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Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 03.08.2000

Den Leib sie sollen lassen stehen
Der Magus aus dem Süden: Wie Friedrich Christoph Oetinger Welt und Bibel las

Im Rahmen des umfangreichen Unternehmens der "Texte zur Geschichte des Pietismus" liegt nun als dritter Doppelband der Schriften Friedrich Christoph Oetingers dessen "Biblisches und Emblematisches Wörterbuch" von 1776 in einer durch Beigaben bereicherten und ausführlich kommentierten historisch-kritischen Neuausgabe vor, nachdem man sich bisher mit einem reprografischen Nachdruck behelfen mußte. Der Titel ist auf den ersten Blick irreführend; dieses Lexikon besteht aus zwei selbständigen Teilen: einem umfangreichen biblischen Wörterbuch, dem ein vorausgegangener kürzerer "Versuch" beigegeben ist, und einem wesentlich knapperen emblematischen Wörterbuch, dessen vornehmste Artikel den Wörtern Herz, Licht, Mensch, Opfer und Wurzel gewidmet sind; samt einem Anhang, in dem Oetinger seine Ansicht entwickelt, welche übertragene und welche eigentliche Bedeutung den Sinnbildern der Heiligen Schrift zukomme.

Und hier wäre weit auszuholen, denn dies rührt an einen Zentralpunkt in Oetingers Ansicht von Welt, Natur und Geschichte, zu deren Erläuterung er sich selber häufig auf Jakob Böhme und die Kabbala beruft. Es geht um die von ihm wieder und wieder beschworene und gegen die rationalistischen wie materialistischen, doch auch gegen die idealistisch spiritualisierenden Tendenzen der Aufklärung als ein christliches Panier hochgehaltene "Geist-Leiblichkeit". Auf Leiblichkeit läuft es bei der Schöpfung wie bei der Selbstoffenbarung Gottes hinaus; "Leiblichkeit ist das Ende der Werke Gottes", lautet das meistzitierte Diktum Oetingers aus dem neu aufgelegten "Wörterbuch". Und: "Der Geist besteht nicht ohne Leib." Deshalb gilt es, mit den "orientalischen" Bildern der Schrift so umzugehen, daß wir sie zwar je nach dem Kontext rektifizieren, ohne jedoch ihren massiven Realsinn auszuleeren oder wegzuräumen; eben um der Leiblichkeit willen.

Das Erste in Gott ist, nach Oetinger, nicht Sein, sondern Leben, und dieses Leben ist Selbstbewegung, die zur Offenbarung seiner Doxa, seiner Herrlichkeit drängt. "Herrlichkeit ist der Glanz und die Schönheit Gottes, aus seinem Leben ausgehend." Auf der Seite des Menschen entspricht dem der Drang zur Verherrlichung und die Freude daran. "Freude heißt die Ausbreitung der Lebens-Kraft in alle Glieder. Ein Christ sollte allezeit fröhlich sein, wenn er die neutestamentliche Herrlichkeit aus dem Tod Christi recht innen hätte."

Luther hat den Brief des Apostels Jakobus eine "stroherne Epistel" gescholten. Oetinger nennt ihn eine "mehr als goldbewährte Epistel", weil sie die "Freiheit des Geistes" anzeige, "ein Gesetz ohne Gesetze, das in keine Worte eingespannt werden kann". Und wie Jakobus will er, daß der Leser der Schrift, des Alten wie des Neuen Testaments, nicht allein ein Hörer, sondern ein "Täter des Worts" sei, das freilich der gemeinsamen Auslegung und fortschreitenden Erschließung bedarf. Da hat sich seither vieles dazwischengeschoben, und die von Oetinger angegriffenen demystifizierenden Exegeten behaupten das Feld. Was nicht verhindert, daß mancher schale Aufguß halbverstandener und von weit her entlehnter Geheimlehren, die er als Schwärmerei abgetan hätte, in leergeräumte Kavernen einsickert. Kaum ernstlich verbreitet ist die Lust, sich, nicht um der Wissenschaft willen, sondern der innerlichen Ausstattung und Beweglichkeit zuliebe, bei Paracelsus, Böhme oder Oetinger umzutun und ihren Spuren bei Goethe, Novalis, Franz von Baader und Schelling nachzugehen.

Friedrich Christoph Oetinger lebte von 1702 bis 1782; er starb als Prälat in Murrhardt und gilt zu Recht als der Magus und Wundermann unter den "Schwabenvätern". Drei seiner Hauptwerke sind inzwischen kritisch ediert worden, mit bewundernswürdiger (gelegentlich etwas ausufernder) Gründlichkeit. Als erster Band erschien 1977 "Die Lehrtafel der Prinzessin Antonia" von 1763, als zweiter 1979 die "Theologia ex idea vitae deducta" von 1765. Das abenteuerlichste Unternehmen, das die Herausgeber zu einem Kommentar von über 630 Quartseiten veranlaßte, sind wohl Oetingers Betrachtungen anläßlich des kabbalistischen Tafelwerks, das die württembergische Prinzessin Antonia 1673 in die Dreifaltigkeitskirche in Bad Teinach im Schwarzwald stiftete und das dort noch heute besichtigt werden kann. Es handelt sich um einen aufklappbaren Altarschrein mit figurenreichen allegorischen Darstellungen. Wer diese Bilderwelt kennenlernen will, wird dankbar den reichillustrierten Band zur Hand nehmen, den Otto Betz 1996 im Sternberg Verlag, Metzingen, unter dem Titel "Licht vom unerschaffnen Lichte" veröffentlicht hat; als Ergänzung auch zu Oetingers Betrachtungen "von der Wunder-Kraft Gottes in den Wasser-Quellen" und seinen "metaphysischen Erwägungen" über die Ausflüsse, die "Abglänze" Gottes nach dem "cabbalistischen System".

Dank dieser aufwendigen Neudrucke ist Oetinger wieder zugänglich und zum ersten Mal für heutige Leser erschlossen. Doch damit soll es nun auch, wie man zu seinem Bedauern aus dem Vorwort des "Wörterbuches" erfährt, bis auf weiteres sein Bewenden haben. Das ist schmerzlich und dürfte damit zusammenhängen, daß man sich vielleicht zu viel (für zu wenige) vorgenommen hatte. Ein einziges weiteres Hauptwerk Oetingers, seine "Inquisitio in sensum communem et rationem" (1753), liegt seit 1964 in einem Reprint vor, mit einer höchst lesenswerten Einführung von Hans-Georg Gadamer. An eine Übersetzung dieser Schrift hat sich noch keiner gewagt. Die "Theologia ex idea vitae deducta" wurde 1862 von Julius Hamberger übersetzt; ein Reprint dieser Übersetzung wäre dringend erwünscht. Weitere Desiderata bleiben "Die Wahrheit des Sensus Communis. In den nach dem Grund-Text erklärten Sprüchen und Prediger Salomo" (1754) sowie die elf Jahre später erschienene Schrift, die vielleicht von allen Werken Oetingers den meisten Anstoß erregte: "Swedenborgs und anderer Irrdische und himmlische Philosophie".

Nicht übergangen sei indessen, daß Oetinger ja nicht nur als spekulativer Theosoph, Kabbalist und Alchemist hervorgetreten ist, sondern daß er seit 1738 als Pfarrer gewirkt und eine ganze Reihe von Predigtwerken zum Druck befördert hat. Diese sind größtenteils, wenn auch gelegentlich in leicht bearbeiteter Gestalt, zugänglich und finden in württembergischen Gemeinden ihre Käufer und Leser. Oetingers Predigten hängen, wie man rasch erkennen wird, mit seinen übrigen Schriften, mögen diese auch noch so kraus anmuten, insofern zusammen, als er in seinen Pfarrkindern das Gleiche zu erwecken versucht wie in seinen Lesern; mit Hilfe und vermittels des Sensus communis, des "allgemeinen Wahrheitsgefühls", als des Organs, das uns befähigt, überall "das Einfachste, Nützlichste und Notwendigste", das zugleich das Leichteste ist, zu erkennen und zu leisten. Das Notwendigste freilich ist "die Richtigkeit des Herzens, rectitudo cordis". "Unsere Gedanken wollen ruhen in dem, wozu wir geschaffen sind, nämlich im leiblich-geistigen Genuß der Wahrheit."

Theologie emblematica - damit ist die Darstellung einer durchgehenden Analogie und Konkordanz von biblischem Wort, Natur und Geschichte gemeint. "Emblemata haben eine Übereinkunft mit den Sachen." Die biblischen Gleichnisse werden von Oetinger je nachdem als Metapher, Allegorie, Symbol, Sinnbild, Figur ("Fürbild") verstanden und unterliegen, nach dem von ihm erschlossenen (oder erstellten) Kontext, sehr verschiedenen Ausdeutungen, die manche verschlungenen Muster beschreiben. Die nachziehend und ausschreitend man, je länger, je vernehmlicher, zu spüren glaubt, wie ein Puls, ein pulsierender Atem ("Systole und Diastole") seine Rede, von einer heimlichen Mitte her, bewegt und in Schwingung versetzt. Wiederholt ist da auch bei ihm die Rede von einer "gleichsam musicalischen Verknüpfung der Begriffe", von einem "geistlich-musicalischen Verständnis der Wahrheit", das er der "geometrischen Genauigkeit" entgegensetzte und das zu praktizieren sein Anliegen war. Woraus sich für ihn, schwer nachvollziehbar, eine höhere Stringenz ergab, als die Weltweisen seines Jahrhunderts für sich beanspruchen konnten. Diese, Leibniz und Kant mit einbegriffen, fürchtete er, ebenso wie die "guten Herrn galants esprits", "alle zusammen so wenig als Irrwische; ich blase sie entzwei ... Meine Theologie enthält alles demonstrativ. Sie ist unüberwindlich."

FRIEDHELM KEMP

Friedrich Christoph Oetinger: "Biblisches und Emblematisches Wörterbuch". Teil 1 und 2. Herausgegeben von Gerhard Schäfer in Verbindung mit Otto Betz, Reinhard Breymayer, Eberhard Gutekunst, Ursula Hardmeier, Roland Pietsch, Guntram Spindler. Verlag Walter de Gruyter, Berlin 1999. XXXIX, 434 u. 364 S., geb., 480,- DM.

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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Diese historisch-kritische Neuausgabe des erstmals 1776 erschienen Wörterbuchs des bedeutenden Pietisten Friedrich Christoph Oetinger, bildet den vorläufigen Abschluss einer Editionsreihe, in der bisher drei seiner Hauptwerke neu aufgelegt wurden. Der Rezensent Friedhelm Kemp findet das schmerzlich, da noch einige wichtige Werke der Neuausgabe, gar der Übersetzung aus dem Lateinischen harrten. Viel zu wenig verbreitet scheint ihm auch der Wunsch, sich "der innerlichen Ausstattung und Beweglichkeit zuliebe" mit Oetinger zu befassen. Im (in der umfangreichen Rezension neben mehreren anderen) besprochenen Buch werde die "Theologia emblematica" des Autors entfaltet, deren Grundthese von einer Übereinstimmung von Emblemen und Dingwelt ausgehe und zu einem 'geistlich-musicalischen Verständnis der Wahrheit' gelange. Dass Oetinger von dem aufklärerischem Gedankengut gegenüber "höherer Stringenz" seiner Theorien überzeugt gewesen sei, hat den Rezensenten dann aber offenbar doch nicht überzeugt.

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