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Gertrud Fussenegger (1912-2009) gehört zu den nach wie vor meistgelesenen Autoren der österreichischen Literatur. Trotzdem wurde ihr Werk von der Literaturwissenschaft weithin vernachlässigt und in seinem Rang bisher nicht angemessen gewürdigt. Rainer Hackel legt mit seiner Monographie die erste wissenschaftlich fundierte Untersuchung über das Werk der großen Erzählerin vor. "Rainer Hackel betritt mit seiner fesselnden Monographie über die epischen Hauptwerke der großen österreichischen Autorin quasi Neuland. Es ist die erste wissenschaftlich fundierte Untersuchung über das erzählerische…mehr

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Produktbeschreibung
Gertrud Fussenegger (1912-2009) gehört zu den nach wie vor meistgelesenen Autoren der österreichischen Literatur. Trotzdem wurde ihr Werk von der Literaturwissenschaft weithin vernachlässigt und in seinem Rang bisher nicht angemessen gewürdigt. Rainer Hackel legt mit seiner Monographie die erste wissenschaftlich fundierte Untersuchung über das Werk der großen Erzählerin vor.
"Rainer Hackel betritt mit seiner fesselnden Monographie über die epischen Hauptwerke der großen österreichischen Autorin quasi Neuland. Es ist die erste wissenschaftlich fundierte Untersuchung über das erzählerische Oeuvre einer Autorin, deren eigentliche Wirkungsgeschichte erst der Zukunft angehört." (Dieter Borchmeyer)
Autorenporträt
Rainer Hackel, geboren 1963 in Leipzig, studierte Germanistik, Philosophie und Theater-, Film- und Fernsehwissenschaften in Frankfurt am Main und Mainz, Lehrer für Deutsch und Philosophie.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 25.09.2009

Schuld und Verdrängung
Unerforscht: Das Werk von Gertrud Fussenegger

Eher verhalten fielen die Nachrufe aus, als die österreichische Schriftstellerin Gertrud Fussenegger im März dieses Jahres mit 96 Jahren gestorben ist. Dies liegt weniger an der Tatsache, dass man es mit einer eher traditionellen Erzählerin und überzeugten Katholikin zu tun hat, als an ihrer Haltung während des Dritten Reichs. Die Jubelgedichte nach dem Anschluss Österreichs und ihre Publikationen im "Völkischen Beobachter" konnte sie zeit ihres Lebens nicht ganz vergessen machen, trotz anderer Texte aus diesen Jahren, klaren Bekenntnissen nach 1945 oder einer selbstkritischen Autobiographie.

Eine literaturwissenschaftliche Forschung zu ihrem umfangreichen Werk existiert kaum. Das muss man Rainer Hackel zugutehalten, wenn man seine Studie zu den epischen Hauptwerken Fusseneggers beurteilen möchte. Er hat sich für ein fast rein textimmanentes Vorgehen entschieden und analysiert ihre großen Romane und Erzählungen. Das Hauptgewicht liegt auf der Nachkriegszeit, allerdings zeigt Hackel exemplarisch, dass es christlich geprägte Texte aus der Zeit vor 1945 gibt, die in klarem Widerspruch zum nationalsozialistischen Menschenbild stehen und von entsprechenden Stellen abgelehnt wurden.

Eine stete Auseinandersetzung mit geschichtlichen Umbruchssituationen und eine Infragestellung des idealistischen Konzepts eines autonomen Individuums macht Hackel als Leitthemen der Autorin aus, wie sie sich etwa im Familienroman "Das Haus der dunklen Krüge" von 1951 niederschlagen. Die Romanfiguren entkommen weder den historischen Umständen noch den biographischen Prägungen, sosehr sie dies auch anstreben. Ein weiteres, autobiographisch gefärbtes Leitmotiv ist die Auseinandersetzung mit Schuld und Verdrängung, so in dem Kriminalroman "Die Pulvermühle" von 1968. Erst nach dem Entschluss zur Trennung beginnt das Ehepaar Bojan die Vergangenheit aufzuarbeiten, die in die letzten Tage des Zweiten Weltkriegs führt.

Auf Dauer wirkt Hackels Verfahren monoton und langatmig. Zu eng folgt er den Texten und Inhalten, zu selten bringt er neue Aspekte ein oder nimmt Wertungen vor. Zu Fusseneggers Weltbild und ihrer teilweise preziös-altertümlichen Sprache liest man wenig, vor allem aber fehlt jede kritische Distanz, die Gelungenes von weniger Gelungenem scheidet. Gern hätte man auch etwas zu literarischen Vorbildern und Traditionen sowie zur Stellung von Fusseneggers Romanwerk innerhalb der österreichischen Nachkriegsliteratur erfahren. Mit mehr Verve kämpft Borchmeyer in seinem Vorwort für die seiner Meinung nach zu Unrecht von der Wissenschaft übergangene Erzählerin, die auch nach Hackels Studie wohl weiterhin nur eine Randstellung innehaben dürfte.

THOMAS MEISSNER

Rainer Hackel: "Gertrud Fussenegger". Das erzählerische Werk. Mit einem Vorwort von Dieter Borchmeyer. Böhlau Verlag, Wien, Köln, Weimar 2009. 406 S., geb., 39,- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 10.05.2010

Zeit des Raben, Zeit der Taube
Ein Echo auf die Erneuerung des Katholizismus in der franösischen Literatur: Rainer Hackel über die österreichische Schriftstellerin Gertrud Fussenegger
Sollte allein das kurze Gedächtnis der Gegenwartsliteratur daran schuld sein, dass die österreichische Schriftstellerin Gertrud Fussenegger, die hochbetagt 2009 starb, schon fast unter die Vergessenen zu zählen ist? Mit einer umfangreichen Monographie, einer erweiterten Heidelberger Dissertation, versucht Rainer Hackel den Widerspruch zwischen der Nichtbeachtung Fusseneggers durch die Literaturkritik und -wissenschaft und ihren populären Erfolg – mehr als sechzig Romane und Erzählbände sind von ihr auf dem Buchmarkt – aufzulösen.
Gertrud Fussenegger ist in der Tat ein großes Erzähltalent, das zwar über den realistischen Gesellschaftsroman des 19. Jahrhunderts nicht hinauskommt, ihn aber mit Charakteren, Genreszenen und menschlichen Dramen ausstaffiert, wie sie jene Epoche nicht kannte. Die Autorin spitzt Verhalten und Situation ihrer Figuren so zu, dass sie oft traumhaft erschreckend und sozial entlarvend wirken. Welch eine Szene etwa zu Beginn ihres berühmtesten Romans „Das Haus der dunklen Krüge“: das Hochzeitsfest führt das Paar nicht ins Ehebett, sondern die jungvermählte Frau vor Angst in die Arme ihrer ungeliebten Schwiegermutter, bei der sie die „erste“ Nacht verbringt.
Eine andere Szene konfrontiert bürgerliche Ökonomie und bürgerliches Privatleben: der Aufschrei einer Verwandten, die einen katastrophalen Börsenkrach verkündet, hält den Ehemann, einen Börsenspekulanten, davon ab, seiner Frau, nachdem beide schon lange nebeneinander her gelebt haben, den ersten entspannten und wirklich liebevollen Kuss zu geben! Aber auch wo die Erzählung sich nicht zu solch dramatischen Bildern verdichtet, bleiben Fusseneggers Romane des bürgerlichen Lebens unterhaltsam, belehrend und nostalgisch als Porträts vergangener Epochen.
Nicht die Altertümlichkeit von Stoff und Stil, der sich von der Sprache der Avantgarde distanziert, ist es, was Gertrud Fussenegger aus dem gegenwärtigen Literaturbetrieb verdrängt. Vielmehr hat ihre Demonstration katholischer Gläubigkeit an Überzeugungskraft eingebüßt. Ihren Figuren, die so farbkräftig gemalt sind, steckt sie immer ein moralisches Abzeichen an, alle Erzählung münden in den Nachweis eines göttlichen Heilsplans. Den Vorgängern und Mitstreitern dieser literarischen Reaktion, Gertrud von Le Fort, Werner Bergengruen, Reinhold Schneider, Edzard Schaper, erging es nicht anders als Gertrud Fussenegger. Auch sie sind heute nahezu vergessen. Glänzender hingegen verlief die Rezeption ihrer literarischen Glaubensgenossen in Frankreich: Paul Claudel, Georges Bernanos, Julien Green werden trotz ihrer katholischen Mystik noch immer als radikale Modernisierer der Literatur geschätzt und gelesen. Die unterschiedliche politische Konstellation in Frankreich und Deutschland führte bei gleicher Absicht zu diesem so unterschiedlichen Erfolg. Bereits im ersten Drittel des 19. Jahrhunderts entstand, angeführt von Chateaubriand, in Frankreich ein konservative katholische Bewegung, der sogenannte „renouveau catholique“, der sich gegen die Trennung von Staat und Kirche wandte. Ein letzter Ausläufer der Reaktion gegen die Aufklärung, war diese Bewegung getragen von einer aggressiven Energie, von einem Protest, der die konventionelle Sprache nicht mehr genügte. Von der literarischen Revolution schlossen sich poetische Katholiken wie Baudelaire und Huysmans nicht aus.
Der Affront der französischen Literaten gegen den laizistischen Staat fehlt der deutschen Literatur, die Anregungen aus Frankreich aufnahm und Gesten des Widerstandes übte, wo Widerstand nicht nötig war. In Deutschland und in Österreich zumal förderte der Staat die Kirchen, sodass die katholische Bewegung nur ihre Staatstreue beteuern und durch Erbaulichkeit die kirchliche Erziehung unterstützen konnte. Die katholischen Schriftsteller des 20. Jahrhunderts in Deutschland lieferten hingegen nur das verspätete konfessionelle Gegenstück zur ohnehin schon protestantischen Prägung der deutschen Literatur im 18. Jahrhundert.
Gertrud Fussenegger war sich ihrer Abhängigkeit vom „renouveau catholique“ durchaus bewusst, wie an ihrem 1960 erschienener Roman „Zeit des Raben, Zeit der Taube“ zu sehen ist. Darin erzählt sie eine Doppelbiographie von Léon Bloy, dem homo religiosus und eifernden Vertreter einer katholischen Mystik, und Marie Curie, einer Frau, deren wissenschaftliche Entdeckungen Natur und Mensch zu zerstören drohen. Der Roman endet in einer Katastrophenvision Bloys. An diesem Roman hätte Rainer Hackel die Stellung und Bedeutung Fusseneggers im europäischen Kontext erläutern können, wenn er wirklich, wie er im Vorwort verspricht, „den Sinnhorizont des Zeitalters transparent“ hätte machen wollen.
Einen Vortrag Fusseneggers zitierend, stellt Hackel fest, dass es dem Schriftsteller darum gehen müsse, „Wertbegriffe, Werterlebnisse, Wertziele“ zu ermitteln und Wertentscheidungen, Werthorizonte an den Leser weiter zu geben.   Der Abstand aber, den Fussenegger von der französischen Literatur hält, ließe sich nirgends besser als an dem freiwilligen Missverständnis demonstrieren, das sie der Figur Léon Bloys gegenüber an den Tag legt. Léon Bloy, ihre Romanfigur, besitzt „Werte“ und zeigt sich als reuiger Sünder; in Wahrheit jedoch war der französische Romancier, darin ein Nachfolger Rousseaus, ein Sünder aus Stolz, der seine ganze Kunst darein setzte, mit der Verworfenheit seines Redens und Handelns zu prahlen. An Bloy hätte sich ein wesentlicher Unterschied der französischen zur deutschen literarischen Szene zeigen lassen: Schriftsteller zu sein, bedeutet in Frankreich eine Haltung, kein Metier. Auch Léon Bloy faszinierte seine Zeitgenossen mehr durch seinen Lebensstil als durch seine Schriften. Bei Fussenegger ist davon wenig zu spüren; sie verharmlost ihn zum in sich gekehrten Visionär.
Leider geht Hackel diesen historischen, politischen und literaturgeschichtlichen Zusammenängen und Differenzen nicht nach. Er begnügt sich mit Nacherzählungen, mit Überlegungen zum Inhalt und zum psychologischem Verhalten der Romanfiguren, so als seien es Bekanntschaften aus dem Alltagsleben und füllt damit Hunderte von Seiten.
Das Vorwort des Doktorvaters Dieter Borchmeyer empfiehlt dem Leser Hackels Buch als „fesselnde Monographie“ und „wissenschaftlich fundierte Untersuchung“. Immerhin fügt Borchmeyer Nachrichten über Fusseneggers Nähe zum Nationalsozialismus hinzu; diese Schuld hatte die reuige Sünderin nach dem Krieg selbst bekannt.
HANNELORE SCHLAFFFER
RAINER HACKEL: Gertrud Fussenegger. Das erzählerische Werk. Mit einem Vorwort von Dieter Borchmeyer. Böhlau Verlag Wien, Köln, Weimar 2009. 407 Seiten, 39 Euro.
Alles, was diese Autorin erzählt,
mündet in den Nachweis
eines göttlichen Heilsplans
Die österreichische Autorin Gertrud Fussenegger Foto: Biskup/laif
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.sz-content.de
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Möglicherweise hat die Randstellung der von Rainer Hackel in seiner Studie behandelten österreichischen Autorin und ihres Werkes eine gewisse Berechtigung. Rezensent Thomas Meissner jedenfalls stößt bei Gertrud Fussenegger auf ein nicht ganz astreines (zeitweise mit dem Nationalsozialismus sympathisierendes) Welt- und Menschenbild und eine "teilweise preziös-altertümliche" Sprache. Hackels textimmanent angelegter Studie hält der Rezensent die magere Forschungslage im Fall Fussenegger zugute. Dass der Autor vor allem die Romane und Erzählungen aus der Nachkriegszeit analytisch durchdringt, hält Meissner für etwas zu kurz gegriffen. Richtig enervierend findet er die Monotonie der textimmanenten Methode, die bei Hackel, wie er kritisiert, selten zu neuen Aspekten (Vorbilder, Traditionen, Fusseneggers Stellung in der Nachkkriegsliteratur) führt. Weil es dem Autor außerdem an kritischer Distanz zu seinem Gegenstand fehlt, sucht Meissner handfeste Wertungen in diesem Band vergebens.

© Perlentaucher Medien GmbH