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Woran erkennt man gute Wissenschaft? Welches Ziel - wenn ein solches uberhaupt existiert -zeichnet sich am Ende als der eigent liche Zweck jeder wissenschaftlichen Tatigkeit ab? Aufwelche legi timierende Autoritat konnen sich Wissenschaftler berufen? Diese aUen Fragen, fur die jede Epoche ihre eigenen Antworten sucht, werden heute wieder heftig diskutiert. Ich habe fur dieses Buch Antworten ausgewahlt, die hauptsachlich in unserem Jahr hundert entstanden sind und in erster Linie an den Worten und Handlungen von Wissenschaftlern und Wissenschaftsphilosophen ablesbar sind. Wie die Leser meiner…mehr

Produktbeschreibung
Woran erkennt man gute Wissenschaft? Welches Ziel - wenn ein solches uberhaupt existiert -zeichnet sich am Ende als der eigent liche Zweck jeder wissenschaftlichen Tatigkeit ab? Aufwelche legi timierende Autoritat konnen sich Wissenschaftler berufen? Diese aUen Fragen, fur die jede Epoche ihre eigenen Antworten sucht, werden heute wieder heftig diskutiert. Ich habe fur dieses Buch Antworten ausgewahlt, die hauptsachlich in unserem Jahr hundert entstanden sind und in erster Linie an den Worten und Handlungen von Wissenschaftlern und Wissenschaftsphilosophen ablesbar sind. Wie die Leser meiner fruheren Bucher erwarten wer den, verstehe ich Worte und Handlungen nicht im abstrakten Sinn, sondern im Rahmen konkreter historischer FaIle. So zeichnet das erste Kapitel nach, wie der Standpunkt der Empi riker des neunzehnten Jahrhunderts bezuglich der Frage, wie gute Wissenschaft sein soUte -vor all em die Darstellung, die wir in Ernst Machs Arbeiten finden -, die Gedanken von Wissenschaftlern und Philosophen des zwanzigsten Jahrhunderts, oft indirekt und in ver anderter Form, beeinfluBt hat, unter ihnen zum Beispiel Jacques Loeb, B. F. Skinner, Philipp Frank, P. W. Bridgmann, W. V. Quine und einige ihrer Kollegen. Die folgenden Kapitel behandeln auf ahnliche Weise die Kontroversen und die Rhetorik uber den richti gen Gebrauch, die Ziele und die Legitimation der Wissenschaft, die man bei richtungsweisenden Personlichkeiten wie Albert Einstein, Max Planck und Niels Bohr, aber auch bei weniger bekannten Ver tretern wie Joseph Petzoldt und Walter Kaufmann findet.
Autorenporträt
Gerald Holton ist Mallinckrodt Professor für Physik und Professor für Geschichte der Naturwissenschaften an der Harvard University. Er ist daneben Mitherausgeber der Gesammelten Werke von Albert Einstein und hat schon mehrere Bücher veröffentlicht, so z. B. "Themata" aus der Reihe "Facetten der Physik".
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Zwei Versuche, Wissenschaft zu erklären, hat sich Christoph Hoffmann angesehen: Gregory N. Derrys "Wie Wissenschaft entsteht" (Primus Verlag) und "Wissenschaft und Anti-Wissenschaft" von Gerald Holton (Springer Verlag).
Während Hoffmann zu Holton nur recht wenig einfällt - so wittert er alte Verschwörungstheorien in dem bereits 1993 im Original erschienen Buch, in dem von einer "Kohorte von Delegitimatoren" der Wissenschaften die Rede ist, allerdings nicht ganz unbegründet, wie er auch einräumt -, hat er für die Arbeit Derrys einiges an Lob übrig. Am Ende verdankt der Rezensent dem nach Art eines Grundkurses, wie es heißt, abgefassten Buches, gar die Einsicht, dass Wissenschaft keine schwierige Sache ist. Der recht "spontane Entwurf" von Wissenschaft, wie ihn der Band bietet, hat allerdings auch zur Folge, dass sich der Rezensent schließlich betrogen fühlt. Um die Komplexität nämlich, die er hinter dem Einfachen doch immerhin ahnt. Hätte der Autor doch einmal nur auch aus dem Nähkästchen der eigenen Arbeit geplaudert, mutmaßt Hoffmann: "Wir hätten gewiss mehr darüber erfahren, was Wissenschaft ist."

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 27.09.2001

Es tappert die Mühle
Im forschenden Fach: Zwei Versuche, die Wissenschaft zu erklären

Naturwissenschaft ist en vogue. Selbst die vielbeschäftigte Gemeinde der Forscher steht nicht länger abseits. Bereitwillig, fast zu bereitwillig, lassen sie augenblicklich die Finger über die Tastatur laufen, um ihre Arbeit dem breiteren Publikum nahezubringen. Ein Erklärungsbedürfnis scheint sie anzutreiben, das keineswegs auf die jüngsten Debatten zur Gentechnologie und ihren medizinischen Anwendungsversprechen beschränkt ist. Auch der amerikanische Physiker Gregory N. Derry will seine Profession nicht mehr nur mit den Fachkollegen teilen. In Zeiten, da Wissenschaft auf vielfache Weise mit dem Leben jedes einzelnen verwoben ist, wird ihr besseres Verständnis, so seine Maxime, zur Bürgerpflicht. Entsprechend weit greift seine Absicht aus: "What Science is and how it works" heißt sein Buch im amerikanischen Original, das nun unter dem Titel "Wie Wissenschaft entsteht" auch dem deutschen Leser einen "Blick hinter die Kulissen" verspricht.

Um Wissenschaft, genauer gesagt: Naturwissenschaft zu verstehen, benötigt man laut Derry keine "besondere Sachkenntnis". Wissenschaft sei zuerst eine Weise des Denkens, in die jedermann, angeleitet von Derrys Ausführungen, "einzutreten" befähigt sei. Nach Art eines Grundkurses dringt das Buch in vier Etappen in die Welt der Wissenschaftlerköpfe vor. Von historischen Wegen der Entdeckung über wissenschaftliche Denktaktiken und gesellschaftliche Kontexte von Wissenschaft bis zu den grundlegenden gemeinsamen Vorstellungen reicht der thematische Bogen. Wer dieses Programm durchlaufen hat, wird dem Autor bedingungslos zustimmen: Hat man einmal verstanden, wie es geht, ist Wissenschaft keine schwierige Sache mehr, und nur ein Miesepeter möchte einwenden, daß dieser Effekt vornehmlich der Darstellung entspringt. In der Abwandlung eines Wortes von Michel Serres könnte man sagen: In Derrys Buch begegnet der ,spontane' Entwurf von Wissenschaft, wie er im Methodenteil eines Lehrbuchs oder in den Selbstbeschreibungen der Forscher gepflegt wird.

Diese Wissenschaft achtet stets auf das Unerwartete und erkennt sogleich dessen Bedeutung. Mit langem Atem und gegen alle Widerstände bleibt sie den Dingen auf der Spur. Ihre Beobachtungen fügt sie in kalkulierte Modelle, überprüft diese an den Phänomenen und verfeinert wieder ihre Theorien, bis sie immer besser mit der Natur übereinstimmen. Bruchlos von Generation zu Generation schreitet sie voran in das helle Licht des Verstehens. Diese Wissenschaft verliert trotz aller Aufsplitterung nicht den Blick für das Ganze. Sie kennt ihre ethischen Grenzen genauso wie den Unterschied zwischen Faktum und Wertung. Zugleich aber weiß sie, daß auch in ihr Vorurteile und soziale Abhängigkeiten eine Rolle spielen. Darum verhält sich Wissenschaft kritisch gegen sich selbst und trägt verantwortlich bei zu öffentlichen Debatten mit wissenschaftlichem Hintergrund. Kurz, eine solche Wissenschaft ist eine Ausgeburt von Rationalität und Gewissenhaftigkeit - gemacht von Menschen, die fehlbar sind wie andere auch.

Derrys Buch ist guten Willens geschrieben. Leicht sieht man so über historische Anachronismen hinweg, die ihn beispielsweise vom "primitiven Zustand" der Medizin im achtzehnten Jahrhundert sprechen lassen. Es ist zu verschmerzen, daß seine methodologischen Ausführungen keine Spur von der Veränderlichkeit etwa des Beweisbegriffes in der Wissenschaft zur Kenntnis geben. Man muß nicht richten über die Feststellung: "Wissenschaft und Technik geben uns Macht, aber keine Weisheit und Einsicht"; schon der Autor nennt sie "beinahe abgedroschen". Selbst die metaphysische Sehnsucht, die im Beharren auf einer "unterschwelligen Einheit der Wissenschaften" steckt, möchte man ihm nicht zum Vorwurf machen. Unverzeihlich an diesem Buch ist eigentlich nur eins: sein Mangel an Komplexität.

Daß Forschen mit unklarem Herumtappen zu tun hat, wie es der Molekularbiologe François Jacob formulierte, wird man bei Derry nicht erfahren und ebensowenig, daß Modelle eventuell widerspenstiger sind als eine Straßenkarte, die als Modell eines Modells dient. Daß der Stand des Wissens, wo er für politische Entscheidungen von großer Tragweite eingefordert wird, sich als äußerst labil herausstellen kann: Derry deutet es bestenfalls an, wenn er darauf besteht, daß hier nur in Wahrscheinlichkeiten zu reden ist. Für das Selbstbild unangenehme Aspekte - etwa Trugschlüsse des Argumentierens - werden gerne an lebensweltlichen Beispielen verhandelt, als sei die wissenschaftliche Praxis davon unberührt. Manche Fragen wie das Verhältnis von Werten und wissenschaftlichen Methoden sind schließlich nur "äußerst schwierig", ohne daß man sich bemühte, diesen Schwierigkeiten Umriß zu geben. Ach, möchte man dem Autor zurufen, warum erzählst Du uns keine Zeile von deiner eigenen Arbeit! Wir hätten gewiß mehr darüber erfahren, was Wissenschaft ist.

Unter Umständen muß man Derrys Weichzeichnerbild aber mit amerikanischen Augen betrachten. Folgt man dem Wissenschaftshistoriker Gerald Holton, dann befindet sich die Wissenschaft unter gefährlichem Druck. Der zentrale Essay seines Buches "Wissenschaft und Anti-Wissenschaft" identifiziert eine "Kohorte von Delegitimatoren", welche die Vorrangstellung des wissenschaftlichen Wissens und darin eingeschlossen das moderne Weltbild der westlichen Kulturen untergraben möchte. Eine alte Verschwörungstheorie wird hier mit neuem Leben erfüllt. Auf der einen Seite versammeln sich die Bösen, deren aktuelles Spektrum vom Wissenschaftssoziologen Bruno Latour über das New-Age-Denken oder die feministische Wissenschaftskritik bis zu Václav Havel und dem amerikanischen Predigerstar Jerry Falwell reicht. Dieser illustren Schar gegenüber steht die namenlose Gemeinde der Intellektuellen, die - allein gelassen von den politischen Kräften - dem "Ungeheuer" der Gegenaufklärung die Stirn bieten muß.

Holtons Ausführungen sind nicht unbegründet. Ihren Hintergrund bildet der in den Vereinigten Staaten fest verankerte Kreationismus, der ebenso bibelfest wie politisch ambitioniert gegen die "Irrlehren" der Evolutionsbiologie vorgeht. Wenn aber an die Stelle von Differenzierungsvermögen die Diffamierung beinahe jeder Form von Kritik an der Wissenschaft tritt, dann ist dies ebenso sicher nur schlechte Wissenschaft mit fraglichem Zweck. Die Maßstäbe hierfür gibt Holton in den anderen Aufsätzen des (im Original bereits 1993 erschienenen) Bandes an die Hand, die sich von der Rezeption des Positivismus im zwanzigsten Jahrhundert bis zu Thomas Jeffersons Wissenschaftsverständnis der Frage widmen, was je gute Wissenschaft zu welchem Ziel gewesen ist.

Vielleicht aber, so verdichtet sich der Eindruck nach Lektüre zweier so unterschiedlicher Bücher, geht das Bedürfnis, dem größeren Publikum zu erklären, daß Wissenschaft eine einfache und gute Sache sei, von einer falschen Voraussetzung aus. Vielleicht verstünde der Leser sein Leben und die Wissenschaft viel besser, wenn er mit simplen Worten die ganze Schwierigkeit der Entstehungs- und Geltungsbedingungen wissenschaftlicher Erkenntnisse vermittelt bekäme.

CHRISTOPH HOFFMANN

Gregory N. Derry: "Wie Wissenschaft entsteht". Ein Blick hinter die Kulissen. Aus dem Englischen von Elke Bauer. Primus Verlag, Darmstadt 2001. 374 S., 35 Abb., geb., 59,- DM.

Gerald Holton: "Wissenschaft und Anti-Wissenschaft". Aus dem Englischen von Eva Martina Bauer. Springer Verlag, Wien, New York 2000. 233 S., 2 Abb., br., 75,- DM.

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