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Nach Jahrhunderten kriegerischer europäischer Geschichte kommt der friedliche Zusammenschluss souveräner Staaten nach dem 2. Weltkrieg zu einer »Europäischen Union« einer Revolution mit friedlichen Mitteln gleich. Gerhard Brunn stellt den zahlreiche Krisen, Stagnationen und Probleme überwindenden Prozess der europäischen wirtschaftlichen und politischen Integration dar, von den Anfängen bis zur jüngsten EU-Erweiterung und den Diskussionen um eine europäische Verfassung.

Produktbeschreibung
Nach Jahrhunderten kriegerischer europäischer Geschichte kommt der friedliche Zusammenschluss souveräner Staaten nach dem 2. Weltkrieg zu einer »Europäischen Union« einer Revolution mit friedlichen Mitteln gleich. Gerhard Brunn stellt den zahlreiche Krisen, Stagnationen und Probleme überwindenden Prozess der europäischen wirtschaftlichen und politischen Integration dar, von den Anfängen bis zur jüngsten EU-Erweiterung und den Diskussionen um eine europäische Verfassung.
Autorenporträt
Gerhard Brunn ist Historiker und war bis zu seiner Emeritierung 2004 Jean-Monnet-Professor für Europäische Regionalgeschichte an der Universität Siegen.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 15.02.2010

Hallsteins Schuhe
Die europäische Einigung zwischen Irrwegen und Erfolgen

Seit über vierzig Jahren beschäftigen sich Historiker mit der Geschichte der europäischen Einigung. Mit immer neuen Tiefenbohrungen zeichnen sie ein komplexes Bild von idealistischen Hoffnungen, divergierenden nationalen Interessen, politischen Leistungen und mehr oder weniger gelungenen Kompromissen, die die Europäische Union gleichwohl zu einer immer umfassenderen Realität werden ließen. In der Öffentlichkeit ist davon freilich nicht viel angekommen. Journalistische Beobachter gefallen sich in der Beschreibung immer neuer Krisen, Politikwissenschaftler diagnostizieren ein Mehrebenensystem, das zur Weiterentwicklung angeblich nicht fähig ist.

Da kommt die Neuausgabe der Einigungsgeschichte von Gerhard Brunn gerade recht. Knapp und schnörkellos, aber ohne unzulässige Vereinfachungen und fast immer auf dem jüngsten Stand der Forschung zeichnet sie den kurvenreichen Weg nach Europa nach, von den Projekten und Diskussionen nach dem Ersten Weltkrieg bis zur Ratifizierung des Lissabon-Vertrages im Herbst 2009. Ihre Lektüre macht deutlich, dass dem europäischen Integrationsprozess langfristige historische Trends zugrunde liegen. Nationale Interessen, die bei den Akteuren der Europa-Politik naturgemäß im Vordergrund stehen, können sich auf Dauer nur durchsetzen, wenn sie mit dem Prinzip der Solidarität der europäischen Demokratien in Einklang zu bringen sind.

Brunn zeigt das etwa am Beispiel des Schuman-Plans, bei dem es Frankreich in erster Linie darum ging, eine erneute Vormachtstellung der deutschen Schwerindustrie zu verhindern und die Wettbewerbsfähigkeit der französischen Schwerindustrie zu steigern. Weil er der jungen Bundesrepublik gleichzeitig Aussichten bot, die Fesseln des Besatzungsstatus abzustreifen, und insgesamt eine optimale Nutzung der industriellen Ressourcen verhieß, fand er gleichwohl die notwendigen parlamentarischen Mehrheiten im Europa der Sechs. Ähnlich wird der Vertrag von Maastricht als eine Maßnahme zur Verhinderung neuer deutscher Großmachtpolitik interpretiert, wiederum wesentlich von Frankreich betrieben, aber mit segensreichen Wirkungen für die politische und wirtschaftliche Stabilität des gesamten Kontinents. Die Ost-Erweiterung der Union erscheint bei allen Schwierigkeiten alternativlos: Die wirtschaftlichen, politischen und sicherheitspolitischen Risiken, die sich aus einem Verbleib der mittel- und osteuropäischen Länder in einem Europa zweiter Klasse ergeben hätten, wurden als einfach zu groß angesehen.

Der Verfasser versteht es nicht nur, komplexe Sachverhalte wie die europäische Agrarpolitik oder den mühsamen, von vielen Rückschlägen unterbrochenen Weg zur Währungsunion verständlich darzustellen. Gelegentlich würzt er seine Erzählung auch mit einprägsamen Anekdoten. So berichtet er, dass Walter Hallstein die Einladung zum Haager Kongress der Europäischen Bewegung im Mai 1948 dazu nutzte, ein paar Schuhe zu kaufen. Als er zehn Jahre später sein Amt als erster Präsident der Europäischen Kommission antrat, zog er sie demonstrativ an. Der britische Außenminister Ernest Bevin erschrak über den Vorschlag einer europäischen Parlamentarierversammlung so sehr, dass er die Metaphern der griechischen Mythologie durcheinanderbrachte: "Wenn man diese Pandora-Büchse öffnet, wird man sie voller Trojanischer Pferde finden!"

Über einzelne Interpretationen kann man streiten. So erscheint es fraglich, ob mit dem Luxemburger Kompromiss vom Januar 1966, die die Krise des "leeren Stuhls" beendete, tatsächlich die Option auf wirkliche Supranationalität verlorenging. Die Kommission war keineswegs "darauf verpflichtet worden", wie Brunn schreibt, nur Vorschläge vorzulegen, die sie vorher informell mit den Mitgliedstaaten abgestimmt hatte. Der Ministerrat hatte es nur als "wünschenswert" bezeichnet, dass die Kommission "angemessene Kontakte" mit den Regierungsvertretern pflegt, bevor sie eine bedeutende Initiative ergreift. Ob das Bundesverfassungsgericht mit seinem Lissabon-Urteil eine Art Paradigmenwechsel unter der Devise "Zurück zum Nationalstaat" eingeleitet hat, wird man ebenfalls bezweifeln dürfen. Das politische Gewicht dieses Urteils auf europäischer Ebene erscheint damit doch stark überschätzt. In den großen Linien aber kann man Brunns Darstellung durchaus vertrauen. Sie zeigt, dass die Europäische Union ihre Mitgliedstaaten keineswegs in ihrer Existenz bedroht, sie aber gleichwohl immer weiter einbindet.

WILFRIED LOTH

Gerhard Brunn: Die europäische Einigung. Von 1945 bis heute. Verlag Philipp Reclam, Stuttgart 2009. 339 S., 7,80 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Es gibt Interpretationen in diesem Buch, über die sich Wilfried Loth mit dem Autor streiten könnte. Im großen ganzen aber erscheint ihm Gerhard Brunn als verlässlicher Dokumentarist der europäischen Einigungsgeschichte, der ihm knapp und schnörkellos, ohne zu vereinfachen oder die neueste Forschung zu vernachlässigen, auch komplexe Sachverhalte, wie die europäische Agrarpolitik, vermittelt. Loth lernt, dass dem Integrationsprozess langfristige historische Trends zugrunde liegen. Und die ein oder andere Anekdote darf er bei Brunn auch lesen.

© Perlentaucher Medien GmbH