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Dirk von Petersdorff nimmt die Gegenwart in den Blick, fängt das Schnelllebige ein: Seine Sprache scheut vor nichts zurück, ist komisch und frech, schlägt verspielt Kapriolen, sinniert und phantasiert. Das Triviale und das Abgründige, die flüchtige Beobachtung des Alltäglichen und die Bodenlosigkeit der Existenz, skizziert mit leichter Feder und kräftigen Strichen die Kontingenz der Aktienkurse und die "Kälte, ganz innen, die niemand versteht".

Produktbeschreibung
Dirk von Petersdorff nimmt die Gegenwart in den Blick, fängt das Schnelllebige ein: Seine Sprache scheut vor nichts zurück, ist komisch und frech, schlägt verspielt Kapriolen, sinniert und phantasiert. Das Triviale und das Abgründige, die flüchtige Beobachtung des Alltäglichen und die Bodenlosigkeit der Existenz, skizziert mit leichter Feder und kräftigen Strichen die Kontingenz der Aktienkurse und die "Kälte, ganz innen, die niemand versteht".
Autorenporträt
Dirk von Petersdorff,1966 in Kiel geboren, lebt in Saarbrücken und lehrt dort Germanistik. Seinerersten Lyriksammlung "Wie es weitergeht" folgten zwei weitere Gedichtbände, "Zeitlösung" und 1999 "Bekenntnisse und Postkarten". Zuletzt publizierte er den Essayband "Verlorene Kämpfe". 1991 erhielt er den Förderpreis des 'Literarischen März', 1998 wurde er mit dem Kleist-Preis ausgezeichnet, 2000 mit dem Preis der LiteraTour Nord
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 06.06.2005

Hörst du den Herzgong?
Dirk von Petersdorffs Gedichtband „Der Teufel von Arezzo”
Seit längerem bemüht sich Dirk von Petersdorff als Lyriker, Essayist und Literaturwissenschaftler darum, das Gedicht, nein, bestimmt nicht, zu „revolutionieren”, sondern eher schon: es zu ent-revolutionieren. Das Prinzip Avantgarde habe ausgedient, hat er in seinem im Jahre 2001 erschienenen Essayband „Verlorene Kämpfe” nicht als Erster festgestellt; und nicht minder obsolet sei, fand er, die nun schon gut 200 Jahre alte deutsche Kunstreligion mit ihrem fatalen Hang zum Dichterpriestertum. Statt eines Revolutionsmodells der Dichtung schlug Petersdorff in seinen Essays ein Renaissancemodell vor. „Hinter und vor uns”, schrieb er, „liegen die weiten Kammern, die Arsenale mit den glitzernden Formen der Kunst.”
Jeder möge doch prüfen, was aus diesen Arsenalen für seine Zwecke verwendbar sei. Alles ist erlaubt, wenn es nur gut gemacht ist und wenn es die Fülle des Lebens und der Literatur zum Ausdruck erweckt, so etwa ließ sich Petersdorffs Programm zusammenfassen. Und er ließ dazu seine eigenen Gedichte sprechen, mal kurze, vom Barock inspirierte Embleme, mal lange, erzählende Prosagedichte, die ein erhebliches Maß an Kunstverstand und guter Laune zu erkennen gaben.
Wasserluft und Kamille
Weil Dirk von Petersdorff die Lyrik nicht revolutionieren will, kann man von seinem neuen Gedichtband nicht erwarten, er werde mit vollkommen neuen „Positionen” aufwarten. An seiner Auffassung, dass erst jenseits der modernistischen Labor- und Verfahrens-Dichtung die Lyrik von heute anfange und dass diese sich einen zwangloseren Umfang mit literarischen Vorbildern und theoretischen Imperativen leisten dürfe, sind Korrekturen auch nicht erforderlich. Jetzt gibt es einen neuen Gedichtband von Dirk von Petersdorff, er heißt „Die Teufel in Arezzo”, und er enthält neben dem Zyklus „Aus dem Leben des Franziskus” eine Reihe „Neuer Embleme” sowie die Rubriken „Lobgedichte”, „Reisebilder” und „Rätsellied”. Mehrheitlich nehmen die Gedichte, wie man sieht, Bezug auf hergebrachte, meist einfache lyrische Formen. Die Formproduktion stellt sich hier nicht als etwas Schweres dar, als Laborversuch oder Trip ins Unbewusste, sondern als eine flügelleichte Anverwandlung von etwas schon Dagewesenem. Fraglos geht vieles dabei auf „eigene Erlebnisse” zurück, aber was wäre an Erlebnissen wie denen in Petersdorffs „Liebeslied” im strengen Sinne eigen? „Liebeslied / Der Herz-, der Sonnengong. Auf steiler Küste, / Wasserluft-Kamille-Gemisch./ Prise Segel in der Bucht. / Die Sandlinie / kurvt ins Land -... (...) So spielt der Wind / mit dem Meer. Alles gut. / Du. Alles da. Der Herzgong.”
„Alles da”, „Alles gut”, man sieht, wie der Autor hier fast trotzig eine Welt beschwört, in der es an nichts fehlt, eine Welt des ästhetischen und erotischen Überschusses. Und er ist natürlich skeptisch genug, um jenen Aura-Moment nicht ins Weihevolle abdriften zu lassen: „Nennt es, wie ihr wollt.” „Kleine Philosophie des Schönredens” heißt ein anderes Gedicht. Gleich in der ersten Strophe macht sich Petersdorff hier über „Melancholie-Projekte, chic, /das Trauer-Gehäkel” lustig, um etwas weiter unten sein Credo dagegen zu halten: „Ich will loben, gut sehen, schön machen, / raffe auf die Jalousie: / Pflaumenlicht, und schon, ihr Sachen, / fließt Lob-Energie.” Beim Studium der älteren Literatur, wie Petersdorff sie ausgiebig betrieben hat, begegnet man eben nicht nur der Kunst des lyrischen Trauerns, sondern auch einer Kultur der Freude, des Lobs, der Selbstvergessenheit und Selbsthingabe, Daseinsgesten also, die heute oft nur noch in trivialer Gestalt überdauern.
Ein Ball des falschen Glücks
Manche von Petersdorffs Gedichten ziehen ihren Reiz daraus, dass sie diese älteren Sprachgesten unvermittelt auf die Gegenwart loslassen (ähnlich, wie es Hans Magnus Enzensberger in vielen seiner Gedichte tut). So kann es sein, dass sich irgendwo in einem Hotelzimmer beim Nachrichtenschauen die Tonspur der Tagesaktualitäten mit der barocken Weheklage von Gryphius oder Paul Gerhardt kreuzt: „Bundeskanzler Schröder hat heute erklärt, / Schröder hat dementiert. / Merkel: „Es ist genug.” / Schröder: „Was sind wir Menschen doch. / Ein Ball des falschen Glücks.”
So leichtfüßig und geistreich lesen sich die meisten Gedichte dieses Bandes. Schwerwiegendes kommt schon deshalb selten zur Sprache, weil hier kein lyrisches Subjekt sprachschöpfend und weltsondierend an der Arbeit ist oder, besser wohl: scheint. Die Eleganz dieser Gedichte, ihre Leichtigkeit, ihr Spott auf alles Rigorose können nicht darüber hinweg täuschen, dass auch der virtuose Traditions-Remixer Dirk von Petersdorff mit jedem seiner Gedichte aufs Ganze geht.
Gerade er will ja kein Epigone sein, so wie es in seinen Augen die Nachlassverwalter eines müde gewordenen Modernismus sind. Gerade er will uns ja die Welt frisch und verführerisch vor Augen stellen, und dies in einer Sprache, die zwanglos aus dem Ältesten und aus dem Allerneuesten schöpft. Und das ist Dirk von Petersdorff in den meisten seiner neuen Gedichte weiß Gott gut gelungen.
CHRISTOPH BARTMANN
DIRK VON PETERSDORFF: Der Teufel in Arezzo. Gedichte. S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2004. 96 Seiten, 17,90 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 28.07.2005

Aus dem großen grauen Sack
Jeder Griff ein Kniff: Dirk von Petersdorffs Gedichte

Was wäre wohl das Leben ohne Müllabfuhr? Ganz sicher hat Abfallbeseitigung etwas notwendig Erleichterndes, Befreiendes, vielleicht sogar Erlösendes, ohne dessen reguläre Wiederkehr die Gegenwart schon längst in alten Hinterlassenschaften erstickt wäre. Und dennoch sind es gerade jene abgelegenen Winkel, die niemals besenrein gehalten werden und so die Reste des Vergangenen dem Zugriff der Entsorgungsprofis still entziehen, wo sich die interessantesten Entdeckungen machen lassen. Das Aufgeräumte mag für Prosa taugen, zum Dichten aber lädt das Abgefallene ein.

"Ja, Tassen, Zettel, Milka, Mails / und Stifte, Photos, Salmiak: / Wo kommt das her, man findet nichts / und greift zu einem grauen Sack." So lautet die erste Strophe eines Achtzeilers mit dem Titel "Aufräumen" in Dirk von Petersdorffs Gedichtband "Die Teufel in Arezzo". Fast klingen diese Verse wie die Selbstbeschreibung eines Autors, der offensichtlich gerne alte Zettelkästen durchstöbert und allenthalben Schnappschüsse und Wortschnipsel aufsammelt, um in den Überbleibseln einer großen Tradition womöglich noch Verwertbares zu finden oder sich daraus etwas zu basteln. "Sternendinge" heißt dann so ein Text und kündigt sich im Untertitel gleich als "Stefan-George-Remix" an. Ein anderer heißt "Bierlied mit Benn" und stellt sich, ohne alle Scheu vorm Kalauer, der ganz eigenen Herausforderung, in sieben Strophen so viele Reimworte wie möglich auf diverse Biersorten zu finden. Zwar sind die Restposten bei weitem nicht in jedem Fall so deutlich ausgezeichnet, doch als Leser steht man ständig vor der Frage, wessen Satzbruchstücke wohl jeweils recycelt werden. "Sie haben meine Kleider unter sich geteilt", "Am Grunde der Moldau wandern die Steine", "Was sind wir Menschen doch. / Ein Ball des falschen Glücks", "Komm eilet und laufet ihr flüchtigen Füße": Wo kommt das her? Die dringendere Frage wäre wohl, wohin das alles will.

Sie bleibt bei der Lektüre offen. Es überwiegt der Eindruck, daß hier das Geborgte und Geborgene sich schon selbst genügt. In sechs Gruppierungen sind die Gedichte angeordnet, eine davon trägt den Titel "Kenne dich selbst". Doch alle Selbsterkenntnis verliert sich schnell in Fremdverweisen, weil bereits die Sprachform, die sie wählt, das Bewährte nur um den Preis wahren kann, daß jedes Neue oder Eigene darin verlorengeht. Natürlich ist der Kleist-Preisträger Dirk von Petersdorff ein überaus versierter Dichter. Dabei scheint es allerdings kaum von Belang zu sein, ob er seine aktuellen Bricolagen kreuzbrav reimt, als Sonette, Elegien und Balladen, oder auch als knappe Prosaskizzen präsentiert - zumeist sorgt hier die spürbar selbstbewußte Geste des Präsentierens schon dafür, daß man dem Formenreichtum dieser Lyrik nicht recht trauen mag. Jeder Griff ein Kniff. Was von Petersdorff so alles aus dem Ärmel schüttelt, stammt wohl aus jenem "grauen Sack", zu dem er gerne greift.

Das Titelgedicht gehört zum ersten Abschnitt seines Bandes, der einige Episoden "Aus dem Leben des Franziskus" nachdichtet, um dabei dieser Heiligenvita das Erbauliche durch nüchternen Berichtston auszutreiben. Das Verfahren kennt man spätestens seit Brecht. Allerdings vermittelt Dirk von Petersdorffs Neufassung der Legenden eher ein Gefühl von sachter Sehnsucht nach dem ganzen alten Zauber. Wenn jedenfalls der heilige Franz für die bekannte Teufelsaustreibung sorgt - "Mit einem Sausen in der Luft / und am Ende einem Ploppen / ist der ganze Spuk verpufft" -, stellt uns der Text unausgesprochen vor die Frage, ob Arezzo nicht zuvor ein ungleich interessanterer Ort gewesen ist. Wieder kann man dies als Selbstbefragung eines Autors lesen, der, von den großen Geistern einer Tradition besessen, ihren Spuk nur um den Preis der Selbstverpuffung unterbinden kann. Teufelsfrei läßt es sich in Arezzo sicher leichter leben, aber schlechter schreiben: ein Ploppen macht noch lange kein Gedicht.

Die stärkste Wirkung hinterlassen daher solche Texte, deren Worte wie mit kleinen Widerhaken sich an konkrete Wirklichkeiten kletten. "Reisebilder" heißt ein Abschnitt, der zwölf Momentaufnahmen eines Durchreisenden festhält. Natürlich sind auch hier keine unverstellten Blicke und Beobachtungen möglich, denn jede neuerliche Erkundung vollzieht sich wiederum entlang gebahnter Pfade - das deuten bereits Titel wie "Wanderungen in den Vogesen" oder "Landstraße, Wind, Anaximenes" an. Doch oftmals reibt sich dabei vorgeformte Sprache an einer vorgefundenen Realität und setzt so ungleich größere Energien frei als die sonstigen literarischen Wiederaufbereitungsmaßnahmen.

Das aber bleibt die Ausnahme. Für die Mehrzahl der Gedichte dieses Bandes stellt die zweite Strophe von "Aufräumen" nicht nur die treffendere Diagnose, sondern auch schon die entscheidene Frage: "Da wächst und wuchert das Kleinklein / aus Jobs und Lust, man muss, man will - / und weiß nicht mehr, soll ich das sein?" Man wüßte es wirklich gerne.

TOBIAS DÖRING

Dirk von Petersdorff: "Die Teufel in Arezzo". Gedichte. S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2004. 96 S., geb., 17,90 [Euro].

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Ein postmodernes Pathos, ein lyrischer ExistenzialismusHarald Hartung, FAZ

Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension

"Bisher ist der Lyriker Dirk von Petersdorff eher als ironie- und dekonstruktionsfreudiger Luftikus und Erbe Enzensbergerscher Leichtigkeit aufgefallen, stellt der Rezensent Michael Braun fest. Diesmal aber zeige er sich, teilweise zumindest, von einer anderen Seite. Der hohe Ton wird keineswegs verschmäht, formal dichtet Petersdorff auffallend traditionell, es finden sich: "Sonett, Volksliedstrophe, Emblem", ohne Scheu vor der Idylle. So ganz geht der neue Ernst aber doch nicht mit rechten Dingen zu, räumt Braun ein: Die "diskreten Ironisierungen der Szenerie" bleiben zuletzt kaum einmal aus. Man wird das Gefühl nicht los, dass der Rezensent das, obwohl er es so klar nie sagt, eher bedauerlich findet.

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