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Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 07.09.2009

KURZKRITIK
Sich zu Tode lachen
Hermann Burgers nachgelassene Erzählung „Der Lachartist”
Hermann Burgers Figuren waren immer Einzelgänger, zwanghafte Charaktere. Gesellschaft, Krankheit oder Erziehung hatten sie tödlich deformiert, wie den sprachlose Außenseiter Bork, den todessüchtigen Dorfschullehrer Schildknecht in Burgers Hauptwerk „Schilten” oder den ewig im Zigarrendampf versinkenden Brenner, der die Züge seines Verfassers trägt. Dessen Prosa war immer existenziell, ein sprachlicher Hochseilakt über dem Abgrund. Burgers schmale Erzählung „Der Lachartist” entstand ein halbes Jahr vor seinem Freitod 1989. Der titelgebende „Zwerchfell-Entertainer” Riderius Gelan, der auch das Tränenlachen beherrscht, leidet unter den sexuellen und körperlichen Erniedrigungen, die ihm seine sadistische Mutter in der Kindheit beibringt: die Ärztin mit den roten „Tizianlocken” heilt fremde Männer im Beisein ihres Sohnes von ihrer Impotenz und hat über „13 Arten des Orgasmus” promoviert. Um die Mutter zu strafen, setzt Riderius seine „Eigendisparition” in Gang: Sein Bühnenkollege, der Berufsgrimassier Alfredo, rät ihm, sich lieber zu Tode zu lachen als länger unter dem zerstörerischen Bann seiner Erzeugerin zu stehen – was auch geschieht.
Hier kommen Burgers Hauptmotive auf engem Raum zusammen: die „verschollene” Existenz, das Zirzensische, das Muttertrauma und damit verknüpft: Erotik und Tod. Der Burger-Sound samt Stapelsatzgeröll, Fremdwortmassiven und Querverweisen aus der Literatur- und Philosophiegeschichte beeindruckt und erschreckt zugleich. „Da muss ich immer aufpassen, dass der Leser zwischen diesen Sätzen noch atmen kann”, schrieb der Autor. Einen Druck auf der Brust wird er jedenfalls spüren. LINO WIRAG
HERMANN BURGER: Der Lachartist. Hrsg. von M. Wieland und S. Zumsteg. Edition Voldemeer, Zürich 2009, 41 Seiten, 14,95 Euro.
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Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension

Der jetzt erst aus dem Nachlass veröffentlichte Roman "Der Lachartist" dient Beatrice von Matt zu einer Hommage an Hermann Burger, der sich 1989 das Leben nahm. Tief beeindruckt zeigt sie sich von der Geschichte um den "Lachartisten" Riderius Gelan, der sich durch die sexuellen und emotionalen Erniedrigungen seiner Mutter an seiner "beschädigten Sohnexistenz" abarbeitet und sich erst mit seinem Bühnentod in Las Vegas von ihr zu befreien vermag. Die Rezensentin zeigt sich von der Kraft der Metaphern und den sprachartistischen Kapriolen des Autors höchst fasziniert. Burger sei einer der bedeutendsten Schweizer Sprachvirtuosen, die sich vom favorisierten "Minimalismus" beispielsweise eines Robert Walser entschieden absetzten und die man erst jetzt wieder zu würdigen wisse, rühmt Matt.

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