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Ihre Schriften zählen zu den Standardwerken deutsch-jüdischer Geschichtsforschung: Mit "Jud Süß" (1929), "The Court Jew/Der Hofjude im Zeitalter des Absolutismus" (1950/2001) sowie "Der Preußische Staat und die Juden" (1925-1975) begründete die Historikerin Selma Stern (1890-1981) ihren Ruf als "große alte Dame der deutsch-jüdischen Geschichtswissenschaft". Vor dem Hintergrund fast eines Jahrhunderts deutscher Zeitgeschichte reflektierte sie in autobiographischen Schriften und Briefen ihr Selbstverständnis als Frau, Intellektuelle und deutsche Jüdin, aber auch ihr Verhältnis zu Deutschland,…mehr

Produktbeschreibung
Ihre Schriften zählen zu den Standardwerken deutsch-jüdischer Geschichtsforschung: Mit "Jud Süß" (1929), "The Court Jew/Der Hofjude im Zeitalter des Absolutismus" (1950/2001) sowie "Der Preußische Staat und die Juden" (1925-1975) begründete die Historikerin Selma Stern (1890-1981) ihren Ruf als "große alte Dame der deutsch-jüdischen Geschichtswissenschaft". Vor dem Hintergrund fast eines Jahrhunderts deutscher Zeitgeschichte reflektierte sie in autobiographischen Schriften und Briefen ihr Selbstverständnis als Frau, Intellektuelle und deutsche Jüdin, aber auch ihr Verhältnis zu Deutschland, deutscher Geschichte und Kultur. Selma Stern schrieb sich in die historischen Diskurse ihrer Zeit ein und bezog Position - im Ersten Weltkrieg, in der Weimarer Republik, im Nationalsozialismus. Marina Sassenberg untersucht das Zusammenwirken von biographischer Erfahrung und Geschichtsverständnis der Akademikerin der ersten Stunde und ersten Frau in der Wissenschaft des Judentums. Erstmals wirddamit eine umfassende Studie über Leben und Werk Selma Sterns vorgelegt. Sie steht im Kontext deutscher Wissenschaftsgeschichte und deutsch-jüdischer Historiographie des 19. und 20. Jahrhunderts.
Autorenporträt
Geboren 1958; Dipl. Sozialwissenschaftlerin; 1989-96 Wiss. Mitarbeiterin des Salomon Ludwig Steinheim-Instituts in Duisburg; 1996-98 Wiss. Mitarbeiterin der Moses Mendelssohn Akademie Halberstadt; 1998-99 Konzeption und Durchführung der Wanderausstellung 'Zeitenbruch. Jüdische Existenz in Rheinland-Westfalen 1933-1945'; derzeit Dissertationsprojekt über Selma Stern an der Universität zu Halle-Wittenberg.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 29.10.2004

Im Bündel des Lebens
Marina Sassenberg würdigt die Historikerin Selma Stern
Im Jahr 1921 erschien in der Monatsschrift für Geschichte und Wissenschaft des Judentums eine zehnseitige Kritik zweier Bände von Simon Dubnows „Neuester Geschichte des jüdischen Volkes”. Der Text ist nur auf den ersten Blick eine gewöhnliche Rezension, tatsächlich aber eine kleine Programmatik jüdischer Geschichtsschreibung in der Moderne. Er benennt die notwendigen Interpretationskategorien, gibt Auskunft über Schwerpunktsetzungen und weist jede Form der Aktualisierung zurück. Dass diese Besprechung noch in einer jüngst erschienenen Anthologie zur jüdischen Geschichtsschreibung vergessen wurde, wirft Fragen auf. Vielleicht liegt es einfach daran, dass es sich um eine Autorin handelt, die mit dem relativ bekannten Historiker Eugen Täubler verheiratet war. Die Rede ist von Selma Stern, einer der bedeutendsten Geschichtswissenschaftlerinnen des 20. Jahrhunderts.
In jedem Historikerlexikon müsste Stern prominent figurieren. Dafür sprechen nicht nur ihre grundlegende Arbeiten „Jud Süß” (1929), „Der Hofjude im Zeitalter des Absolutismus” (1950) oder die monumentale, siebenbändige, kommentierte Dokumentation „Der Preußische Staat und die Juden” (1925-1975). Die Monographie über die „Hofjuden” wurde erst vor drei Jahren ins Deutsche übersetzt, und macht die dubiose Konkurrenzarbeit von Heinrich Schnee endgültig obsolet. Stern hat sich darüber hinaus als eine ebenso genaue wie engagierte Chronistin der Ambivalenzen des modernen Judentums erwiesen.
Nach den Studien von Hiltrud Häntzschel legt Marina Sassenberg nun eine aus den Quellen gearbeitete Lebens- und Werkgeschichte vor, die kaum Wünsche offen lässt. Mit der ebenfalls von Sassenberg betreuten Edition der „Hofjuden”-Studie und der neuen umfassenden Darstellung dürfte es niemandem mehr gelingen, an Stern vorbeizuschauen.
Ebenso konsequent wie behutsam rekonstruiert Sassenberg die Selbst- und Geschichtsentwürfe der Stern. Obwohl zahlreiche sehr persönliche Dokumente zitiert werden, wahrt die Biographin Distanz ohne falsches Pathos. Das schwierige und facettenreiche Leben der deutschen Jüdin wird um so eindrücklicher in Erinnerung gerufen, als Sassenberg die Identitätsfrage nicht ständig beantworten möchte. Sie entgeht der Gefahr, das Leben ihrer Heldin zum Probierfeld avancierter feministischer Theorien zu machen. Stern wird in ihren auferlegten und selbst gesetzten Grenzen gezeigt, doch auch in ihrer intellektuellen und weiblichen Selbstfindung ernstgenommen. Vielleicht hätte Sassenberg die späteren Kritiker Sterns mitunter entschiedener in die Schranken weisen können.
Eine behütete, durch den Vater bestimmte Kindheit im Schwarzwald, Abitur an einem Knabengymnasium, dann eine glänzende Promotion in München, darauf die Mitarbeit an der „Akademie für die Wissenschaft des Judentums”, weil die beantragte Habilitation bis zum Sanktnimmerleinstag aufgeschoben wurde. Die Verhältnisse zu den meist älteren Männern gestalten sich dagegen äußerst schwierig. 1933 kommen die Nationalsozialisten an die Macht, und alles ändert sich. Mit ihrem Mann Eugen Täubler, sie war mit dem elf Jahre Älteren seit 1927 verheiratet, verlässt sie erst 1941 Deutschland. Da sind die Ersparnisse aufgebraucht, und mancher hochfliegende Fluchtplan erweist sich als Chimäre. Am Hebrew College in Cincinnati finden beide dann eine Anstellung. Sie ist weiterhin produktiv, verfolgt die Entwicklung Deutschlands, kann sich aber nicht für eine Rückkehr entscheiden. Im Alter von 91 Jahren stirbt Selma Stern am 17. August 1981 im jüdischen Altersheim des schweizerisch-deutschen Grenzstädtchens Riehen. Auf ihrem Grabstein findet sich die traditionelle Formel: „Ihre Seele sei eingebunden in das Bündel des Lebens.”
THOMAS MEYER
MARINA SASSENBERG: Selma Stern (1890-1981). Das Eigene in der Geschichte. Mohr Siebeck Verlag, Tübingen 2004. 293 Seiten, 69 Euro.
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Bislang, so der Rezensent Thomas Meyer, hatte man in Historikerkreisen das Werk und die Person Selma Sterns sträflich missachtet, doch nach diesem Buch, ist er sich sicher, wird sich das ändern. Die Autorin habe "einer der bedeutendsten Geschichtswissenschaftlerinnen des 20. Jahrhunderts" eine Monografie zu Leben und Werk gewidmet, die "kaum Wünsche offen lässt": sorgfältig, klug, mit gebührender Distanz und ohne "das Leben ihrer Heldin zum Probierfeld avancierter feministischer Theorien zu machen". Lebens- und Denkentwürfe einer Frau, ohne deren Arbeiten die jüdische Geschichtsschreibung nicht dieselbe wäre.

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