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Salambo, die Tochter des karthagischen Königs, entscheidet sich für ihre Liebe zum Anführer eines Söldneraufstandes gegen Karthago und muß am Ende dafür büßen.

Produktbeschreibung
Salambo, die Tochter des karthagischen Königs, entscheidet sich für ihre Liebe zum Anführer eines Söldneraufstandes gegen Karthago und muß am Ende dafür büßen.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 02.11.1999

Ein Auge, kalt und grausam wie das Leben selbst
Carthaginem esse delendam: Flauberts "Salambo" in neuer deutscher Übersetzung / Von Friedrich Kittler

Der historische Roman, wie das neunzehnte Jahrhundert ihn erfunden hat, zehrte von einem Paradox: Er brachte Helden, Städte, Reiche zum Leben, obwohl oder weil sie im Staub der Geschichte versunken waren. Jeder Leser, zumindest jeder zeitgenössische, wusste, wie fatal "Die letzten Tage von Pompeji" oder "Der Kampf um Rom" geendet haben.

Kein historischer Roman aber hat Untergänge ritueller in Szene gesetzt als Gustave Flauberts "Salambo". Kaum dass der junge Arztsohn mit "Madame Bovary" 1857 einen Namen gewonnen und einen Pornographieprozess überstanden hatte, ging er an ein Romanprojekt namens "Karthago". Als größte aller phönizischen Kolonien hatte Karthago seinerseits das westliche Mittelmeer von Sizilien bis Spanien mit Kolonien überzogen, bevor es nicht bloß von römischen Legionen in Schutt und Asche gelegt, sondern 1830 von Kanonenbooten auch noch zur Kolonie Frankreichs gemacht worden war. Flaubert lief also kein Abenteurerrisiko mehr, als er das Afrika seines Romans 1858 bereiste. Die Ausgrabungen waren im Gang, die Historiker am Werk, und als Flaubert einmal mehr alle einschlägigen Wissenschaften einverleibt hatte, stand seinem Kolonialroman nichts mehr im Weg.

Karthagos fiktive Auferstehung aus Ruinen erschien 1862, aber unter einem neuen Titel, der die Fiktionalität auch einbekannte. Anders als alle anderen Romanfiguren, die von Hamilkar über Hannibal bis zum letzten Söldnerhauptmann antiken Quellen entstammen, ist die Titelheldin eine Erfindung Flauberts. Salambo und nur sie garantiert, dass der jahrelange Krieg zwischen Karthago und seinem um den Sold geprellten Söldnerheer nicht in historischem Faktenstaub oder epischer Breite versinkt, sondern Verleger zum Autorenhonorar und Zeitgenossen zur Romanlektüre verlockt. Deshalb ist Salambo, gerade weil ihr Romancier sie als "orientalische Frau" mit allen Schleiern des Geheimnisses verhüllt, Emma Bovary noch einmal, nur in barbarische Vorzeiten versetzt.

Madame Bovary liebt Männer, sofern sie nicht ihr Ehemann sind, nach Maßgabe genau der Liebesromane, die sie gelesen hat. Hamilkars fiktive Tochter liebt den Söldnerführer Matho, sofern er nicht ihr numidischer Bräutigam ist, nach Maßgabe genau der Gottheiten, die Karthagos düsteres Pantheon bereithält. Wenn aber Salambo in Mathos Unbewusstem die Liebesgöttin selber und Matho in Salambos Unbewusstem den Kriegsgott selber spielen, entfallen mögliche Pornographieprozesse. Stattdessen setzen Romanfiguren, die dem Religionswahn einer versunkenen Kultur unterstehen, den Historismus ihres Autors einfach in Handlung um. Ebendarum hat sich Flaubert nicht damit beschieden, abendländische Vergangenheiten wie Rom oder Pompeji heraufzubeschwören; ihr Maximum erreichte die Exotik erst im Krieg zwischen einem städtischen, aber orientalisch-grausamen Karthago und seinen barbarischen Nomadenvölkern.

Nur hatte eben auch das neunzehnte Jahrhundert seinen Religionswahn: Männer, die Geschichte machten, sollten alle zeitgeschichtliche Verblendung überragen. So feierte Schlieffen, der kaiserlich-preußische Generalstabschef, seinen Hannibal, so feierte Flaubert, der kaiserlich-französische Romancier, das Feldherrngenie von Hannibals Vater. Eben weil Hamilkar an keine Götter außer dem Schicksal glaubt, kann er Karthago noch einmal vor der Vernichtung bewahren, also gerade umgekehrt das barbarische Söldnerheer bis zum letzten Mann vernichten. (Feldherrn des neunzehnten Jahrhunderts, wie sie 1848, 1852 und schließlich 1871 barbarische Massenaufstände zusammenschossen, durften auf Flauberts sachkundigen Beifall zählen.) Eben weil er dergestalt Geschichte macht, kann Hamilkar aber auch Karthagos bourgeoise Handelsherren mit einer Prophezeiung ex eventu bestürzen, die seine geheime Identität mit dem Romancier verrät: "Karthago wird fallen!"

Flaubert hat "Salambo" wie ein Stratege geschrieben. Er verteidigte seine historischen und archäologischen Rekonstruktionen gegenüber jeder literaturgeschichtlichen oder archäologischen Kritik; er baute Karthago als riesiges Manöverfeld auf, nur um es desto gründlicher zerstören zu können. Kampfelefanten und Belagerungswaffen, Göttertempel und Fernhandelsreichtümer, orientalische Paläste und anachronistische Aquädukte: sie alle füllen seitenlange Beschreibungen, deren Schönheit oder Grausamkeit zum einzigen Endzweck die Vernichtung hat. Das erste Kapitel beschreibt, wie ein weintrunkenes Söldnerheer Hamilkars Gärten plündert, brandschatzt und zerstört, das letzte Kapitel, wie Karthagos siegestrunkener Mob den gefangenen Matho stundenlang und einfallsreich zerstückelt, bis Romanheld und Romanheldin zu gleichzeitigem Tod kommen.

Flaubert nannte die Kunst der Poesie von homerischem Alter, die Kunst der Prosa dagegen seine eigene Erfindung. Jeden Satz, den er schrieb, testete ein brüllender Romancier erst auf Sprechbarkeit und Kürze. Vor allem aber durften Sätze, die nicht sofort im Papierkorb landeten, keinerlei Gefühle, Meinungen oder Zeitgenossenschaften ihres Schreibers mehr verraten. Was solche Autodafés überstand, war Flauberts ebenso berühmte wie unübersetzbare impassibilité: eine Beschreibung ohne Urteil, ein Auge ohne Subjekt, anders gesagt: die nackte Grausamkeit.

Aber es ging nicht um Sadismus, wie Frankreichs führender Kritiker argwöhnte; es ging um eine Wahrnehmung, die so schutzlos wie physiologisch war. Alle Schlachten in "Salambo" sind aus der Sicht der Verlierer beschrieben; alle beginnen sie mit blendend-schönen Lichterscheinungen am Horizont der Wüste, die als Kampfelefanten oder Lanzenspitzen erst kenntlich werden, wenn es zur Verteidigung schon zu spät ist. Genauso haben zeitgenössische Physiologen und Stabsoffiziere die Lage moderner Sinne beschrieben. Prosa hieß also, den Dingen gerade nicht - wie die Poesie - Namen zu geben, sondern diese Namen zu nehmen. Die Gemetzel, Schlachten und Massenhungertode, auf die "Salambo" hinausläuft, sind Vorspiele unseres Jahrhunderts. Und schon weil die französische Kolonialmacht nicht wie die britische davon träumte, im Eingeborenenherzen von Kiplings Kim wiedergeboren zu werden, konnte Flaubert einen Roman schreiben, der außer Karthago auch die Rechtfertigungen zerstörte. In der Prosa der Grausamkeit gibt es kein Weil oder Wozu.

Es ist das große Verdienst der neuen Übersetzung, Flauberts Parataxen endlich ins Deutsche übertragen zu haben. Petra-Susanne Räbel hat das unaufhörliche Präteritum des Romans in seiner Trostlosigkeit belassen und die antiquarischen Fakten in einem Anhang versammelt, der allerdings mehr topographischen Ballast als historisch-politische Lagen erläutert (um von Flauberts wissenschaftlichen Quellen ganz zu schweigen). Makellos dagegen ist die Übersetzung selber. Wer vom bethlehemitischen zum karthagischen Kindermord wechseln möchte, kann sich Flauberts schwärzestes Buch zu Weihnachten schenken lassen.

Gustave Flaubert: "Salambo". Roman. Aus dem Französischen übersetzt von Petra-Susanne Räbel. Haffmans Verlag, Zürich 1999. 400 S., geb., 58,- DM.

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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Dreimal Flaubert hat sich unser Flaubert-Spezialist Willi Winkler ("Alles habe ich gelesen, was zu haben war über Flaubert") zugemutet: den Roman "Salambo", Die "Erziehung der Gefühle" und einen Band "Drei Erzählungen", allesamt erschienen im Haffmans-Verlag.
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