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Kein Buch wurde häufiger übersetzt als die Bibel; sie existiert in 2817 Sprachen. Karl-Heinz Göttert erzählt in seinem unglaublich spannenden Buch 'Luthers Bibel. Geschichte einer feindlichen Übernahme' nun die Geschichte dieser Übersetzungen. Von den Fragen nach den hebräischen und griechischen "Originalen" über die Septuaginta und die Vulgata zeigt er, wie die Bibelübersetzungen die Sprachen prägten, die Kultur beeinflussten und mit welchen Strategien die Übersetzer ihre Theologie durchzusetzen versuchten - bis zur Jahrtausendübersetzung Luthers, die den Prozess der christlichen…mehr

Produktbeschreibung
Kein Buch wurde häufiger übersetzt als die Bibel; sie existiert in 2817 Sprachen. Karl-Heinz Göttert erzählt in seinem unglaublich spannenden Buch 'Luthers Bibel. Geschichte einer feindlichen Übernahme' nun die Geschichte dieser Übersetzungen. Von den Fragen nach den hebräischen und griechischen "Originalen" über die Septuaginta und die Vulgata zeigt er, wie die Bibelübersetzungen die Sprachen prägten, die Kultur beeinflussten und mit welchen Strategien die Übersetzer ihre Theologie durchzusetzen versuchten - bis zur Jahrtausendübersetzung Luthers, die den Prozess der christlichen Vereinnahmung der heiligen Schriften der Juden auf den Gipfel treibt. Nebenbei zeigt sich, wie die Übersetzung der Bibel unsere Vorstellungen von Kritik und Aufklärung, Treue und Fälschung, Rationalität und dem, was Sprache leisten kann, entscheidend geprägt hat.
Autorenporträt
Göttert, Karl-HeinzKarl-Heinz Göttert, geboren 1943, studierte Geschichte und Deutsch an der Universität zu Köln, promovierte und habilitierte sich dort und lehrte ebenfalls dort bis zu seiner Emeritierung als Professor für Ältere Deutsche Literatur. Im S.Fischer Verlag ist zuletzt 'Abschied von Mutter Sprache. Deutsch in Zeiten der Globalisierung' (2013) erschienen sowie 'Mythos Redemacht. Eine andere Geschichte der Rhetorik' (2015).
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 21.03.2017

Allein aus
dem Wort
Karl-Heinz Göttert erzählt die
Geschichte der Bibelübersetzungen
– und kritisiert den Übersetzer Luther
VON STEPHAN SPEICHER
Im September 1522 erschien die erste Bibelübersetzung Martin Luthers, die des Neuen Testaments. Im Nu war sie vergriffen, bei einer Auflage von 3000 bis 5000 Exemplaren. Zu Weihnachten erschien eine Neuauflage, das sogenannte Dezembertestament. Mitte 1523 kamen die fünf Bücher Mose heraus, die weiteren Bücher des Alten Testaments folgten zügig; 1534 erschien die erste Vollbibel, „Biblia: Das ist: Die gantze Heilige Schrifft...“ Bis Luthers Tod 1546 rechnet man mit 430 Teil- und Gesamtausgaben, mit einer halben Million Lutherbibeln – und dies bei 12 bis 15 Millionen Deutschen.
Das sind unfassliche Zahlen, vergegenwärtigt man sich die Rahmenbedingung. Reinhard Wittmann schätzt in seiner „Geschichte des deutschen Buchhandels“ die Alphabetisierungsrate um 1500 auf ein bis zwei Prozent: es waren nur etwa 300 000 Deutsche, die überhaupt lesen konnten. Deren katholisch gebliebener Teil fiel als Luther-Leser weitgehend aus. Wie können so viele Bibeln verkauft worden sein, wo doch der Buchmarkt gerade in einer Flaute steckte? Manche Gläubige werden verschiedene Ausgaben gekauft haben, insbesondere Teilausgaben. Aber es muss auch welche gegeben haben, die nicht der Lektüre willen, sondern aus Verehrung für die heilige Schrift ein Exemplar kauften. Und im Übrigen wurde alles Nichtreformatorische zu Ladenhütern, die Humanisten wie die Klassiker. 1524 setzte der Drucker Johann Froben kein einziges Exemplar des Augustinischen „Gottesstaates“ mehr ab.
Luthers Bibelübersetzung ist in der deutschen Religions-, Literatur-, Sprach-, Buchhandels- oder schlicht: Kulturgeschichte nicht leicht zu überschätzen. Nun hat ihr der Kölner Germanist Karl-Heinz Göttert eine neue Darstellung gewidmet: „Luthers Bibel. Geschichte einer feindlichen Übernahme“. Dabei gibt das Buch sogar mehr, als der Titel verheißt, nämlich eine Geschichte der Bibelübersetzung, die mit den Anfängen einsetzt, der Septuaginta, der griechischen Version der kanonischen Schriften des Judentums, die von etwa 200 v. Chr. an in Alexandria entstand, und der Vulgata, der lateinischen Bibel, die der Kirchenvater Hieronymus schuf.
Es gehört zu den Mythen, die sich um Luther gebildet haben, dass die Kirche zuvor den Laien die Bibellektüre verboten habe. In der Tat hat es Übersetzungsverbote gegeben, die Synode von Tarragona 1234 spricht ein solches Verbot für die romanischen Sprachen aus. Aber die Generallinie war es nicht. Papst Johannes VIII. empfiehlt um 880 die Bibellektüre in den Volkssprachen, denn von Gott, der die drei Hauptsprachen Hebräisch, Griechisch und Lateinisch geschaffen hat, stammen auch die anderen. Das Laterankonzil 1215 macht die Bibellektüre sogar zur Pflicht. Deutschland zeigt sich speziell pflichteifrig. Die erste vollständige Übersetzung der Bibel in eine Volkssprache entsteht hier im frühen 14. Jahrhundert, ohne dass man Näheres über die Umstände wüsste. Die Sprache kommt einem noch ungelenk vor, sie neigt zur Aneinanderreihung von Hauptsätzen; Strukturen aus Haupt- und Nebensätzen, woraus die logischen Verhältnisse des Gesagten klar würden, fallen dem Übersetzer schwer. Aber die Zitate machen Freude, so das aus dem Weihnachtsevangelium: „Wann es wart gethan in den tagen, ein gebot gieng aus von dem keiser august: das aller der umbring (der ganze Weltkreis, lateinisch: universus orbis) wurd beschriben.“ Die „Wenzelsbibel“ (1390 –1400) ist berühmt für ihre großartigen Illustrationen, aber sie hat auch sprachlich etwas zu bieten. Das 1. Buch Mose beginnt so: „IN anegenge schepfte got himel und erde. Die erde was aber vnnütz und lere und vinsternüsse warn auf der gestalt der abegrund und gotes geist wart gefurt auf den wassern.“ Dass die Erde „unnütz“ war (lateinisch: inanis), das macht doch eine Pointe.
Dann setzen auch schon bald die ersten Bibeldrucke ein und auch solche in deutscher Sprache. Von neuen großen Übersetzungsleistungen ist nicht zu berichten, aber davon, dass es eine Reihe solcher Drucke gab, 14 hochdeutsche, vier niederdeutsche; „im weiteren Europa ohne jede Parallele“, wie Göttert schreibt. Und er zitiert das „Narrenschiff“, die Satire des Sebastian Brant: „Alle Länder sind jetzt voller heiliger Schriften“ – und zugleich voller Sünden und Narrheiten. Luthers Behauptung, die Schrift habe während der papistischen Herrschaft „unter der Bank gelegen“ und er selbst erst habe sie ans Licht gebracht, ist Selbstreklame. Und doch ist richtig, dass er sie gewaltig popularisierte, mit seiner Sprache und dem günstigen Preis.
Dass Luther das Neuhochdeutsche geradezu geschaffen habe, das wird man heute nicht mehr behaupten. Dass er ihm neue Möglichkeiten zeigte, das steht auch für Göttert nicht infrage. Luther hat eine Syntax von bis dahin ungekannter Geschmeidigkeit geschrieben. Er hat den Wortschatz bereichert um Wörter wie „Lückenbüßer“, „Feuereifer“ oder den „Buchstabilisten“, womit er im „Sendbrief vom Dolmetschen“ den Anhänger einer falschen Wortwörtlichkeit bezeichnete. Er hat eine neue Sorgfalt im Sprachlichen durchgesetzt, wenn er von Auflage zu Auflage den Text wieder durchsah und verbesserte. Das ist auch sofort gesehen und (gelegentlich unwillig) anerkannt worden. „Deshalb auch das gemeine Volk mehr Lust hat, darin (der Lutherschen Übersetzung) zu lesen, und unter den süßen Worten die Angel schluckt, ehe sie dessen gewahr werden.“
Aber Göttert interessiert sich fast mehr als für die sprach- und literaturgeschichtliche Seite für die der Theologie. Er erkennt bei Luther den Versuch, mithilfe der Übersetzung seine Deutung der Bibel durchzusetzen und wählt dazu ein Beispiel, das Luther selbst schon diskutiert hat, das berühmte sola fide: „allein aus dem Glauben“ werde der Mensch vor Gott gerechtfertigt. Grundlage ist der Römerbrief (3,28), „das der Mensch gerecht werde / on des Gesetzes werck / alleine durch den Glauben“. Das „alleine“ ist Zutat Luthers, es findet sich im Original nicht.
Doch im „Sendbrief vom Dolmetschen“ hat er seine Übersetzung begründet. So spreche man nun mal im Deutschen, etwa wenn man sage, „der Bauer bringt allein (nur) Korn und kein Geld“. Und hier wird Luther recht haben, alle Übersetzungen vor ihm machen es ebenso. Und doch sieht Göttert den Missbrauch der Übersetzerautorität. Es sei eben nicht die Bibelübersetzung, sondern Luthers, zur Beförderung seiner neuen Theologie.
Das ist nun gewiss richtig, aber auch wenig bemerkenswert. Luther selbst hat es ausgesprochen, wieder im „Sendbrief“: „Es ist mein Testament und meine Dolmetschung und soll mein bleiben und sein.“ Aber Göttert ist ein anderer Punkt noch wichtiger, den er im Untertitel schon ankündigt: die „Geschichte einer feindlichen Übernahme“. Das betrifft die Übersetzung des Alten Testaments, der Hebräischen Bibel, die Luther christologisch übersetzt, wo er die Vorausdeutung des Neuen Testaments erkennt. So heißt es in der Vorrede auf den Psalter, der solle schon deshalb dem Leser teuer sein, „das er von Christus sterben und aufferstehung / so klerlich verheisset vnd sein Reich vnd der gantzen Christenheit stand vnd wesen furbildet.“ Damit werde den Juden die Autorität über die heiligen Schriften entwunden.
Göttert sieht hier eine gewisse Siegermentalität wirken, da mag man ihm nicht widersprechen. Nur dass Übersetzen anders kaum denkbar ist. Man übersetzt, weil man etwas für wichtig hält, dem eigenen Leben förderlich. Überhaupt ist das Schreiben ganz ohne Hierarchie nicht möglich, Hans-Georg Gadamer, der Philosoph der Hermeneutik, spricht von dem grundsätzlichen Vorrang des Textes (und dessen Autors) vor dem Leser. Und da nun mal das Neue Testament sich auf das Alte bezieht, ist es dem frommen Christen kaum möglich, die Hebräische Bibel in ihrer spezifisch jüdischen Bedeutung zu lesen.
Hinter Götterts Kritik an Luthers Übersetzen und dem Verhältnis zur Hebräischen Bibel steht die Idee einer historischen Wahrheit. Aber Luther interessierte sich für die systematische Wahrheit, die Antwort auf die für ihn wichtigste aller Fragen: Wie finde ich einen gnädigen Gott? Um es zuzuspitzen: Göttert kritisiert den mangelnden Historismus Luthers und trifft damit etwas, ist aber selbst unhistorisch. Das wird dem Autor klar sein, aber er findet im Buch aus dem Gestus der Anklage nicht recht heraus – was ein Einwand ist, der nicht davon ablenken soll, dass Luthers Antijudaismus in seiner Aggressivität und Vulgarität abscheulich ist.
Und doch ist die Bibelübersetzung eine ungeheure Leistung, die ausstrahlte über den deutschen Raum hinaus. William Tyndale studierte in Wittenberg, er übersetzte unter Luthers Einfluss die Bibel, seine Fassung liegt zu fast vier Fünfteln der King James Bible zugrunde, die auch das amerikanische Christentum prägte und die englischsprachige Mission. So hatte nicht allein die Reformation, sondern auch die Lutherbibel eine Weltwirkung.
Luther schrieb eine Syntax
von bis dahin ungekannter
Geschmeidigkeit
„Es ist mein Testament und
meine Dolmetschung und
soll mein bleiben und sein.“
Karl-Heinz Göttert: Luthers Bibel. Geschichte einer feindlichen Übernahme.
S. Fischer Verlag,
Frankfurt am Main 2017.
512 Seiten, 26 Euro.
E-Book 22,99 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
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Aus der Beschäftigung mit Luthers Bibel [...] erwächst schließlich eine spannende Geschichte des Übersetzens [...] Auch deshalb ist die Lektüre von Götterts Buch erhellend und lohnenswert. Niels Beintker Bayerischer Rundfunk 20170422