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Welche Kirchen gibt es auf der Welt? Wie sind sie verfasst, wie sieht ihr inneres Leben aus? Schleiermacher, selbst an vielen kirchenpolitischen Auseinandersetzungen beteiligt, meinte, dass angehende Pfarrer darüber Bescheid wissen müssten, und hielt Vorlesungen über die kirchliche Geographie und Statistik, d. h. die Kirchenkunde der Gegenwart. Diese Vorlesungen, durch Manuskripte Schleiermachers und seiner Studenten dokumentiert, werden hier zum ersten Mal veröffentlicht.

Produktbeschreibung
Welche Kirchen gibt es auf der Welt? Wie sind sie verfasst, wie sieht ihr inneres Leben aus? Schleiermacher, selbst an vielen kirchenpolitischen Auseinandersetzungen beteiligt, meinte, dass angehende Pfarrer darüber Bescheid wissen müssten, und hielt Vorlesungen über die kirchliche Geographie und Statistik, d. h. die Kirchenkunde der Gegenwart. Diese Vorlesungen, durch Manuskripte Schleiermachers und seiner Studenten dokumentiert, werden hier zum ersten Mal veröffentlicht.
Autorenporträt
Simon Gerber ist Mitarbeiter an der Schleiermacher-Forschungsstelle der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften zu Berlin.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 20.08.2005

Geographie des Glaubens
Schleiermachers Vorlesungen zur Konfessionskunde
1811 veröffentlichte der Theologe, Philosoph und Pädagoge Friedrich Schleiermacher (1768-1834) erstmals seine „Kurze Darstellung des theologischen Studiums”, eine wissenschaftstheoretische Grundlegung protestantischer Theologie. Sie liefert bis heute Stoff für kontroverse Debatten, denn sie verlegt die kardinalen Begründungsfragen der Theologie in die philosophische Anthropologie und in die Sozialtheorie und stellt alle geschichtlich gewachsenen christlichen Traditionsbestände der systematisch fundierten historischen Analyse anheim. Die Historische Theologie wird so, wie Schleiermacher, ausgehend vom Bild des Baumes mit Wurzel und Krone, sagt, zum „Stamm” der gesamten Theologie: Sie begreift auf der Grundlage anthropologischer und sozialtheoretischer Kategorien den gesamten Phänomenbestand christlichen Lebens und Denkens von den Anfängen bis zur Gegenwart - mit dem Doppelziel, die Wesenserkenntnis des Christentums voranzutreiben und zu besonnener Arbeit im Dienste an der wesensgemäßen Gestaltung kirchlichen Lebens zu befähigen.
In den Fächerkanon, der so entsteht, gehört nach Schleiermacher auch die „Kirchliche Geographie und Statistik”. „Statistik” bedeutet hier, anknüpfend an den Sprachgebrauch des 18. Jahrhunderts,„Staatenkunde”, wir würden sagen „Institutionenkunde”. Schleiermacher konzipiert hier also das, was sich dann im Verlauf des 19. Jahrhunderts neben der Dogmengeschichte zur zweiten Königsdisziplin protestantischer Kirchengeschichtsschreibung entwickelte: Die Vergleichende Konfessionskunde - eine immer neu zu aktualisierendes Gesamtdarstellung aller christlichen Kirchentümer, die deren Frömmigkeit, Theologie und Verfassung in ihrer wechselseitigen Bezogenheit und in ihrem politisch-sozialen Kontext schildert.
Erst zum Wintersemester 1826/27,also in vorgerücktem Alter, kündigte Schleiermacher an der Berliner Universität erstmals eine Vorlesung über dieses Thema an, das seinen Primärinteressen vergleichsweise fern lag. Damit lud er sich viel Arbeit auf. Es gab nur ein einziges, gut zwanzig Jahre altes einschlägiges Lehrbuch, und das befriedigte ihn konzeptionell nicht; zudem war es durch die politischen Umbrüche der vergangenen Jahre weithin überholt. So begann er, Material zu sammeln - aus Reisebeschreibungen, aus Gesetzessammlungen und aus der Tagespresse. Neben einem akademischen Lehrprogramm von regelmäßig 15 bis 20 Semesterwochenstunden, einem vollen Pfarramt, wissenschaftsorganisatorischen Aktivitäten und anderen literarischen Arbeiten kam er damit nicht recht voran, und so zog er die Ankündigung alsbald wieder zurück. Aber er gab nicht auf: Er kündigte die Vorlesung für das folgende Semester nochmals an, und nun kam sie zu Stande - fünfmal wöchentlich, jeweils morgens von 7 bis 8 Uhr; im Wintersemester 1833/34 hat er sie dann noch einmal wiederholt.
Diese Daten waren bislang schon bekannt. Aber während viele andere Vorlesungen Schleiermachers schon im 19. Jahrhundert von Schülern aus Nachlassmaterial und Nachschriften publiziert worden sind, hat Simon Gerber diese erst jetzt den Interessierten zugänglich gemacht - im Rahmen der seit 1980 erscheinenden Kritischen Gesamtausgabe der Werke Schleiermachers, die allgemein als Flaggschiff unter den großen Editionsunternehmen im deutschen Sprachraum gilt. Der Band präsentiert zum einen Schleiermachers Kollegvorbereitungen - ein Konvolut von ca. 100 Seiten: Exzerpte aus der Literatur, Dispositionsskizzen sowie Gedanken, Einfälle und Fragen. Sodann ist eine sehr sorgfältige Vorlesungsnachschrift aus dem Jahre 1827 vollständig reproduziert, bisweilen ergänzt aus anderen Nachschriften. Von der Vorlesung 1833/34 ist nur eine einzige, leider unvollständige Nachschrift bekannt; auch sie ist abgedruckt.
In mühseliger Kleinarbeit hat Gerber die teilweise schwer lesbaren Texte entziffert, die Fundorte von Zitaten und Exzerpten penibel nachgewiesen und weitere wertvolle Verständnishilfen beigegeben. Eine ausführliche Einleitung informiert über die Entstehungs- und Wirkungsgeschichte der Vorlesungen. Was so entstanden ist, wird, so will es zunächst scheinen, allein Schleiermacher-Experten interessieren. Aber dieser Ersteindruck trügt. Schleiermachers konzeptioneller Zugriff auf den Stoff ist originell und bis heute bedenkenswert: Er beginnt im ersten Verbreitungsgebiet des Christentums in Syrien-Palästina und schildert die urtümlichen christlichen Kirchentümer, die seit dem Konzil von Chalcedon (451) aus der gesamtkirchlichen Entwicklung ausschieden (Maroniten, Kopten, Abessinier); dann geht er in einer den großen kirchengeschichtlichen Linien folgenden Bewegung zu den Kirchen der Orthodoxie, zum römischen Katholizismus und zum Protestantismus über.
Heiliger Geist und Papstwahl
Es ist von großem Interesse, wie sich einem Mann mit Schleiermachers überragendem analytischem Scharfblick etwa der römische Katholizismus in der Zeit seiner Restauration darstellte. Seine Bemerkungen darüber, wie sehr das Papstamt die jeweilige Person des Papstes an Bedeutung überrage, zeigen schlaglichtartig, wie und in welchem Maße sich die römisch-katholische Kirche seither zur Papstkirche weitergebildet hat. Bleibend aktuell dagegen dürften Schleiermachers Beobachtungen zum problematischen Verhältnis eines bildungsreligiösen Katholizismus zum naturwüchsigen, volksreligiösen Katholizismus sein. Schlichtweg genüsslich sind endlich die vielen witzig-ironischen Bemerkungen des in der Berliner Gesellschaft für seinen kaustischen Humor Bekannten und Gefürchteten, etwa zum Wirken des Heiligen Geistes bei der Papstwahl. Das leitet zu einer anderen Lektüreperspektive über. Schleiermacher hat an die Lehrform der Vorlesung hohe Anforderungen gestellt. Der Dozent müsse auf dem Katheder vor den Hörern Kenntnisse und Einsichten lebendig entstehen lassen; wer lediglich aus dem Manuskript fertige Resultate vortrage, maße sich das „Privilegium” an, „die Wohlthat der Drukkerei ignoriren zu dürfen”, so formulierte er schon 1808; später bemerkte er einmal, es sei der Vorzug des akademischen Berufs, dass sein Inhaber sich immer neue Felder des Erkennens und Wissens erschließen könne - eben indem er über sie Vorlesungen halte. Dass und wie Schleiermacher diese Maximen selbst in die Tat umgesetzt hat, bezeugt die vorliegende Edition. Vor sich auf dem Katheder hatte er nur Zettel mit knappen Notizen und Exzerpten, und Tag für Tag brachte er die produktive Konzentration auf, im Anschluss an dieses spärliche, spröde Material in freier Rede die Hörer in den Stoff einzuführen, indem er sie an seinem eigenen Suchen und Fragen, Registrieren und Kombinieren, Interpretieren und Werten teilnehmen ließ - das bezeugen die abgedruckten Nachschriften, in denen man beim Lesen streckenweise Schleiermachers eigene Stimme zu vernehmen meint.
MARTIN OHST
FRIEDRICH SCHLEIERMACHER: Kritische Gesamtausgabe, hrsg. von H. Fischer u.a., II. Abteilung (Vorlesungen) Bd. 16: Vorlesungen über die kirchliche Geographie und Statistik, hrsg. von Simon Gerber. Walter de Gruyter, Berlin/New York 2005. 583 Seiten, 178 Euro.
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Überaus beeindruckt zeigt sich Rezensent Martin Ohst von diesem im Rahmen der Kritischen Gesamtausgabe der Werke Friedrich Schleiermachers (1768-1834) erschienenen Band, der die "Vorlesungen über die kirchliche Geographie und Statistik" des Theologen, Philosophen und Pädagogen präsentiert. Der von Simon Gerber herausgegebene Band bietet Ohst zufolge nicht nur eine "sehr sorgfältige" Vorlesungsnachschrift aus dem Jahr 1927, sondern auch Schleiermachers Kollegvorbereitungen. Ein großes Lob spendet er dem Herausgebers, der die schwer lesbaren Texte in mühevoller Kleinarbeit entziffert, Zitate und Exzerpte penibel nachgewiesen und wertvolle Verständnishilfen sowie eine informative Einleitung beigesteuert hat. Ohst betont, dass der Band nicht nur für Experten von Interesse ist. Denn mit seiner "Kirchlichen Geographie und Statistik" konzipiere Schleiermacher das, was sich im Verlauf des 19. Jahrhundert zur vergleichende Konfessionskunde entwickelte - eine Gesamtdarstellung aller christlichen Kirchentümer, die deren Frömmigkeit, Theologie und Verfassung in ihrer wechselseitigen Bezogenheit und in ihrem politisch-sozialen Kontext schildere. Schleiermachers konzeptioneller Zugriff auf den Stoff würdigt Ohst als "originell und bis heute bedenkenswert".

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"Die Bedeutung Schleiermachers für eine seriöse ökumenische Theologie ist bis anhin kaum hinreichend gewürdigt worden. Die - wirkungsgeschichtlich lange Zeit vernachlässigten - Ausarbeitungen des überaus vielseitigen Theologen zur 'kirchlichen Statistik' geben einer ernsthaften ökumenischen Verständigungsarbeit ihre empirische Basis." -- Eberhard Jüngel in: Neue Zürcher Zeitung 3/2006
"Als früher Vorläufer empirischer Religionssoziologie beschäftigt sie [die Ausgabe] sich im materialreichem Vergleich mit dem gegenwärtigen Zustand der Religionen und christlichen Kirchen weit über das alte Europa hinaus. In allen Bänden leiten die ''Historische Einführung'' und der ''Editorische Bericht'' verlässlich in Entstehungskontext, Editionsgeschichte und zeitgenössische Rezeption ein; die Texte werden mustergültig mit textkrit. und Sachapparat präsentiert und mit hilfreichen Verzeichnissen und Registern versehen."
Marion Schmaus in: Germanistik 3-4/2009

"Die Bedeutung Schleiermachers für eine seriöse ökumenische Theologie ist bis anhin kaum hinreichend gewürdigt worden. Die - wirkungsgeschichtlich lange Zeit vernachlässigten - Ausarbeitungen des überaus vielseitigen Theologen zur 'kirchlichen Statistik' geben einer ernsthaften ökumenischen Verständigungsarbeit ihre empirische Basis."
Eberhard Jüngel in: Neue Zürcher Zeitung 3/2006