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"Schlafwandel", in Helen Meiers neuem Buch bezeichnet dies diesen magischen Zustand des Verliebtseins, wie er uns passiert gegen besseres Wissen und jede Vernunft. Erzählt wird die Geschichte eines ungleichen Paars, zweier Frauen, einer älteren, knapp an die 70 Jahre alt, und einer jüngeren, gerade mal über 40. Die ältere ist Schriftstellerin, die jüngere gelernte Philologin. Was die beiden verbindet, ist die intellektuelle Neugier auf das jeweils andere Leben, ist aber auch die Anziehung, die nach einer platonischen Freundschaft dem körperlichen Begehren weicht."Wie schön sie aussah, schmal,…mehr

Produktbeschreibung
"Schlafwandel", in Helen Meiers neuem Buch bezeichnet dies diesen magischen Zustand des Verliebtseins, wie er uns passiert gegen besseres Wissen und jede Vernunft. Erzählt wird die Geschichte eines ungleichen Paars, zweier Frauen, einer älteren, knapp an die 70 Jahre alt, und einer jüngeren, gerade mal über 40. Die ältere ist Schriftstellerin, die jüngere gelernte Philologin. Was die beiden verbindet, ist die intellektuelle Neugier auf das jeweils andere Leben, ist aber auch die Anziehung, die nach einer platonischen Freundschaft dem körperlichen Begehren weicht."Wie schön sie aussah, schmal, elegant, vornehm, androgyner Knabe, apartes eigenartiges Mädchen, Erbin eines Adels, von dem sie selbst nichts wusste. Rasch den Kopf drehend, schwangen ihre Haare, weich wie ein Wäldchen, fest wie ein Helm ihr um die Wangen."Den Abenteuern die die beiden miteinander zu bestehen haben, bleibt die Entfremdung nicht erspart, die Wünsche der beiden, auch die Möglichkeiten, sind unterschiedlich,
und so kommt es wie es kommen muß...
Autorenporträt
Helen Meier, 1929 in Mels, St. Galler Oberland, in eine Dorfschullehrerfamilie geboren. Nach dem Lehrerseminar in Rorschach und verschiedenen Lehrstellen längere Aufenthalte in England, Frankreich und Italien. Arbeitete lange Jahre als Sonderschullehrerin. Helen Meier wurde u.a. mit dem Rauriser Literaturpreis und dem Annette Droste-Hülshoff-Preis 2000 ausgezeichnet. Von ihr sind bereits mehrere Romane und Erzählungen erschienen, zuletzt »Liebe Stimme«, 2000 im Ammann Verlag.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 14.07.2006

Liebe? Aber nur mit Zunge
Straff geht's los, dann wird's gewagt: Helen Meiers Frauenroman

Diese Liebenden passen nicht zueinander, aber das macht den anrührenden Reiz des neuen Buches von Helen Meier aus. Denn was für ein ungewöhnliches Paar wird hier beschrieben! Nora, die Ältere, hat ihren sechzigsten Geburtstag längst hinter sich, fast dreißig Jahre fühlte sie sich aufgehoben in der Liebe zu dem Lehrer Davide. Der aber ist plötzlich gestorben, und nun muß Nora, die das Alter fürchtet, die Koordinaten ihres Lebens neu ordnen. Unerwartet trifft sie auf die junge Celestina, die ihr - nomen est omen - tatsächlich himmlische Freuden zu versprechen scheint. Zwischen den beiden Frauen, der älteren Bibliothekarin und der um Jahrzehnte jüngeren Dramaturgin, die zugleich eine kluge Leserin Foucaults ist, entsteht eine heftige Leidenschaft, die sie auf lange Wanderungen, in Konzertsäle und Opernhäuser, vor allem aber immer wieder in sonnenbeschienene Betten führt.

Schon in ihren früheren Romanen und Erzählungen hat die 1929 geborene Helen Meier gern die vielfältigen Nuancen menschlicher Leidenschaften beschrieben und dabei stets liebevolle Sorgfalt für die Stillen, Unscheinbaren, Alten bewiesen. Mit diesem Buch aber geht die Erzählerin, die mit den Jahren immer kompromißloser in der Wahl ihrer Sujets geworden ist, mehr als je zuvor über gesellschaftliche Konventionen hinaus, und das gelingt ihr über weite Strecken mit großer Stilsicherheit. Für die erotische Begegnung der beiden Frauen findet sie deutliche Worte, ohne je ins Obszöne oder Derbe zu geraten. Nur manchmal scheint das Pathos der Leidenschaften auch die Erzählerin mitzureißen, und wir glauben beim Lesen stimmungsvolle Hintergrundmusik erklingen zu hören: "Celestinas Zunge, wunderbar beweglich, Zungenkraft, Speichelsaft, weiche Fluten netzten, schwellten Noras Lippen, die kleine Knospe der Lust schwoll, überschwemmte platzend ihren Beckenraum, Nora zerging in wundersam erlöster Ohnmacht ganzen Leibes." Der Himmel auf Erden scheint nah.

Helens Meiers Erzählung ist aber auch eine Erkundung des Alters und des Alterns. Nora hat es sich zur Aufgabe gemacht, alte Menschen darüber zu befragen, wie sie das "immer schnellere Wegrutschen ihrer Tage" empfinden. Es sind vor allem Künstler und Intellektuelle, die von ihr besucht werden; Helen Meier bleibt also, wie schon bei der Wahl ihrer Protagonistinnen, im vertrauten Milieu. Geldsorgen oder die Angst, als Pflegefall in einem Heim zu enden, scheinen diese Alten nicht zu kennen. Dennoch zeigen sich längst nicht alle von Noras Gesprächspartnern versöhnt mit dem allmählichen Schwinden ihrer Kräfte. Der verbitterte, einst berühmte Maler, der von den Jungen nicht mehr gekannt wird, oder die scharfzüngige Schriftstellerin, die ihr lädiertes Gesicht hinter einer Stoffmaske versteckt und als letztes Vergnügen im Keller lustvoll altes Geschirr zerschmeißt - in ihnen zeichnet Helen Meier zynische Kontrastfiguren zu ihrer liebenden Nora, die die Verbindung mit der Jüngeren auch als Möglichkeit erlebt, "die Unterernährung ihres Gehirns zu beenden".

Doch auch Noras große Liebe findet ein Ende. Sind es die nachlassenden Hormone, wie sie selbst einmal vermutet, oder ist es einfach der Lauf der Welt, daß keiner Lust die Ewigkeit gegönnt ist, nach der sie doch so sehr verlangt? Wie auch immer: Aus der Zweisamkeit wird allmählich eine Dreiecksgeschichte, und daß Celestinas neue Liebe ausgerechnet den sprechenden Nachnamen Kleeblatt trägt, ist denn doch ein bißchen viel Symbolik. Überhaupt wird das schmale Buch, dessen Anfang so bewundernswert straff erzählt ist, in seiner zweiten Hälfte etwas geschwätzig und gerät in bedenkliche Nähe zu einer wohlmeinenden Ratgeberliteratur, die für alle erdenklichen Lebenslagen passende Maximen bereithält, aus jeder Katastrophe noch einen Nutzen zu ziehen weiß und beruhigend versichert, daß das Altern kein Unglück ist.

Am Ende hat die enttäuschte Nora ihre Eifersucht jedenfalls überwunden und sich mit dem Abschied von ihrer vermutlich letzten Liebe versöhnt. Geradezu abgeklärt wirkt der letzte Satz, der die ehemalige Bibliothekarin zurück zu den Büchern und fort von der Vergangenheit führt: "Das Suchen von Geschriebenen - würde das nochmals die Zukunft sein?" Eine solche Wendung in die verläßliche Welt der Literatur klingt gewiß weise, aber sie nimmt der Geschichte dieser leidenschaftlichen Liebe leider auch viel von ihrer Provokationskraft.

SABINE DOERING

Helen Meier: "Schlafwandel". Eine Erzählung. Ammann Verlag, Zürich 2006. 218 S., geb., 18,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Für Samuel Moser muss sich Helen Meier in diesem Buch davor in acht nehmen, "nicht selber zur Schlafwandlerin zu werden". Denn was die Autorin in ihren Erzählungen über das Altern und die Liebe im Alter entfaltet und als Zustand "unreflektierten Verliebtseins" darstellen will, endet oft in seichten Gewässern: Es fehlt die Reflexion. Das ist bedauerlich, findet der Rezensent, böte sich doch eine intime Verschränkung von Stoff und Sprache, vom "Drama des Alterns und dem Drama des Schreibens" an. Bei Nora, der Hauptfigur der titelgebenden Erzählung aber gerinnt eine neue Liebe zu einer Frau, die sie aus dem eingefahrenen Leben führt, erneut zum Klischee - auch und vor allem durch Meiers Sprache. Das Problem sei, bedauert der Rezensent, dass Meier den "Leser fühlen und sehen lassen will, was nicht zu sagen ist". Redunanzen, die so unweigerlich entstehen, fülle die Autorin mit "Ambiente und Ambiance, peinlich genau arrangiert und detailgenau beschrieben wie in einem Trivialroman". Übrig bleibt, trotz gelegentlicher "zynischer" und dunkler Zwischentöne der Eindruck eines Wellnessprogramms für den Herbst des Lebens: "schöner lieben, schöner wohnen, schöner schreiben".

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