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Produktdetails
  • Verlag: Haffmans
  • Seitenzahl: 172
  • Abmessung: 185mm
  • Gewicht: 224g
  • ISBN-13: 9783251004263
  • ISBN-10: 3251004263
  • Artikelnr.: 24047463
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Obwohl der ein oder andere dieser "Sturzflüge" nach Ansicht von Martin Ebel "mit einer Bruchlandung" endet, so bescheinigt der Rezensent der Autorin doch unübersehbare schriftstellerische Begabung. Ihm gefällt es, wie Kusterer ein biederes und auch langweiliges Milieu beschreibt, in dem Tupperware-Parties und der Volkshochschul-Kurs "Schreibende Frauen" schon Highlights in der erstarrten Routine sind. Die Routine wird allerdings manchmal von Außenseitern wie einem Kleinkind oder einem Russen, die sich nicht in dieses geordneten Gefüge einpassen, aufgebrochen. Dies erinnert den Rezensenten - wie er anerkennend betont - an die "Tradition amerikanischer Short Stories". Schwächen zeigt die Autorin seiner Ansicht nach jedoch in den Mono- und Dialogen sowie in den nicht vorhandenen oder missglückten Pointen. Allerdings gelingt es Kusterer immer wieder Sätze oder Passagen in ihre Geschichten einzuflechten, deren Nachwirkungen den Rezensenten spürbar beeindruckt haben.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 11.07.2000

Singenfingens künstliche Sümpfe
Mal überdreht, mal bodennah: Karin Kusterers "Sturzflüge"

Singenfingen heißt die bayerische Kleinstadt, die Karin Kusterer ihren Figuren als Heimat erfunden hat. Es muss sich dabei um einen jener Orte handeln, in denen die Geranienkästen vor den Fenstern täglich gegossen und die Bürgersteige gefegt werden, jeder eine Arbeit und eine Wohnzimmergarnitur hat, mancher brave Ehemann auch eine Geliebte und alle mächtig Langeweile. Das Leben ist gut organisiert, der Hund bekommt vom Nachbarn eine Wurst geschenkt und der Asylbewerber, der ihn ausführt, auch ein Lächeln; in die Wurst beißen darf er aber nicht.

Bei der Lektüre von Karin Kusterers Kurzgeschichten stellt sich häufiger das Gefühl von déjà vu ein. Die von Gelächter und Gekreisch begleitete Tupperware-Party. Die Einsamkeit der ausgehaltenen Nebenfrau, deren Leben im Warten verrinnt. Der Workshop "Schreibende Frauen" in der Volkshochschule. Der ängstlich-eifersüchtige Vater einer heranwachsenden Tochter: Das sind vertraute Gestalten, die uns täglich über den Weg laufen und denen nur ein schärferer Umriss, eine neue Note, ein abweichendes Detail Lebensrecht auch auf dem Papier geben können.

Immer wieder findet die Autorin dieses Detail. Etwa die Filzpantoffeln mit der Aufschrift "Für Gäste", die dem Besucher aufgedrängt werden und dem Leser sofort zu verstehen geben, um welche Art Haushalt es sich hier handelt. Oft ist es der "fremde Blick", der diese sprechenden Besonderheiten erst wahrnimmt: der eines Kleinkindes, für den die Dinge noch nicht geordnet und funktional, sondern geheimnisvoll und chaotisch erscheinen; der einer aus der Zeit gefallenen Greisin; der eines gestrandeten Russen, der sich wundert, dass die Deutschen die Sümpfe in Wiesen und Wäldern trocken- und sich dafür kleine Sümpfe in ihren Gärten anlegen.

Solchen Außenseitern nähert sich Karin Kusterer einfühlsam und mit einigem Geschick. Oft glückt es ihr, aus wenigen Accessoires eine Szene, einen Charakter, ein Schicksal zu entwerfen, in bester Tradition amerikanischer Short Stories. Weniger glücklich ist sie, wenn sie ihre Figuren zum Sprechen bringt: Monologe und Dialoge gehören nicht zu ihren Stärken. Auch Bilder ("Fegefeuer der Lust") gehen daneben, und nicht immer leistet die Pointe, wenn denn überhaupt eine da ist, was sie soll.

Manchmal ist es nur eine kurze Passage, die in einer Geschichte aufleuchtet, aber die wirkt dann auch nach. So ist das Stück "Bärenklau" insgesamt misslungen; ein junger Mann stellt seine Freundin seiner Mutter vor und diese hat nichts Eiligeres zu tun als zu erzählen, wie sie ihren Sohn abtreiben wollte. "Er spürte, dass er mich verloren hatte", heißt es plötzlich; mit diesem Besuch ist die Beziehung zu Ende (und die Geschichte auch). Und dieser Satz, der einzige in dieser hanebüchenen Szene, ist von einer Wahrheit, die trägt und keine weiteren Erläuterungen mehr braucht.

Mancher dieser "Sturzflüge" endet also mit einer Bruchlandung oder kommt erst gar nicht zustande, weil die Erzählmaschine nicht durchstarten kann. Dennoch ist dieser Prosa-Erstling nicht nur sympathisch unspektakulär neben dem Rummel um Fräulein- und Herrlein-Wunder, sondern trägt auch Züge unverkennbaren Talents. Nach ein paar Flugstunden darf man auf weitere Rundflüge über Singenfingen gespannt sein.

MARTIN EBEL

Karin Kusterer: "Sturzflüge. Zweiundzwanzig Anleitungen zum Abheben". Haffmans Verlag, Zürich 2000. 176 S., geb., 32,- DM.

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