Marktplatzangebote
5 Angebote ab € 9,50 €
  • Gebundenes Buch

Die Autobiographie einer außergewöhnlich mutigen Frau, zugleich Anthropologin, Schriftstellerin und herausragendes Mitglied der Harlem Renaissance. Eine eindringliche Geschichte über ihr ereignisreiches Leben: "eine schreibende Sängerin, die ihre Schwestern mit Sprachpoesie, Klang und Witz übertönt." (Süddeutsche Zeitung

Produktbeschreibung
Die Autobiographie einer außergewöhnlich mutigen Frau, zugleich Anthropologin, Schriftstellerin und herausragendes Mitglied der Harlem Renaissance. Eine eindringliche Geschichte über ihr ereignisreiches Leben: "eine schreibende Sängerin, die ihre Schwestern mit Sprachpoesie, Klang und Witz übertönt." (Süddeutsche Zeitung
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 19.12.2000

Auf himmelblauen Sohlen
Unterwegs nach Harlem: Zora Neale Hurstons Autobiographie

Widersprüchlich, geistreich, direkt, exzentrisch, unabhängig soll sie gewesen sein und überall eine Spur Chaos hinterlassend: Zora Neale Hurston, herausragendes Mitglied der Harlem Renaissance und Mutter des afroamerikanischen Romans, starb 1960 in Armut und beinah vergessen, bis sich Alice Walker 1973 nach Fort Pierce in Florida aufmachte, um ihr einen Grabstein zu setzen. ",Ein Genie des Südens', Schriftstellerin, Ethnologin, Anthropologin", lautet die Inschrift.

"Ich wurde in einer Negerstadt geboren. Damit meine ich nicht den schwarzen Hinterhof einer gewöhnlichen Stadt", erklärt Zora Neale Hurston auf der ersten Seite ihrer Autobiographie - und lügt damit gleich zu Beginn die Wahrheit wie alle richtigen Dichter. Denn nach Eatonville in Florida, der ersten selbstverwalteten schwarzen Gemeinde, kam sie erst mit drei Jahren, dem Alter also, in dem Kinder "ich" sagen lernen. Die Geburt des Ich in einer Umgebung ohne Rassendiskriminierung prägte Hurstons Leben nachhaltig. Mit ihren sieben Geschwistern verbringt sie eine glückliche Kindheit - frech,widerspenstig und mit einer blühenden Phantasie ausgestattet, hört, liest und erfindet sie Geschichten und sammelt das nötige Selbstbewußtsein. Die Mutter ermuntert die Kinder bei jeder Gelegenheit, "nach der Sonne zu springen", und Hurston kommentiert: "Wir mochten vielleicht nicht auf der Sonne landen, aber immerhin würden wir uns vom Boden erheben." Der Vater, Baptistenprediger und zeitweise Bürgermeister von Eatonville, sei nicht so zuversichtlich gewesen, er hielt es für besser, mit dem vorliebzunehmen, was man hatte, denn "Übermut bekam Negern nicht".

Doch Zora setzt sich in einen der hohen Paradiesbäume, die das Gartentor bewachen, wild entschlossen, zum Horizont zu gehen und nachzusehen, wie das Ende der Welt beschaffen ist: "Wochenlang sah ich mich im Geiste auf dem Rücken eines schmucken Pferdes. Meine Schuhe hatten himmelblaue Sohlen, und ich ritt auf und davon, mir die Nabelbinde der Welt zu besehen." Die Vertreibung aus dem keineswegs verklärt geschilderten Paradies erfolgt jäh mit dem Tod der Mutter. Hurston ist neun Jahre alt. Sie wird nach Jacksonville zur Schule geschickt, wo ihr, wie sie schreibt, bewußt wird, daß sie ein farbiges kleines Mädchen ist. Zwischen Verwandten herumgeschubst, hilft sie in fremden Häusern als Dienstmädchen und zieht mit vierzehn als Kammerzofe mit einer Schauspieltruppe umher.

Trotz widrigster Umstände - "Armut hat etwas, das nach Tod riecht. Nach abgestorbenen Träumen, die vom Herzen fallen wie verdorrte Blätter. Ich ging neben meinem eigenen Leichnam her. Ich roch ihn und spürte ihn" - kann sie ihren sehnlichsten Wunsch, wieder zur Schule zu gehen, am Leben erhalten. Sie macht den High-School-Abschluß nach, geht auf die renommierte Howard University nach Washington, wo sie sich als Kellnerin und Maniküre durchschlägt, und 1925 schließlich aufs Barnard College nach New York, wo sie bei Franz Boas Anthropologie studiert. Sie will eine Karriere als Schriftstellerin und Anthropologin, und sie bekommt sie - mit Hilfe von Stipendien und der nicht ganz bedingungslosen Unterstützung einer weißen Mäzenin. 1927 kehrt sie als Feldforscherin nach Eatonville zurück, um Volkserzählungen und Lieder zu sammeln, die unter dem Titel "Mules and Men" erscheinen.

Die Vitalität und Eigenständigkeit schwarzer Kultur, die ihr in den amerikanischen Südstaaten und bei der Erforschung des Voodookults in der Karibik begegnet, versteht sie einzufangen wie niemand vor ihr und in Romane zu verwandeln: "Und ihre Augen schauten Gott" (1937, deutsch 1993) gilt als Vollendung des ästhetischen Anspruchs der Harlem Renaissance. Im Bekenntnis zu einer weiblichen schwarzen Perspektive und in der Befreiung von Rechtfertigungs- und Anpassungszwängen antizipiert dieses Buch gleichzeitig die afroamerikanische Literatur der letzten Jahrzehnte. Obwohl ihre drei Romane keine hohen Auflagen erzielten, war sie Ende der dreißiger Jahre die bekannteste schwarzamerikanische Schriftstellerin.

Weil sie über Menschen schreiben wollte und nicht über Rassenprobleme und dies auch provokatorisch kundtat - "ich sehe das Leben mit den Augen eines Menschen, nicht mit denen eines Negers" -, schuf sie sich nicht nur Feinde, sondern geriet ins Abseits, als die radikal antirassistische Protestliteratur eines Richard Wright die literarische Szene zu beherrschen begann. Erst als sich Alice Walker dreißig Jahre später um Hurston bemühte, wurde ihr Werk neu verlegt. 1977 erschien Robert Hemenways ausgezeichnet recherchierte Biographie und 1979 eine von Walker herausgegebene Anthologie mit dem Titel "I Love Myself When I Am Laughing" - ein Satz, mit dem Hurston Fotos von sich kommentierte.

Als sie 1941 gebeten wurde, ihre Autobiographie zu schreiben, war sie fünfzig Jahre alt, offiziell vierzig. Sie haderte mit dem Genre, weil ihr Selbstentblößungen zuwider waren. "Dust Tracks on a Road" - so der Originaltitel ihrer Autobiographie - wurde trotzdem ein Erfolg und ausgerechnet für die Darstellung der Rassenverhältnisse preisgekrönt.

Hurstons Weigerung, die Welt in Schwarzweißkategorien zu denken, hat mit ihrem geradezu obsessiven Individualismus zu tun und mit der Lust an der Aufdeckung von Widersprüchen. Rassensolidarität entlarvt sie anhand von Beispielen als Fiktion, einseitige Opfertheorien widerlegt sie anhand der Sklavenverschleppung als grobe Vereinfachung. Ihre politische Inkorrektheit ist leicht als Verharmlosung interpretierbar: Die Weißen konnten sich entlastet fühlen, während viele Schwarze ihre Aussparung der allgegenwärtigen Diskriminierung als Verrat empfanden. Daß sich Hurston gegen die Darstellung von Demütigungen und Niederlagen entschied, wird ihr ebenso zum Vorwurf gemacht wie die Ausblendung großer Teile ihres Privatlebens. Aber sie interessierte sich nicht dafür, die Vergangenheit schreibend zu wiederholen. Absolute Treue den Fakten gegenüber, dieser letztlich vergebliche Versuch, sich zu erinnern, wie es wirklich gewesen ist, weicht der Phantasie, die sie einsetzt, um ihre eigene Wahrheit sichtbar zu machen.

Und sie wäre nicht Zora Neale Hurston, würde sie sich hinsichtlich der Gattungen Vorschriften machen lassen: Ihr Sinn für dramatische Inszenierungen mischt sich mit den Anekdoten und Geschichten ihrer Feldforschungen, und das Ergebnis ist ein Blick auf sich selbst, der sie als schillerndes, nicht festlegbares, also höchst lebendiges Ich zeigt, dessen Unverwechselbarkeit im Ton und in der Haltung liegt. Das Kind, das sie dem Leser vorführt, zeigt bereits alle Eigenschaften der erwachsenen Hurston - Widerspruchsgeist, Übermut und Eigensinn - sowie die Vorliebe für Dramatisches, für Stärke, Mut und Würde. Respektlosigkeit im guten Sinne und Verzicht auf den Trost bequemer Verallgemeinerungen sind in dem Kind angelegt, "das die Götter der Schubladenwelt in Frage stellte". Von der Großmutter als Lügenmaul beschimpft, ist es gerade Hurstons Affinität zum Lügenmärchen, die sie mit der mündlichen schwarzen Kultur verbindet. Die als "lies" bezeichneten Ausschmückungen alter Legenden und Volksmärchen, mit denen sich die Männer abends auf den Veranden gegenseitig überboten, erklärt Hurston zum Haupteinfluß jeder Stadt. Die Kramladenveranda von Eatonville sei prägender gewesen als Schule oder Kirche. Indem sie sich selbst in diese Tradition stellt, liefert sie auch den Schlüssel zu ihrem autobiographischen Verfahren: "Auf die Wörter kommmt es nicht an", schreibt sie im Kapitel "Feldforschungen". "Die Melodie gibt dem ganzen Gestalt. Man muß sich gut auskennen, um das zu beurteilen, denn Neger können alles mögliche dazuerfinden oder weglassen und dennoch ein besseres Lied zuwege bringen als sonstwer auf der Welt."

Hurstons bildmächtiger, hyperbolischer Stil ist in Analogie dazu zu sehen. Ihre eigene, unverwechselbare Stimme stammt so sehr aus der schwarzen Kultur, daß sie dieser mit jedem Wort Ausdruck verleiht, weshalb ihr Individualismus auch nicht sofort unter den Verdacht monomaner Selbstbeweihräucherung gerät. Die humorvollen, pointierten Schilderungen und Anekdoten sind liebevoll und dennoch kritisch: Hinreißend, wie sie einer Erweckungspredigt, die sie als Kind miterlebt hat, Leben einhaucht und sich gleichzeitig von der Religion distanziert, um schließlich zu erklären: "Der weite Gürtel des Universums macht Fingerringe entbehrlich. Ich bin eins mit dem Unendlichen und brauche keine andere Gewißheit."

Ob man in Hurstons Stil eher eine Pose oder eine zulässige Haltung dem Leben gegenüber sieht, ist letztlich Geschmackssache. Nur ihr Bekenntnis zum Universalismus, mit dem die Autobiographie schließt, ist vielleicht ein bißchen zu universell. Im Anhang findet sich das ursprünglich als Schluß gedachte, politisch subversivere Kapitel "Die Welt, nüchtern betrachtet", das wegen seines Antiamerikanismus nicht erscheinen konnte, aber auch, weil ihr Verleger Hurstons Meinungen zur Weltpolitik irrelevant fand. Der deutsche Titel "Ich mag mich, wenn ich lache" läßt leider das Motiv der Wanderschaft unter den Tisch fallen, das Hurston wichtig war - eine Wanderschaft im Geiste, die mit dem Tod der Mutter begann und sie befähigte, ihre Kultur gleichzeitig von innen und von außen zu sehen. Dank ihrer poetischen Imagination konnte sie die Melodie erkennen und hörbar machen, statt nur Wörter zu transkribieren. Daß diese Melodie auch im Deutschen vernehmbar wird, ist der Übersetzerin Barbara Henninges zu verdanken, die zudem in einem ausgezeichneten Anmerkungsapparat neben kenntnisreichen Erklärungen Einblick in die Entscheidungsprozesse gibt, die die schwierige Übertragung aus dem schwarzen Amerikanisch bestimmt haben. Um zu erfahren, wer Zora Neale Hurston sonst noch gewesen ist, muß man Hemenways Biographie zur Hand nehmen.

CLAUDIA WENNER.

Zora Neale Hurston: "Ich mag mich, wenn ich lache". Autobiographie. Aus dem Amerikanischen übersetzt und mit Anmerkungen versehen von Barbara Henninges. Ammann Verlag, Zürich 2000. 397 S., geb., 42,- DM.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
…mehr

Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension

Angela Schader nutzt in einer ungewöhnlich umfangreichen Rezension die Gelegenheit, die wichtigsten Stationen im Leben der Autorin Revue passieren zu lassen. Dabei macht die Rezensentin darauf aufmerksam, dass die Grenzen zwischen Dichtung und Wahrheit in dieser Autorbiografie bisweilen fließend sind. So sei die Autorin bereits 1891 und nicht erst im Jahre 1900 geboren, und sie kam auch nicht in Eatonville zur Welt. Diese fehlerhaften Informationen wertet die Rezensentin jedoch nicht als Manko, eher im Gegenteil: Schader zeigt sich durchaus fasziniert von dern Passagen Hurstons über die Träume, Phantasien und Visionen, in die sie sich - besonders während ihrer Kindheit - geflüchtet hat. Schader weist darauf hin, dass im Anhang des Buchs die afroamerikanische Lyrikerin Maya Angelou der Autorin vorwirft, dass sie die Rassenproblematik in den USA in ihrem Buch nicht ausreichend besprochen habe. Dazu merkt die Rezensentin an, dass Hurston durchaus zahlreiche Kompromisse mit ihren damaligen Verlegern eingegangen ist bzw. eingehen musste. Allerdings seien im vorliegenden Band auch einige Kapitel des Originalmanuskripts abgedruckt, die ursprünglich überarbeitet bzw. überhaupt nicht abgedruckt worden waren. Großes Lob hat Schader für die ?eigenwillige, aber kongeniale? Übersetzung übrig und weist darauf hin, dass im Anhang des Buchs ?interessante übersetzungstechnische Erläuterungen? zu finden sind.

© Perlentaucher Medien GmbH
…mehr