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In einem schmuddligen Provinztheater verliebt sich die Regieassistentin Tanja Merz in den zwanzig Jahre älteren Dirigenten Edgar, einen charismatischen Holländer. Über Nacht verläßt sie das Theater und zieht in das Reihenhaus des Dirigenten ein. Tanja wird schwanger. Schockiert von der Frühgeburt ihrer Tochter nimmt sie den ärztlichen Rat, penibel auf Sauberkeit zu achten, todernst. Während Edgar von Orchester zu Orchester durch die Welt jettet und das Baby im Brutkasten um sein Leben ringt, fängt Tanja an, gegen den Schmutz zu kämpfen. Endlich darf die junge Mutter das Kind ins keimfreie Haus…mehr

Produktbeschreibung
In einem schmuddligen Provinztheater verliebt sich die Regieassistentin Tanja Merz in den zwanzig Jahre älteren Dirigenten Edgar, einen charismatischen Holländer. Über Nacht verläßt sie das Theater und zieht in das Reihenhaus des Dirigenten ein. Tanja wird schwanger. Schockiert von der Frühgeburt ihrer Tochter nimmt sie den ärztlichen Rat, penibel auf Sauberkeit zu achten, todernst. Während Edgar von Orchester zu Orchester durch die Welt jettet und das Baby im Brutkasten um sein Leben ringt, fängt Tanja an, gegen den Schmutz zu kämpfen. Endlich darf die junge Mutter das Kind ins keimfreie Haus holen. Auch Edgar kehrt heim. Die Familie ist komplett. Das Desaster nimmt seinen Lauf. Aller Erwartung zum Trotz hat Katja Oskamps temporeicher und witzig erzählter Eheroman ein ziemlich scharfes Happy End.
Autorenporträt
Katja Oskamp, geboren 1970 in Leipzig, aufgewachsen in Berlin, studierte Theaterwissenschaften und Germanistik, war Dramaturgin am Volkstheater in Rostock. Sie lebt heute mit ihrer Tochter in Berlin.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 05.02.2008

Nur die saubere Fliese zählt
„Die Staubfängerin”: Katja Oskamp erzählt aus der Ehehölle
Einige Indizien sprechen dafür, dass gerade Neubaugebiete an den Rändern älterer Dörfer Brutstätten für den schleichenden Ekel und das Grauen in uns selbst sein können: Junge Ehepaare ziehen hoffnungsfroh aus überteuerten Stadtwohnungen aufs Land, Lehrer oft und Ärzte und Verwaltungsangestellte; sie gründen Familien, eingeschworene Nachbarschaftsgemeinschaften und einen Heimatverein, grillen Würstchen auf Dorffesten und wechseln sich beim Babysitten ab. Sie erfreuen sich an Waldjoggingpfaden und am kleinen Max, der dem Akkordeon – nun je – Töne entlockt. Die Tupperparty kann unter widrigen Umständen im Wochenkalender den Rang eines gesellschaftlichen Großereignisses einnehmen. Die Eigenheimbesitzer träumen zuweilen vom Fremdgehen, und tun es wahrscheinlich zu selten. Koniferen werden als sanfter Wall an der Terrassengrenze angeordnet, und Wäschespinnen warten zusammengeklappt unter Schutzschirmen auf den nächsten Einsatz. So entsteht eine Art von Radikalität des Normalen, die ein idealer Nährboden für alle möglichen Neurosen sein kann.
Koch und Liebhaber
Nennen wir sie einmal pauschal die akute Reihenhaus-Neurose: Wie und vor allem wann genau sich diese bei Tanja Merz, der Heldin aus Katja Oskamps Erzählungsband „Halbschwimmer” und auch ihres nun erschienenen ersten Romans „Die Staubfängerin”, einstellt, lässt sich gar nicht genau sagen. Denn eigentlich beginnt alles wie im Rausch: Die Mittzwanzigerin hat ihre erste Festanstellung als Regieassistentin an einem heruntergekommenen Theater an der Ostsee, genießt auf gewisse Weise sogar die Marotten ihrer leicht verpeilten Chefin, stürzt sich in die Arbeit wie in ein Abenteuer und scheint ein glücklicher Mensch zu sein; auch die DDR ist seit wenigen Jahren passé, wenngleich ihre Eltern mental noch in ihr weiterleben. Eines Tages begegnet Tanja dem zwanzig Jahre älteren „GMD”. Der holländische Generalmusikdirektor des kleinen Theaters bekommt bald einen richtigen Namen, Edgar nämlich. Er entpuppt sich als angesehener Dirigent, passionierter Koch, stattlicher Mann, stolzer Besitzer eines Reihenendhauses und durchaus passabler Liebhaber. Als Tanja ihn das erste Mal besucht, müsste sie allerdings gewarnt sein: Das Dorfdomizil wird ihr zur Falle und für die nächsten Jahre zum Schicksal. Endstation Romantik: Das Unwörtchen Reihenendhaus trägt die finalen Züge ja schon im Namen. Die Leidenschaft verwandelt sich bedenklich schnell in eine Ehe, das Paarglück in Elternschaft.
Tochter Paula ist ein Frühchen und muss die ersten Monate penibel umsorgt werden – Hygiene ist das allerwichtigste; kein Staubpartikelchen, kein Bazillus darf ihr auf die empfindliche Pelle rücken. Während sich Tanja ganz dem Muttersein widmet und die sozialen Kommunikationsnetze in der Neubausiedlung knüpft, jettet Edgar von Engagement zu Engagement. So weit, so behaglich. Aber der liebende Blick trübt sich schon ein bisschen, erhascht mit der Zeit Misslichkeiten, die kurz zuvor unter der Rubrik Charme verbucht worden wären. Der eben noch angehimmelte Partner wird auf menschliches Maß gestutzt: „Auf dem Kragen entdeckte ich weißliche, eingetrocknete Ränder. Edgar brachte mir seinen alten Schweiß aus dem Ruhrpott mit.” Nicht nur das: Auch schlechte Laune hat er immer öfter im Reisegepäck, und für das Dorfleben ist der Künstler sich ebenfalls zu fein. Arme Tanja! Als schließlich eine berufliche Flaute einsetzt und Edgar den Dirigentenstab über Monate hinweg gegen den Kochlöffel eintauscht, gerät die Idylle bedenklich ins Wanken: Überall hinterlässt der immer unansehnlichere Edgar Schmutz und Fettspritzer, die Küche gleicht einem Schlachtfeld, und Tanjas Putzfimmel hat sich mittlerweile zum pathologischen Sauberkeitswahn ausgewachsen. Nach einer endlosen Müll-Suada Tanjas verfällt der „große, erwachsene Holländer” sprichwörtlich selbst zu Staub. Auch die übrig gebliebenen Partikelchen der einstigen Liebe können da leicht zusammengefegt und entsorgt werden.
Katja Oskamp schildert diese Krise des Alltäglichen mit einer vehementen Lust an der Überzeichnung, in manchen Passagen ganz unsentimental und böse und ungezwungen. Alles ist nur noch Gegensatz: So leben die beiden unterschwellig auch ihren privaten Ost-West-Konflikt aus. Dieser wurde zu Beginn der Beziehung noch als Flirt-Geplänkel inszeniert: „Hattet ihr eigentlich Hühner in der DDR”, fragt Edgar, und Tanja antwortet keck: „Ja. Aber die waren alle bei der Stasi. Schon als Küken.” Zuletzt enden alle Gespräche im kommunikativen Desaster: „Ich bin dein Problemfall Nummer eins! Du hast eine freche kleine Regieassistentin bestellt und eine fette Mutti bekommen!”
Von ironisch zu gallig
Oskamps Romandebüt hat bei aller Detailgenauigkeit, bei allem Witz, bei aller Darstellungsschärfe ein kleines Problem: Wie aus der ambitionierten Regieassistentin, die sich nichts sehnlicher wünschte als ein Leben am Theater, über Nacht ein Muttchen mit Staubwedel in der Hand werden kann, das sich nur noch für einen neuen Kobold-Staubsauger und reine Fliesen interessiert, das ist nicht ganz einsichtig. Weshalb die beiden Teile des Buches – die Affäre der jungen Frau und die folgende Ehe – auffällig stark auseinanderfallen. Dieses Auseinanderfallen aber wird zumindest sprachlich schön markiert: Zu Anfang wirkt die Ironie offen und lebenszugewandt, im zweiten Teil dann verloren und gallig. Bleibt noch der dritte Teil des Romans, für den die 1970 geborene Autorin übrigens mit dem Anna-Seghers-Preis ausgezeichnet wurde: Tanja lässt ihren Mann zurück und flüchtet mit der Tochter in ein anderes Leben nach Berlin. Sie nimmt „aus Versehen” zehn Kilo ab und „verwaltet” ihre Trauer darüber, „dass die Eltern der kleinen Paula kein Liebespaar mehr waren”. Es ist dann ausgerechnet ein alternder ostdeutscher Fensterputzer, ein schwindelfreier Reinemachemann, den Katja Oskamp für ihre Heldin aus dem Hut zaubert, und der die beiden Reihenhausflüchtlinge in glücklichere Zeiten zu führen verspricht. Aber kleine Andeutungen ganz am Ende lassen für den nächsten Tanja-Merz-Roman mit einer nicht ganz ungetrübten Liebesfreude rechnen. ULRICH RÜDENAUER
KATJA OSKAMP: Die Staubfängerin. Roman. Ammann Verlag, Zürich 2007. 222 Seiten. 17,90 Euro.
„Du hast eine freche kleine Regieassistentin bestellt und eine fette Mutti bekommen!” – Die Schriftstellerin Katja Oskamp Foto: Isolde Ohlbaum
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Eine Dienstleistung der DIZ München GmbH
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 06.10.2007

Unser Reihenendhaus soll schöner werden
Absurdes Ehetheater: In ihrem Roman räumt Katja Oskamp auf

Von Friedmar Apel

In Katja Oskamps Erzählungen "Halbschwimmer" (2003) hatte der Leser Tanja Merz kennen- und lieben gelernt, die Tochter eines Offiziers der Volksarmee mit Neigung zu älteren Männern und zum Abenteuer. In ihrem Blick für das Detail verwandelte sich der Alltag in der Spätphase der DDR in eine nicht ohne Nostalgie dargestellte Groteske.

Wie es Tanja seither ergangen ist, beschreibt der erste Roman der 1970 in Leipzig geborenen Autorin. Als Regieassistentin an einem Provinztheater im Osten lernt sie Edgar, einen holländischen Dirigenten kennen, zwanzig Jahre älter, sehr kultiviert, vor allem ein guter Koch. Hals über Kopf verlässt sie das schäbige Theater und ihre versoffene Regisseursfreundin Anita und zieht in Edgars Reihenendhaus auf dem Lande. In der Zeit der ersten Verliebtheit wird viel und gut gegessen und getrunken, und es werden im Schein von dreißig Kerzen Geschichten erzählt, die nicht zueinander passen wollen. Dann wird Tanja schwanger, und die Katastrophe nimmt ihren Lauf.

Der Roman beginnt aber mit einem dramaturgisch geschickten Rückblick auf ein etwas ekliges Requisit, einen wahrhaft anrüchigen Liebeszettel, eine Keimzelle im doppelten Wortsinn. Hier zeigt sich bereits Katja Oskamps Fähigkeit der mehrfachen Motivierung des Details in einem Stil, der Humor und Beklemmung wie mühelos vereint. Paula ist ein Frühchen, 31. Woche, und Tanja fürchtet nun etwas, was in der DDR bekanntlich nicht selten vorkam: "Ausschuss ist das, haben die sich gedacht, und ab damit in die Tonne." Ihren Verdacht aber will sie listig mit der Frage erhärten, ob ihre Tochter ein Segelohr hat.

Hat sie nicht, und sie lebt, im Brutkasten zunächst. Als sie nach Hause ins Reihenendhaus darf, wird Tanja wie üblich geraten, auf Sauberkeit zu achten. Das tut die junge Mutter zunehmend eifrig, rasant verwandelt sich ihre Sorgfalt in eine Putzneurose. Unterdessen integriert sie sich in Auflehnung gegen den weltläufigen Kindsvater als Protokollführerin des Heimatvereins ins Dorfleben. "Hier, wo sie billigen Rotwein saufen und Kadett fahren, wo sie André Rieu nicht von Giuseppe Verdi unterscheiden können, wo der Bauer nicht frisst, was er nicht kennt, hier wird jeder Überflieger kleingehackt, jede wahre Leistung ins Mittelmaß hinabgerissen, jedes Fünfsternemenü mit literweise Ketchup übergossen."

So verwandelt sich der vormals bewunderte Ehemann in einen widerwärtigen Fleischklops, der nichts als Dreck macht. Tanja baut ihm ein Gewächshaus, als Riesenbaby im eigenen Brutkasten züchtet er Kamelien und kommt nur zum Essen und Schlafen ins Haus. Tanja aber putzt. Immer mikroskopischer wird ihr Blick für bakterielle Verseuchung. Das wird gelegentlich karikaturistisch überzeichnet, dennoch gelingt Katja Oskamp eine subtile doppelte Perspektivierung des Ehedramas, das auch die Verständnisschwierigkeiten zwischen Ost und West thematisiert: "Weißt du eigentlich, mein Lieber, dass ich der Anführer aller Ossis bin?" Der angeekelte Blick auf den fettbäuchigen Holländer spiegelt sich in der Selbstwahrnehmung der Zwangsneurotikerin. "Dein aktueller Feind heißt Tanja Merz, wird bald dreißig, wiegt achtzig Kilo und benimmt sich wie ein Vollinvalide."

Katja Oskamps erster Roman liest sich gelegentlich wie ein Reflex auf Sartres "Der Ekel", nur viel kurzweiliger. Nicht zuletzt deshalb, weil noch in den Absurditäten der Szenen einer ostwestlichen Liebesbeziehung eine Spannung von Erfahrung, Leidenschaft, ja Hass und deren Bewältigung im Humor zu spüren ist. Wie sich Tanja mit tätiger Hilfe eines Fensterputzers mit DDR-Odium aus ihrer Schmutzneurose befreit, wird mehr als drastisch, gewissermaßen eindringlich dargestellt und doch zugleich kunstvoll mit der Vorgeschichte verwoben. Die Kunstfertigkeit im nur scheinbar unbekümmerten erinnernden Schreiben, die Katja Oskamp schon in den Erzählungen gezeigt hatte, kommt in der dramaturgisch geschickten Komposition des Romans noch besser zur Geltung. Ihr gelegentlich etwas überdrehter Witz, dem nichts fies ist, vergnügt den Leser bis hin zum hübschen Schlusseffekt und lässt ihn dennoch nicht die Schmerzen vergessen, die Tanja Merz und ihre Autorin zweifellos nur zu gut kennen.

- Katja Oskamp: "Die Staubfängerin". Roman. Ammann Verlag, Zürich 2007. 224 S., geb., 17,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Tanja Merz, die Heldin von Katja Oskamps erstem Roman, kennt man schon aus dem Erzählungsband "Halbschwimmer". Nun erfährt man, so der Rezensent Friedmar Apel, was ihr danach geschah. Gut ist es nicht, auch wenn es erst einmal so aussieht. Sie verliebt sich, sie heiratet den holländischen Dirigenten Edgar. Tanja wird schwanger, die Ehe zur Hölle. Edgar isst gern, gut, vor allem viel und wird darüber, so Apel, zum "Fleischklops". Tanja Merz dagegen entwickelt einen heftigen Sauberkeitsfimmel und jagt unermüdlich Krankheitserreger im heimischen Haus. Der Rezensent fühlt sich von dem Roman an Sartres "Der Ekel" erinnert, findet ihn aber entschieden "kurzweiliger". Um das Verhältnis der Ossi zum Westler geht es, an deftiger Komik wird nicht gespart. Und überm Spaß, den man hat, wird man, meint Apel, den "Schmerz", der allem zugrundeliegt, doch nicht vergessen.

© Perlentaucher Medien GmbH