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Produktdetails
  • Verlag: Europa Verlag
  • Seitenzahl: 318
  • Abmessung: 220mm
  • Gewicht: 655g
  • ISBN-13: 9783203840277
  • ISBN-10: 3203840278
  • Artikelnr.: 09783315
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 10.12.2001

Abzählreime in Ruinen
Vom Frieden träumen und den Tod erleben – Kinder erzählen vom Zweiten Weltkrieg
EMMY E. WERNER: Unschuldige Zeugen. Der Zweite Weltkrieg in den Augen von Kindern, Europa Verlag, Hamburg und Wien 2001. 318 Seiten, 38,50 Mark.
Emmy E. Werner, Jahrgang 1929, in Hitlerdeutschland sozialisiert, wanderte als junge Frau in die USA aus, wo sie jetzt an der University of California als Psychologin tätig ist. Sie versammelt in ihrem Buch Briefe, Tagebücher und diverse andere Aufzeichnungen und Fotos von Kindern, die den Zweiten Weltkrieg aus ihrer Sicht schildern. Zu Wort kommen Heranwachsende, gleich ob sie auf Seiten der Alliierten oder der Achsenmächte standen, Jugendliche aus Polen, Belgien, Holland, Großbritannien, Frankreich, Japan, USA, Russland, Kanada und naturgemäß Deutschland.
Die Autorin beschränkt sich bewusst überwiegend auf nichtjüdische Kinder, da ihrer Ansicht nach die relevanten Aussagen jüdischer Altersgenossen bereits in vielen Publikationen über den Holocaust gewürdigt worden sind. Geschildert werden die Erfahrungen von Kindern, die den Feuerstürmen von Dresden oder Hamburg entkamen, die die Bombenangriffe auf Nagasaki und Hiroshima überlebten. Ihre Augenzeugenberichte werden ebenso dokumentiert wie die Sabotageakte todesmutiger holländischer Kinder, welche die deutschen Besatzer piesackten: Sie verschenkten weiße Nelken, die mit zerbrochenen Rasierklingen gespickt waren, oder kappten Telefonleitungen in Amsterdam.
Nichts Gutes über Russland
Werner berichtet aus eigener Erfahrung von dem absurden Umstand, dass die Schulkinder in ihrer hessischen Heimatstadt angewiesen wurden, alle positiven Sätze zu streichen, „die in ihrem Schulbuch über Russland verzeichnet waren – Bücher, die man zwei Jahre zuvor gedruckt hatte, als die Sowjetunion und Deutschland einen Nichtangriffspakt geschlossen hatten. ” Denn wegen des akuten Papiermangels konnten keine neuen Bücher gedruckt werden, sodass die Schüler genötigt wurden, sie eigenhändig zu zensieren: wahrlich eine „eindrucksvolle Geschichtslektion!”, so die Autorin.
Besonders ergreifend ist die ausführliche Korrespondenz zwischen einer Schülerin der siebten Klasse aus Ohio, Mary Louise Koehnen, mit General Dwight D. Eisenhower, der damals gerade damit beschäftigt war, die Landung in Nordafrika zu organisieren. Die beiden schrieben sich von April 1942 bis August 1943. Eisenhower antwortete regelmäßig„: Vielen, vielen Dank für Deinen Brief. Ich freue mich immer, von Dir zu hören.”
Werner bemerkt, einer der bemerkenswertesten Aspekte der Interviews, die sie mit Kindern über die Zeit des Zweiten Weltkriegs führte, sei das „Fehlen von Hass und Bitterkeit” gegenüber ehemaligen „Feinden”. Sie erwähnt die CARE-Pakete der Amerikaner und die Freundlichkeit, mit der vor allem schwarze GIs den deutschen Kindern begegneten und ihnen Schokolade, Kaugummi oder eine Hand voll Rosinen schenkten. US-Soldaten retteten Kleinkinder auch vor den Artillerie-Angriffen der deutschen Truppen, so zum Beispiel in der Nähe von Nürnberg kurz vor Kriegsende. „Kommen alle mit mir in das Dorf, wir nichts tuen euch”, rief damals ein farbiger US-Soldat, wie ein Kind berichtet.
THOMAS ECKARDT
Der Rezensent ist Sozialwissenschaftler bei München.
Kinderlandverschickung ins „Generalgouvernement Polen”: Sicherheit in der Fremde ersetzte Kindern im Krieg der Nazis oftmals die heimische Geborgenheit.
Foto: Rösner/SZ-Archiv
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Der Zweite Weltkrieg aus der Sicht von Kindern: Die Autorin hat Tagebücher, Briefe, Fotos und andere Aufzeichnungen von Kindern zusammengetragen, die schildern, wie diese Feuerstürme und Bombenangriffe erlebt haben, berichtet Thomas Eckardt. Dabei habe sie sich bewusst auf nichtjüdische Kinder festgelegt, da über "jüdische Altersgenossen" schon genügend geschrieben worden sei. Eine ergreifende Lektüre, so der Rezensent. Besonders eindrucksvoll findet er, die "eigene(n) Erfahrung(en)" der Buchautorin - diese musste in ihrer Schulzeit "positive Sätze" über Russland aus ihren Schulbüchern streichen. Aber auch der dokumentierte Briefkontakt einer US-amerikanischen Schülerin mit General Eisenhower beeindruckte den Rezensenten: "Eisenhower antwortete regelmäßig". Nach Kriegsende schließlich hätten die befragten Kinder weder Hass noch Bitterkeit gegenüber den "Feinden" aus dem Osten empfunden, zitiert der beeindruckte Rezensent aus dem Buch.

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