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Das Leben ist ein Verhängnis. Noch in der Hochzeitsnacht wird Ariah zur Witwe. Spurlos verschwindet ihr Mann in den Tiefen der Niagarafälle. Aber für Ariah fließt der Lebensstrom weiter, sie verliebt sich und gründet eine Familie - und dann schlägt das Schicksal noch einmal zu. Auch ihr zweiter Mann kommt auf mysteriöse Weise um. Jahrzehnte später decken die Kinder das Drama der Eltern auf: dunkle Geheimnisse, Betrügereien und verletzte Gefühle.
Mit der Gewalt der Wasserfälle inszeniert Joyce Carol Oates die amerikanische Familie in der Krise und verbindet bravourös fesselnde Spannung mit verstörendem Tiefgang.
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Produktbeschreibung
Das Leben ist ein Verhängnis. Noch in der Hochzeitsnacht wird Ariah zur Witwe. Spurlos verschwindet ihr Mann in den Tiefen der Niagarafälle. Aber für Ariah fließt der Lebensstrom weiter, sie verliebt sich und gründet eine Familie - und dann schlägt das Schicksal noch einmal zu. Auch ihr zweiter Mann kommt auf mysteriöse Weise um. Jahrzehnte später decken die Kinder das Drama der Eltern auf: dunkle Geheimnisse, Betrügereien und verletzte Gefühle.

Mit der Gewalt der Wasserfälle inszeniert Joyce Carol Oates die amerikanische Familie in der Krise und verbindet bravourös fesselnde Spannung mit verstörendem Tiefgang.
Autorenporträt
Joyce Carol Oates, geb. 1938 in Lockport (NY), zählt zu den bedeutendsten amerikanischen Autorinnen der Gegenwart. Für ihre zahlreichen Romane und Erzählungen wurde sie mehrfach ausgezeichnet, unter anderem mit dem National Book Award. Joyce C. Oates lebt in Princeton, New Jersey, wo sie Literatur unterrichtet. Im Jahr 2012 erhielt sie den Blue Metropolis Literary Grand Prix.

Silvia Morawetz, geb. 1954 in Gera, studierte Anglistik, Amerikanistik und Germanistik und ist die Übersetzerin von u.a. Janice Galloway, James Kelman, Hilary Mantel, Joyce Carol Oates und Anne Sexton. Sie erhielt Stipendien des Deutschen Übersetzerfonds, des Landes Baden-Württemberg und des Landes Niedersachsen.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 19.07.2007

Wenn das Drahtseil zittert
Drachenmütter, Untergänge: Joyce Carol Oates und ihr Familienroman „Niagara”
Ariah ist keine vierundzwanzig Stunden mit ihrem Mann Gilbert Erskine verheiratet, da stürzt er sich in die Niagarafälle. Es folgt eine minutiöse Recherche, was den jungen Pfarrer dazu bewogen hat, weit hinein in die Vergangenheit dieses verklemmten Paares, das sich nicht lieben kann und dessen Hochzeitsnacht für Erskine zu einem Fest des Ekels wird, dessen Scham er nicht überleben will. Dramatisch geht es weiter, als der Anwalt und Lebemann Dirk Burnaby ausgerechnet Ariah heiraten will, um die er sich nach dem Tod ihres Mannes gekümmert hat. Sein Vorfahr war Reginald Burnaby, der im neunzehnten Jahrhundert auf einem Drahtseil über den Niagara ging und tödlich stürzte. Jetzt ist es Burnabys schönheitsoperierte Drachenmutter, die ihn und Ariah zu Fall bringen könnte.
Joyce Carol Oates erzählt atemlos, die Ereignisse des Romans überbieten sich in ihrer Drastik und fürchten sich nicht, Sensationen am laufenden Band zu sein. Die Metapher für ihr Verfahren bietet Oates gleich mit dem Romantitel an: Der Roman „Niagara” stürzt vorwärts wie ein Wasserfall, und was dem Roman an Ökonomie zu fehlen scheint, das will Oates durch Gewalt, Pathos und die Vielzahl der Ereignisse wettmachen. Ihr Roman wartet mit einer Überfülle an Information und Emotion auf. Der Selbstmord wird geradezu obsessiv analysiert, aus Sicht Ariahs, des Brückenwärters, des Portiers, der Ariah auf der Suche nach ihrem Mann begleitet, nicht zuletzt aus der Perspektive des Selbstmörders. Diese Poetik der melodramatischen Fülle erzeugt einen starken Sog und beeindruckt durch die Entschlossenheit, mit der die Autorin sich der leidig-verbreiteten Art verweigert, die Angemessenheit von Pathos grundsätzlich zu leugnen. Kraft und Mut sind es, die einen für „Niagara” einnehmen, Qualitäten, die man auch an schlechten Menschen wie Richard III. bewundern kann. „Niagara” ist kein schlechtes Buch, aber es hat seine schlechten Seiten. Oates’ Sprache wirkt an vielen Stellen abgenutzt, Vergleiche sind ungenau oder wirken gewollt.
Unaufgeklärte Gerüchte
Die Genres aber kombiniert Oates virtuos, etwa wenn die Familiengeschichte sich plötzlich in einen Umweltthriller verwandelt. Während der erste Teil des Romans den Tod Erskines und die Heirat schildert, berichtet der zweite von der Ehe Ariahs mit Dirk Burnaby bis hin zum Untergang des Anwalts, an dem der Prozess um den sogenannten „Love Canal” schuld ist.
Dieser Prozess hat ein historisches Vorbild. Es geht um Giftmüll, den die an den Niagarafällen zahlreich vertretenen Chemiefabriken in einer Grube verklappt haben, um das Land unter dubiosen Bedingungen zu verkaufen. Eine Schule wird darauf gebaut, und bald beginnt eine Reihe von Klagen der Anwohner, die Fehlgeburten erleiden, Leukämie bekommen, und in deren Bezirk fast jede erdenkliche Krankheit verbreiteter ist als im restlichen Land.
Burnaby hilft einer jungen, erkrankten Frau vor Gericht und verliert nicht nur das Vertrauen seiner neurotischen Frau, die ihn als Ehebrecher abstempelt, sondern auch den Prozess. Sein Geld hat er fast ganz aufgebraucht, die Ehre verloren, denn wer in Niagara gegen die Chemie-Industrie klagt, vergisst, dass im Paradies der Niagarafälle alles von ihr diktiert wird. Schließlich kommt Burnaby bei einem mysteriösen Autounfall ums Leben. Im dritten Teil des Buchs recherchieren die Kinder, was mit ihrem Vater wirklich passiert ist. Wie in den ersten beiden Teilen wechselt von Kapitel zu Kapitel die Perspektive von einem Charakter zum nächsten.
Einige der effektvollsten Momente gelingen Oates durch den Kunstgriff, manche der von ihr gestreuten Gerüchte nie aufzuklären. Je gesättigter die Erzählung mit solch unsicherer Information, desto schwankender der Boden, auf dem sich der Leser bewegt, desto größer die Zahl alternativer Wahrheiten in seinem Kopf. Das kann eine Geschichte in lauter Vagheit auflösen, doch Oates findet die richtige Balance. Sie nutzt diese Balance vor allem zur Inszenierung des Unheimlichen. „Niagara” kreist um einen Fluch, der angeblich auf Ariah liegt, also um ein typisches Mysterienelement. Ist etwas dran? Und ist dieser Fluch identisch mit der Vorbestimmtheit durch die Familie, einer Vorbestimmtheit, die „Gesetze der Serie” hervorbringt?
Erst stirbt Ariahs Ehemann Reverend Erskine, dann Dirk Burnaby. Trauert Ariah nach dem Selbstmord ihres ersten Mannes als „Witwe von den Niagarafällen” am Wasser, so taucht nach Burnabys Tod eine „Frau in Schwarz” auf, die wie ein Gespenst die Niagarafälle heimsucht. Ariahs Kind Chandler ähnelt auf unheimliche Weise Reverend Erskine, der Sohn Royall ist eine Reinkarnation von Dirk Burnaby, und Juliet verhält sich wie Ariah.
Wirksame Flüche
Es ist diese Art von unbeabsichtigter Wiederholung, die das sonst Harmlose unheimlich macht und die Idee des Verhängnisvollen aufdrängt, wo sonst nur von Zufall gesprochen würde. Plötzlich scheint es, als sei der Fluch, an den vernünftige Menschen im zwanzigsten Jahrhundert nicht glauben, eine reale und wirksame Kraft. Indem Joyce Carol Oates die Ereignisse in der Schwebe zwischen Zufall und Mystik hält, lässt sie an einem keinen Zweifel: an der Existenz des Unheimlichen. KAI WIEGANDT
JOYCE CAROL OATES: Niagara. Roman. Aus dem Amerikanischen übersetzt von Silvia Morawetz. S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2007. 567 Seiten, 22,90 Euro.
Ziemlich viel Abgrund: Der französische Artist Philippe Petit bei der Überquerung des Niagara River im Oktober 1986 Foto: James P. McCoy / AP
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Kai Wiegandt nötigt es viel Respekt ab, wie unbekümmert Joyce Carol Oates in ihrem jüngsten Roman "Niagara" auf jedes ökonomische Erzählen pfeift. Die amerikanische Autorin häuft dramatisches Ereignis auf dramatisches Ereignis und lässt ihre Leser dabei kaum zu Atem kommen, stellt der Rezensent beeindruckt fest. Auch vor "Pathos" hat Oates keine Scheu und das sichert ihr die Bewunderung Wiegandts. Wie sie verschiedene Genres - Ehedrama und Umweltkrimi - mischt, preist der Rezensent als gekonnt, und deshalb fällt es für ihn nicht so stark ins Gewicht, dass er sprachlich schon einiges zu bemängeln hat. Aber die schiefen Vergleiche und die mitunter klischeehafte Sprache werden aufgewogen durch den Sog, den das Buch entwickelt und der vor allem durch die vielen unaufgeklärten "Gerüchte" entsteht, die der Geschichte insgesamt etwas Unheimliches und "Verhängnisvolles" geben, so Wiegandt begeistert.

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