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Die Geschichte des Sklavenschiffs 'Amistad' fängt da an, wo die der britischen Abolitionisten aufhört: Das britische Empire hat die Sklaverei 1808 abgeschafft, Spanien 1820 den Sklavenhandel verboten. Spanien und besonders seine Kolonien bleiben aber wirtschaftlich von der Sklaverei abhängig und halten über den Atlantik einen enormen Menschenschmuggel aufrecht. Im Juni 1839 rebellierten die Sklaven, die auf dem kleinen kubanischen Schoner 'Amistad' eingepfercht waren, töteten den Kapitän, irrten vor der Ostküste der USA herum, wurden vor New Haven aufgebracht, wegen Meuterei vor Gericht…mehr

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Produktbeschreibung
Die Geschichte des Sklavenschiffs 'Amistad' fängt da an, wo die der britischen Abolitionisten aufhört: Das britische Empire hat die Sklaverei 1808 abgeschafft, Spanien 1820 den Sklavenhandel verboten. Spanien und besonders seine Kolonien bleiben aber wirtschaftlich von der Sklaverei abhängig und halten über den Atlantik einen enormen Menschenschmuggel aufrecht. Im Juni 1839 rebellierten die Sklaven, die auf dem kleinen kubanischen Schoner 'Amistad' eingepfercht waren, töteten den Kapitän, irrten vor der Ostküste der USA herum, wurden vor New Haven aufgebracht, wegen Meuterei vor Gericht gestellt und - freigesprochen. Für den Lateinamerika-Historiker Michael Zeuske ist die 'Amistad' der emblematische Einzelfall, an dem sich die große, grausame, von Legitimitäts- und Menschenrechtserwägungen völlig losgelöste Geschichte des atlantischen Sklavereisystems aufrollen lässt. In der Karibik fand es erst 1886 ein Ende.
Autorenporträt
Michael Zeuske, geboren 1952, ist Professor für iberische und lateinamerikanische Geschichte an der Universität Köln. Zahlreiche Publikationen zu Kuba.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 07.02.2013

Kubas Aufstieg zur modernsten Kolonie der Welt
Der menschliche Körper als Währung: Michael Zeuske vertieft sich in die Geschichte des Sklavenschiffes Amistad

Die Geschichte des Sklavenschiffes Amistad hat es nicht zuletzt dank Steven Spielbergs Verfilmung aus dem Jahr 1997 zu beträchtlicher Bekanntheit gebracht. Das historisch verbürgte Drama erzählt von der Sklavenrebellion auf dem spanischen Frachter und den anschließenden Gerichtsverhandlungen in den Vereinigten Staaten, aus denen die aus der damaligen spanischen Kolonie Kuba stammenden revoltierenden Sklaven schließlich als freie Männer hervorgingen. Die Ereignisse um die Amistad ereigneten sich 1839/41, zwanzig Jahre nachdem der Sklavenhandel über den Atlantik zwischen Afrika und Kuba verboten worden war.

In den Vereinigten Staaten gilt das Thema vor allem als bedeutender nationaler Rechtsfall. Michael Zeuske hingegen sieht in dem Geschehen um das Sklavenschiff einen "emblematischen Einzelfall", der auf das umfassende atlantische Sklavereisystem nach dem offiziellen Ende des Sklavenhandels verweist. Der Kölner Historiker, einer der besten deutschsprachigen Kenner der Materie, greift in seiner Darstellung auf neuere Quellenfunde vor allem aus kubanischen Archiven zurück. Er legt dar, dass das neunzehnte Jahrhundert keineswegs ein "Zeitalter der Abolition" war, sondern im Gegenteil eine Periode, in welcher der Handel mit Menschen boomte. Die von der Sklavereiforschung in den vergangenen Dekaden zusammengetragenen - wie Zeuske meint, noch zu konservativen - Zahlen sprechen für sich: Mehr als ein Viertel der insgesamt rund 12,5 Millionen in der Neuzeit über den Atlantik verschleppten afrikanischen Sklaven wurden zwischen 1801 und 1878 verschifft, vor allem nach Brasilien und Kuba. Die Karibikinsel profitierte besonders vom Handel mit der Ware Mensch und wurde durch die Arbeitsleistungen der Versklavten in diesem Zeitraum zur reichsten und technologisch modernsten Kolonie der Welt -durch eine "Symbiose von Sklaverei, Schmuggel, Hochtechnologie und Wissenschaft".

Zeuske widmet sich minutiös der Rekonstruktion der Geschichte der Amistad. Dank ungewöhnlicher guter Überlieferung kann der Autor detailliertes Material über die Herkunft und Einzelschicksale der auf dem Schiff transportierten Sklaven präsentieren. Auch über den während der Rebellion ermordeten Kapitän Ramón Ferrer trägt er Aufschlussreiches zusammen. Zeuske zeichnet Ferrer als paradigmatische Verkörperung eines Menschenschmugglers und Sklavenhändlers. "Vom Sohn Ibizas, aus einer Familie kleiner Kaufleute und Schiffseigner stammend, brachte er es zum wagemutigen Kapitän und Schmuggler, der nicht nur kleinen Küstenhandel betrieb, sich aber gerne als bescheidener Küstenfahrer darstellte." Obwohl sich Ferrer wiederholt über große Verluste in diesem Geschäft beklagte, konnte er beträchtliche Gewinne erzielen, die er in modernste Technologien investierte: Dampfschiffe, Zuckerplantagen, Hafenanlagenbau und Eisenbahnen.

Der Autor greift in seiner Monographie neuere historiographische Ansätze auf, die für die Dekaden nach dem offiziellen Verbot des Sklavenhandels 1807 auf die immense ökonomische Bedeutung des "verborgenen Atlantik" verweisen. In dieser Periode waren vor allem Brasilianer, Nordamerikaner und Kubaner die Hauptakteure der Fahrten zwischen Afrika und Amerika. Zwar hatten sich die meisten europäischen Mächte formal der von Großbritannien forcierten Politik der Ächtung des Sklavenhandels angeschlossen. Doch Spanien etwa konnte und wollte, wie der Autor darlegt, auf die massiven, auf Menschenschmuggel und Sklavenarbeit basierenden Kapitaltransfers aus seiner Kronkolonie Kuba nicht verzichten: Steuern, Geld, Zölle und Zucker, Kaffee, Tabak und Rum waren für das "Mutterland" von enormer Bedeutung. "Deshalb", schreibt er, "drückten alle Kolonialbeamten auf Kuba vor dem Schmuggel die Augen zu."

Die böse Ironie ist für Zeuske offenkundig: Im Jahrhundert der christlichen Abolition stieg die Bedeutung des menschlichen Körpers als Währung und Wert enorm an. Dies haben auch viele Zeitgenossen konstatiert. Der Missionar Christian Georg A. Oldendorp etwa notierte über die Karibik: "Man pflegt auf den Inseln zu sagen, dass das Negerfleisch unter allem das teuerste sei. Es steckt in diesen Menschen ein großes Capital und der größte Teil des Vermögens ihrer Herren, ohne welchen denselben ihre anderen Güter nicht viel helfen werden."

Das engagiert, nicht immer eingängig geschriebene Buch beschäftigt sich mit der Sklaverei auf Kuba, den Kapitänen und Mannschaften der Sklavenschiffe, den Transformationen von Sklaverei und Sklavenhandel in Afrika - die schwächsten Passagen der Studie - sowie den atlantisch-karibischen Netzwerken, deren Zentrum Kuba bildete. Erst Ende des neunzehnten Jahrhunderts brach diese Ordnung zusammen.

ANDREAS ECKERT

Michael Zeuske: "Die Geschichte der Amistad". Sklavenhandel und Menschenschmuggel auf dem Atlantik im 19. Jahrhundert.

Reclam Verlag, Stuttgart 2012. 255 S., Abb., br., 11,95 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Den Autor interessiert der Fall der Sklavenrebellion auf der Amistad im Jahr 1839 als Rechtsfall, erklärt Andreas Eckert den Fokus des Buches von Michael Zeuske. In die Kenntnis des Historikers in Sachen Amistad hat Eckert vollstes Vertrauen. Ebenso in seine Arbeit in kubanischen Archiven und die darauf aufbauende minutiöse Rekonstruktion der Geschichte des Frachters und der Einzelschicksale der Sklaven. Der Schluss, den der Autor aus seinen Recherchen zieht, überrascht Zeuske: Der Sklavenhandel erfuhr eine neue Hochzeit gerade in der Zeit nach der offiziellen Abschaffung der Sklaverei 1807. Den verborgenen karibischen Netzwerken und den Interessen von Schmugglern und Händlern geht der Autor laut Eckert engagiert, wenngleich nicht immer auf die eingängigste Art, auf den Grund.

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