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Ein Tag im Leben eines Neu-Moskauers, zugereist aus der russischen Provinz - ein Tag im Leben seines Hemdes. Am Morgen danach wird es zerknittert in der Ecke liegen und einiges hinter sich haben: Saschas hektischen Arbeitstag, wilde Autofahrten quer durch die Stadt, aberwitzige Tagträume, Gespräche bis tief in die Nacht und - das Bangen des heftig Verliebten. Morgen wird das Hemd gewechselt: neuer Tag, neues Hemd, neues Glück. Jewgenij Grischkowez, der Shootingstar der jungen russischen Literatur, beschreibt den Moskauer"Bloomsday"seines Helden in einer erzählerischen Rasanz, die der…mehr

Produktbeschreibung
Ein Tag im Leben eines Neu-Moskauers, zugereist aus der russischen Provinz - ein Tag im Leben seines Hemdes. Am Morgen danach wird es zerknittert in der Ecke liegen und einiges hinter sich haben: Saschas hektischen Arbeitstag, wilde Autofahrten quer durch die Stadt, aberwitzige Tagträume, Gespräche bis tief in die Nacht und - das Bangen des heftig Verliebten. Morgen wird das Hemd gewechselt: neuer Tag, neues Hemd, neues Glück. Jewgenij Grischkowez, der Shootingstar der jungen russischen Literatur, beschreibt den Moskauer"Bloomsday"seines Helden in einer erzählerischen Rasanz, die der stürmischen Entwicklung der russischen Hauptstadt ebenbürtig ist. Mit scharfem Blick charakterisiert er einen Typus aus der neuen, aufstrebenden Mittelschicht - seinen Hedonismus, seine Lässigkeit, seine Lakonie. Sascha ist ein Dandy des 21. Jahrhunderts und zugleich ein Russe, wie er im Buche steht: ein treuer Freund, ein leidenschaftlich Getriebener, ein trinkfreudiger Philosoph, der am Abend genauso mitgenommen ist wie sein Hemd.
Autorenporträt
Jewgenij Grischkowez, geboren 1967 in Kemerowo/Sibirien, ist ein Kultstar der russischen Theaterszene. Jewgenij Grischkowez lebt in Kaliningrad.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 26.06.2009

Baby, ich mach' dir den Hemingway
Ein Tag im Leben eines Verliebten: Jewgenij Grischkowez hat einen ebenso melancholischen wie überschwenglichen Roman geschrieben

Der Winter in Moskau ist kalt. Drei Dinge können ihn erwärmen: gute Freunde, große Mengen Wodka und eine wahnwitzige Verliebtheit. Sascha, ein junger Architekt, erlebt das alles auf einmal. "Das Hemd" begleitet ihn durch diesen einzigen Tag, den der Roman behandelt, und ist am Ende so mitgenommen wie Sascha selbst. Kein Wunder. Denn es ist einiges los zwischen Aufwachen und Einschlafen. Dabei lässt sich der Tag eher ruhig an: damit, dass Sascha am liebsten alles absagen und im Bett bleiben möchte. Aber ein Freund aus seiner Heimatstadt kommt zu Besuch nach Moskau, er muss ihn abholen und gefällt sich in der Souveränität dessen, der schon länger in der Hauptstadt wohnt. Nur hat Sascha bei aller Freundschaft nicht viel Lust, sich mit Max zu beschäftigen. Er will die ganze Zeit an "SIE" denken und sucht nach dem geeigneten Moment, "SIE" anzurufen. "SIE", die nur in Großbuchstaben durch seinen Kopf und den gesamten Roman geistert. "Ich halt's nicht mehr aus! Lieber Gott im Himmel! Warum hab' ich mich so verliebt?!"

Weil eben nie alles so einfach ist, wie ein Verliebter sich das vorstellt, ist die Dame erst mal nicht zu erreichen. Später sagt sie ein Treffen ab. Seine Gefühle freilich schmälert das nicht. Zwischen der Euphorie steht ein normaler Arbeitstag: Ärger auf der Baustelle, Empörung über einen Kollegen. Und dann bemerkt Sascha, dass ihm jemand folgt und jeden seiner Schritte überwacht. Derjenige gibt sich so wenig Mühe, das zu verbergen, dass jegliche Aufregung unangebracht ist. Sascha hilft Max deshalb lieber bei der Suche nach "Ausschweifungen", die in sehr viel Wodka und der Suche nach dem nächsten Lokal bestehen, quer durchs winterliche Moskau.

Dass der Autor Jewgenij Grischkowez sich mit Theaterstücken einen Namen gemacht hat, ist der Erzählweise kaum anzumerken. Er beschreibt alles so detailliert, als hätte er jahrelang schweigen müssen. Nur bei der Dialogform, die immer wieder auftaucht, zeigt sich der Theaterdichter. In diesen Szenen redet sich Sascha regelrecht in Rage, ob über Geld, Zigarren oder den albernen Bart seines Freundes.

Eine besondere Stimmung prägt diesen Roman. Einerseits ist er so melancholisch wie das "Hemingway-Spiel", das die beiden Freunde ersonnen haben: Man geht gemeinsam aus und umgarnt Frauen, indem man unglaublich charmant, aber zurückhaltend ist und sich den Anschein großer Verletzlichkeit gibt. Am Ende des Abends setzt man sie ganz ehrenhaft in ein Taxi, das sie nach Hause zu ihren Ehemännern fährt, ohne auch nur Telefonnummern auszutauschen. Andererseits zieht sich ein leicht pathetischer Überschwang durch die Seiten, charmante Gefühlsausbrüche, die indes niemals peinlich oder kitschig werden. Sie handeln auch nicht ausschließlich von der Angebeteten, sondern bejubeln vor allem das Leben. Einmal erinnert sich Sascha an die gemeinsame Zeit in der Kleinstadt zurück, in der er sich nach langen Nächten zum Katerfrühstück mit Max traf - weil die Frauen ohnehin sauer waren. Bei Konterbier, Wodka und Soljanka regenerierten sich ihre Organismen langsam, bis sich allmählich der Schleier von der Umgebung hob und die beiden die Welt wieder wahrnehmen konnten. Dann kam stets "ein Gedanke, der das Herz ganz, ganz hoch fliegen lässt: ,Vor dir liegt noch ein langer Abend, und morgen ist Sonntag! Glück! Und der Sommer hat erst angefangen! Gott! Wie schön! Ein freier Tag!'" Melancholie plus Überschwang: Das ist die sprichwörtliche russische Seele, zwischen Buchdeckel gefasst.

Hinzu kommt ein unaufdringlicher Witz, der vor allem in Saschas Erzählungen über sein Leben aufblitzt. Zum Beispiel über seinen Heimtrainer, den er zwar nur als Kleiderständer benutzt, seit dessen Anschaffung sich jedoch alle Gedanken an Sport erledigt haben. "Das Ding stand neben meinem Bett und schien zu sagen: ,Alles sinnlos.'"

Sascha scheint fest in seinem Alltag und seiner Zeit verwurzelt, doch Träume bringen dieses Bild zum Wanken: Im Schützengraben, auf einer Schiffsbrücke oder in einem Militärzug befindet er sich, sobald er einnickt. Stets ist er dort mit seinem Freund Max, es ist gefährlich, und nie wird klar, ob das nun Rückblenden sind oder seiner Phantasie entsprungene Szenarien. Vieles spricht für die blühende Phantasie. Schwungvoll und frisch hat Grischkowez seine Geschichte aufgeschrieben. Und Beate Rausch übersetzte das Stakkato von Saschas Zornesausbrüchen ebenso gewandt wie die schmetterlingshaften Liebesgedanken und die gelegentlich auftauchende Jugendsprache.

JULIA BÄHR

Jewgenij Grischkowez: "Das Hemd". Roman. Aus dem Russischen von Beate Rausch. Ammann Verlag, Zürich 2008. 267 S., geb., 19,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Winter in Moskau. Die Überlebensstrategien (Freunde, Wodka, Liebe) der beiden Protagonisten in diesem Roman von Jewgenij Grischkowez erscheinen Julia Bähr plausibel. Ebenso die Stimmung, die die Lektüre vermittelt. Die detaillierten Beschreibungen des Moskauer Alltags lassen Bähr schwanken zwischen verletzlicher Melancholie und pathetischem Überschwang, den beiden Polen der russischen Seele, wie die Rezensentin zu wissen glaubt. Der "unaufdringliche Witz" und die Frische, mit der Grischkowez seine Geschichte erzählt und gelegentlich fantastische Szenarien entwirft, plus die "gewandte" Übersetzung von Beate Rausch haben Bähr das Buch lieb gewinnen lassen.

© Perlentaucher Medien GmbH