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Mit diesen Prosastücken, Erzählungen, Geschichten und Apercus, gelingen Matthias Zschokke betörend poetische Preziosen, in denen einer von seinen Windmühlen berichtet, gegen die er anzukämpfen und vor denen er alltäglich zu bestehen trachtet, ein Großstadt-Flaneur und Landschaftsgänger, der das Absichtslose und das ihm Zufallende an seinem Weg zum Gegenstand seiner Dichtung macht. Und kommen in die Texte auch kämpferische Töne, so verraten sie den Dichter, der sehr wohl darum weiß, wofür es einzutreten und was es zu verteidigen gilt. Kunstvoll ist solches Erzählen, dem sich gerne überlässt, wer Literatur als Kunst zum Nennwert nimmt.…mehr

Produktbeschreibung
Mit diesen Prosastücken, Erzählungen, Geschichten und Apercus, gelingen Matthias Zschokke betörend poetische Preziosen, in denen einer von seinen Windmühlen berichtet, gegen die er anzukämpfen und vor denen er alltäglich zu bestehen trachtet, ein Großstadt-Flaneur und Landschaftsgänger, der das Absichtslose und das ihm Zufallende an seinem Weg zum Gegenstand seiner Dichtung macht. Und kommen in die Texte auch kämpferische Töne, so verraten sie den Dichter, der sehr wohl darum weiß, wofür es einzutreten und was es zu verteidigen gilt. Kunstvoll ist solches Erzählen, dem sich gerne überlässt, wer Literatur als Kunst zum Nennwert nimmt.
Autorenporträt
Matthias Zschokke, geboren 1954 in Bern, lebt und arbeitet seit 1980 als freier Autor und Filmemacher in Berlin. 1981 wurde er mit dem "Robert-Walser-Preis" ausgezeichnet, 1996 mit dem "Aargauer Literaturpreis", im Jahr 2000 erhielt er den "Literaturpreis der Stadt Bern". 2014 wurde Matthias Zschocke nochmals mit dem "Berner Literaturpreis" für sein "herausragendes literarisches Gesamtwerk" ausgezeichnet.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 07.11.2002

Spiel im Absurden
Wehr dich nicht, Leben: Matthias Zschokkes verstreute Prosa

1981 erhielt der Schweizer Schriftsteller Matthias Zschokke den Robert Walser-Preis der Stadt Biel und des Kantons Bern. Zwanzig Jahre später dankt er seinem großen Landsmann mit einer kleinen, aber schönen Notiz: "Er ist ein Dichter, eine Lichtung ganz für sich allein in der Literatur. Er schreibt ausschließlich für sich selbst, fürs Schreiben, fürs eigene Leben, um den Moment auszuhalten und nicht in den Sekunden unterzugehen. Er verfolgt keine Strategie, keine Taktik." So liest man in Zschokkes Buch "Ein neuer Nachbar", das zur Hälfte aus in über zehn Jahren verstreut publizierten Gelegenheitsarbeiten und zur anderen Hälfte aus neuen Texten besteht - Disparates, in dem man ein wenig schmökern kann.

Die meisten Texte verschieben existentielle Normalität spielerisch ins Absurdistische, jonglieren dabei gern mit Klischees, verfallen ihnen aber gelegentlich auch. Kunst und Leben, das deutet auch die Walser-Notiz an, werden gern in einen Aggregatzustand gespiegelt. Es scheint, als könne sich das Leben, wie es hier erfahren wird, gar nicht dagegen wehren, Kunst zu werden. Zum Beispiel in der Titelgeschichte, die hier erstmals veröffentlich wurde: Ein neuer Nachbar zieht ein, der Erzähler will ihn mit einer Flasche Wein als neuen Nachbarn begrüßen; der öffnet die Tür, entschuldigt sich, daß er ihn nicht hineinbitten könne, und beginnt ihm unter der Tür seine ganze merkwürdig verschrobene und groteske Lebensgeschichte zu erzählen - eine Geschichte, die sofort aus ihrem normalen Rahmen in die erzählerische Groteske gekippt wird. Und aus der so mancher heute eine ganze Novelle gemacht hätte.

HEINZ LUDWIG ARNOLD

Matthias Zschokke: "Ein neuer Nachbar". Amman Verlag, Zürich 2002. 218 S., geb., 19,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

"Sympathisch, manchmal richtig gut, gelegentlich aber auch belanglos findet Rezensent Heinz Ludwig Arnold die hier versammelte Prosa Matthias Zschokkes aus zehn Jahren: "Disparates, in dem man ein wenig schmökern kann". Zur Hälfte besteht die Sammlung aus bereits publizierten, zur Hälfte aus neuen Texten. Die meisten davon "verschieben existentielle Normalität ins Absurde", wie wir lesen, und jonglieren dabei mit Klischees, denen sie gelegentlich aber auch verfallen, so Arnold. Ein Reiz der Texte scheint in ihrer verschrobene Bescheidenheit zu bestehen.

© Perlentaucher Medien GmbH"

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 28.06.2002

Das Salz
der Lederträne
Ein „Tauge-nichts!” in Berlin:
Prosa von Matthias Zschokke
Lauter Gelegenheitsarbeiten, bevölkert. Sol heißt eine Figur, eine andere, aus einer Novelle, deren Titel dem Verfasser entfallen sei, Theodor Zertz, eine weitere trägt den „ominösen” Namen Balz, und der neue Nachbar aus der Titelgeschichte ist ein Prof. Dr. Kay Ser. Es gibt den herzwehen „Brief eines Katzenfreundes”, den apostolischen „Brief an die Genfer” und eine Dienerbewerbung. Ansonsten „selbstlebensbeschreibende” Texte, die dem Motto entsprechen: „Ich gehe umher, zwischen Häusern, über Land, an Küsten entlang.”
Matthias Zschokke, 1954 in Bern geboren, lebt seit 1980 in Berlin. Man kann den Band „Ein neuer Nachbar” als die Wunderkammer oder Wundenkammer oder Verwunderungskammer eines halb hingezogenen, halb hingesunkenen Stadtschreibers lesen. Als Wahlberliner antwortet Zschokke auf die Frage, „warum ich Robert Walser mag”. In der Schweiz schätze man dessen „bis zur Selbstverleugnung durchgehaltene Demutsmimikry”, in Deutschland schmunzele man ihn wohlwollend beiseite, „weil man sich von der Putzigkeitsmaske, hinter der er sich versteckt, ablenken lässt”.
Zschokke liefert kaleidoskopartige Splitter zu einer Wunsch- Autobiographie, wenn er Walser – Außensicht – mit einer Katze vergleicht, „die sich – wenn sie sich angestarrt fühlt – aus Verlegenheit zum hundertsten Mal hintereinander putzt”. Oder – Innensicht – mit einem Kind, „das die Augen schließt und glaubt, dann werde es nicht mehr gesehen”. Die „Missverständnisfalle” Walser wird vielleicht in dem anrührenden Talmiglanz eines Zweizeilers aufgehoben, den der Ich-Erzähler der „Ewigen Vorstadt” in einem verunglückten Film entdeckt haben will: „Rosen sind rot und Veilchen sind blau (blue) / ich bin schizophren und das bin ich auch (too)”.
Ein Riss zeigt sich zwischen Zschokkes romantischer Inbrunst und seiner romantischen Ironie. Mal ist er Eichendorff (und auch als Taugenichts wieder „geteilt”), besonders opak vielleicht in dem Text „Diese Momente”. Es sind „zwei” Momente, beide im Sommer: tiefster Frieden, „wenn die Sonne auf den Tisch scheint und ich lausche, ob draußen vielleicht eine Tür geht”, schwerste Bangnis, „wenn der Wind aufhört zu wehen (...), wenn sich die Sonne verhüllt - nicht in Wirklichkeit, da scheint sie hell und freundlich wie zuvor, doch um mich ist alles fahl, grau, finster”.
Der Trost der Bäckerblume
Aber dann ist er wieder überdeutlich „beieinander”, ein Heine, der seine „Kriegskolumne” liefert, sie mit den Zeilen von der alten und immer neuen Geschichte einleitet und das Zitat obendrein mit den Jahreszahlen 1991 und 2001 entprivatisiert. Dabei beginnt das Buch mit einer Prosa-Miniatur „Am Meer”, die den Geist des Heine-Gedichts viel besser „verstanden” und sogar noch radikalisiert hat: „er überlegte, was er sich denn wünschen könnte, betrachtete das Gefunkel, sah keine weitere Sternschnuppe fallen; sie schlenderten am Ufer entlang zurück, legten sich ins Bett, hörten dem Meer zu und freuten sich aufs Einschlafen. Am folgenden Morgen war er kalt. So schnell geht das.”
Unter dem Titel „Lederträne” beschwert sich Zsckokke über das „Themenunwesen”, das etwa die Solothurner Literaturtage 1995 auf die Idee gebracht habe, zum Thema „50 Jahre nach Kriegsende” Meinungen „abzuernten”; lieber setze er sich mit der Lederträne auseinander, die er in einem Buch von Friederike Mayröcker kennengelernt habe. Aber letztlich verfängt er sich – in (seltenen) Texten wie diesem – doch in dem Thema des Themenunwesens. Auch „Leg dich hin” – eine Empfehlung, die er seinen Kollegen gibt, sollten sie in historischen Augenblicken um Stellungnahmen gebeten werden – hält sich nicht heraus, sondern mischt sich ein, zugegeben (von) früh- bis spät- romantisch.
Ein Dichter für - und wider – Berliner und Berner Republiken ist Matthias Zschokke weniger dort, wo er sich ostentativ gegen Vereinnahmungen wehrt, sondern wo er sie poetisch unterläuft, wo seine Verweigerung ganz Gestalt – oder balzender „Papierheld” – geworden ist, ob er nun ein schizophrenes Gedicht zitiert oder im „Fall” der Mauer – eine zweigeteilte Stadt muss ihn fasziniert haben – eine anarchische Verlustbilanz aufmacht: „Die Mauersegler flohen nach China.” Oder sich darüber amüsiert, dass der Reichstag, „dieser Hans Albers der Architektur”, wieder Regierungssitz wird.
Am schönsten ist die Geschichte „Da Sie gerade vom Sterben reden”. Hier gibt es einen neuen Nachbarn im Text selbst, einen Textnachbarn. Es ist ein Frühlingslied, das der Umhergeher in der Werbezeitschrift der Bäcker- Innung findet, in der „Bäckerblume”. Geschrieben hat es – ein Name, wie mit dem Munde gemalt – Robert Roberthin (1600 - 1648). Es besingt den holden Lenz und den Regenbogen, die Lerchen am Tag und die Nachtigallen in schauervollen Nächten – und beklagt den Menschen, der immer nur „für morgen” lebt: „Ihn weckt Auroras güldner Strahl, / Ihm lacht die Flur vergebens, / Er wird, nach selbstgemachter Qual, / Der Henker seines Lebens.” Klingt die selbstgemachte Qual nicht wie eine Vorwegnahme der selbstverschuldeten Unmündigkeit? Das „Tauge-nichts!” des Matthias Zschokke hat auch etwas mit Aufklärung – und Lebensrettung – zu tun.
HERMANN WALLMANN
MATTHIAS ZSCHOKKE: Ein neuer Nachbar. Amman Verlag, Zürich 2002. 217 Seiten, 19,90 Euro.
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