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Spätestens seit dem Tag, als Frau Matutes, die Sportlehrerin mit dem untrüglichen Gespür für auseinandergebröckelte Familien, Juan in die andere Volleyballmannschaft steckt, weiß er Bescheid: Seine Eltern werden sich trennen. Diesmal steht es fest, diesmal werden sie sich wirklich trennen. Aber in der anderen Volleyballmannschaft zu spielen ist eine Sache, immer verlieren zu müssen eine völlig andere. Bei den Massai zum Beispiel würde es eine solche Mannschaftseinteilung gar nicht geben, denn die Kinder der Massai haben keinen eigenen Vater, sondern viele, da gehören die Kinder dem ganzen…mehr

Produktbeschreibung
Spätestens seit dem Tag, als Frau Matutes, die Sportlehrerin mit dem untrüglichen Gespür für auseinandergebröckelte Familien, Juan in die andere Volleyballmannschaft steckt, weiß er Bescheid: Seine Eltern werden sich trennen. Diesmal steht es fest, diesmal werden sie sich wirklich trennen. Aber in der anderen Volleyballmannschaft zu spielen ist eine Sache, immer verlieren zu müssen eine völlig andere. Bei den Massai zum Beispiel würde es eine solche Mannschaftseinteilung gar nicht geben, denn die Kinder der Massai haben keinen eigenen Vater, sondern viele, da gehören die Kinder dem ganzen Dorf. Und ob man nun also einen Vater hat, viele oder gar keinen, was bedeutet das schon? Hauptsache man ist glücklich und zählt sich nicht automatisch zu den ewigen Verlieren, sondern glaubt daran, daß man auch gewinnen kann. Eben genau wie die Kinder der Massai.
Autorenporträt
Javier Salinas, geboren 1972 in Bilbao, studierte spanische Philologie und Recht an der Universität von Madrid. Er lebt in Madrid und in Köln. In seiner Muttersprache hat er bislang drei Gedichtbände und zwei Romane publiziert. Die Kinder der Massai ist der erste ins Deutsche übersetzte Roman, er erscheint fast gleichzeitig in Spanien, Holland und Frankreich.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 11.09.2004

Der Junge ohne Vornamen
Nuancenreich: "Die Kinder der Massai" von Javier Salinas

"Als ich klein war, war die Welt noch kleiner. Als ich klein war, gab es noch kein Afrika, und ich wußte weder, was ein Ingenieur ist, noch kannte ich die Fernsehsendungen beim Namen, noch wußte ich, daß meine Schwester hochbegabt ist und ich nicht." Heute weiß Juan das alles, aber dafür hat er seinen Vornamen vergessen. Juan hat eine Krise: Seine Eltern wollen sich trennen. Der Vater war zwar bisher meistens fort, als Ingenieur in Afrika, aber das ist etwas anderes. Er hat von den Kindern der Massai erzählt, die keinen Vater haben, sondern dem ganzen Dorf gehören. Ein Massai-Kind kann seinen Vater also nicht verlieren, weil es nie einen gehabt hat.

Der kleine Held von Javier Salinas' Roman erlebt, wie es ist, ein Scheidungskind zu sein: Plötzlich gehört man zu denen, bei denen etwas nicht in Ordnung ist. Die Turnlehrerin teilt ihn nun beim Volleyball in die Gruppe derer ein, deren Eltern getrennt sind. Diese Kinder verlieren jedes Spiel, "weil sie alle zum Psychiater gehen und nach dem Unterricht keine außerschulischen Aktivitäten haben, weil ihre Eltern sich absprechen müßten".

Eine aus Kindermund erzählte Geschichte ist immer eine heikle Sache: Der Blick auf die Welt der Großen kann entweder zu einfältig oder zu altklug geraten, der Humor, der hier wohlfeil zu haben ist, läuft leicht Gefahr, die Nöte der Kleinen zu verraten. Javier Salinas' Ich-Erzähler fällt nur selten aus der Rolle (ein Kind erwägt nicht "ähnliche Fragen der allgemeinen Metaphysik" und redet von sich nicht als "kleiner Picasso"), sein Autor nimmt ihn gebührend ernst, seine Übersetzerin Stephanie von Harrach gibt ihm eine eigene Sprache ohne jede künstliche Munterkeit. "Die Kinder der Massai" ist zwar nicht in einem herkömmlichen Kinderbuchprogramm erschienen, aber dennoch ein Roman für junge Leser in einer "schwierigen familiären Situation". Man kann ihn gewiß auch empathiewilligen Eltern und Lehrern ans Herz legen. Ganz abgesehen von diesen nützlichen Aspekten, macht diese pfiffige, originell erzählte Geschichte einfach Freude. Kinderbücher pflegen eine Botschaft zu transportieren - hier wird sie unverbissen und mit Sinn für Nuancen und offene Fragen verkündet.

Eltern sind nicht perfekt, das Unglück kann jeden treffen. Schlimm, wenn man dann auch noch auf die Mutter Rücksicht nehmen muß, die als Nachrichtenredakteurin viel zu tun hat. Gott sei Dank gibt es Laura, die ältere Schwester, die Bücher verschlingt und einmal Regisseurin werden will. Ihr verdankt Juan ein ungewöhnliches Faible für Tarkowski. Laura erklärt dem kleinen Bruder, daß die Welt "eine Sache des Vertrauens ist"; der sei es egal, ob man an sie glaube oder nicht, sie sei in jedem Fall rund. Die "hochbegabte" Schwester hat Juan ein paar Tricks für den Intelligenztest verraten, so daß er jetzt auch als hochbegabt gilt. Dabei ist er, wie er selber meint, bloß "hochbegabt für das Normale".

Mit dieser schönen Geschwisterlichkeit plädiert Salinas dafür, Kinder nicht zu unterschätzen. Sein Buch bietet keine Patentlösungen, wird nie betulich, ist nicht harmlos: Weder Depressionen noch Filmmorde sind tabu. Am Schluß bekommt die Mannschaft der "Auseinandergebröckelten" einen Trainer - aber die Story damit noch kein Happy-End: Der Ausgang des Spiels bleibt offen.

DANIELA STRIGL

Javier Salinas: "Die Kinder der Massai". Aus dem Spanischen übersetzt von Stephanie von Harrach. Ammann Verlag, Zürich 2004. 135 S., geb., 15,90 [Euro]. Ab 10 J.

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Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension

Javier Salinas ist ein Autor mit einer "Botschaft" und auch dieser Roman hat "unüberhörbaren Appellcharakter", stellt Maike Albath klar, aber das scheint sie kein bisschen zu stören. Der spanische Autor beschreibt den Jugendlichen Juan, der unter der drohenden Trennung seiner Eltern leidet, aber einen Weg findet, damit zurecht zu kommen, fasst die Rezensentin zusammen. Ihr gefällt besonders, dass Salinas bei aller Liebe zur Aufklärung stets "leichtfüßig" und mit Sinn für Komik schreibt. Ihm gelingt es, den "Schockzustand" der Hauptfigur überzeugend darzustellen und in der Mischung aus Jugendjargon und Poetik die tiefe Beunruhigung Juans subtil zu schildern, lobt Albath. In der Darstellung der Eltern zeigt der Autor auch "soziologisches Gespür", meint die Rezensentin angetan, die diesen Roman als "kleines Lehrstück mit nützlichen Handlungsanweisungen" gelesen hat.

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