lotte Inden sich fortwährend spiegelt. Schlußendlich glaubt man auch zu begreifen, warum und womit Connie Palmen all ihre Leser gewinnt: durch den kühlen Charme ihrer Prosa - und durch das auch dieses Mal unter Beweis gestellte Vermögen, eine bewegende Situation mit understatement zu schildern, ohne sie zu banalisieren. Die bewegende Situation in der "Erbschaft": Da sitzen zwei Leute in Amsterdam oder in der Bretagne und helfen sich gegenseitig ein wenig: Sie, Lotte, ihm, Max, beim Leben, er, Max, ihr, Lotte, beim Sterben. Mehr ist da nicht. Muß auch nicht sein.

Connie Palmen: "Die Erbschaft". Roman. Aus dem Niederländischen übersetzt von Hanni Ehlers. Diogenes Verlag, Zürich 2001. 148 S., geb., 32,90 DM.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

""Kein wirklich bedeutendes Buch", findet Rezensent Jochen Hieber. Was allerdings in seinen Augen kein Nachteil ist. Im Gegenteil, am Ende glaubt Hieber sogar begriffen zu haben, womit die niederländische Erfolgsautorin "all ihre Leser" gewinne: "durch den kühlen Charme ihrer Prosa" und durch das Vermögen, "eine bewegende Situation mit understatement zu schildern". Im Fall des vierten Buchs von Connie Palmen: "eine Idylle im Schatten des Todes", wie uns der Rezensent wissen lässt, die Geschichte einer todkranken Schriftstellerin und ihres jungen Sekretärs. "Sie hilft", fasst es Hieber zusammen, "ihm beim Leben. Er hilft ihr beim Streben." Darüber hinaus entstand dann wohl eine "nachdenkliche Etüde über das Schreiben und den Alltag" und über die "großen und nicht ganz so großen Heroen der Literatur des 20. Jahrhunderts.

© Perlentaucher Medien GmbH"
»Connie Palmen schreibt tiefsinnige Romane, die warmherzig und unterhaltsam sind trotz messerscharfer Analysen menschlicher Gefühle.« Christa von Bernuth / Elle Elle