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Hautnah und zeitnah schildert Irina Denezkina das Leben der russischen "next generation". Erotischer Tatendrang treibt die jungen Petersburger von Party zu Party, von Mund zu Mund. Sie führen ein herrlich zielloses und berückend ereignisloses Leben: erste Küsse, neueste Musik, Alkohol, Autofahrten, äußerst skurrile Zeitgenossen. Und über allem schwebt das unbeirrbare "Mir gehört die Welt".
Mit umwerfend scharfem Blick fängt Irina Denežkina die verworrenen Gefühle der 13- bis 20-Jährigen ein. Die Geschichten des Bandes Komm sind thematisch alle ausnahmslos auf ein Zentrum ausgerichtet: die
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Produktbeschreibung
Hautnah und zeitnah schildert Irina Denezkina das Leben der russischen "next generation". Erotischer Tatendrang treibt die jungen Petersburger von Party zu Party, von Mund zu Mund. Sie führen ein herrlich zielloses und berückend ereignisloses Leben: erste Küsse, neueste Musik, Alkohol, Autofahrten, äußerst skurrile Zeitgenossen. Und über allem schwebt das unbeirrbare "Mir gehört die Welt".
Mit umwerfend scharfem Blick fängt Irina Denežkina die verworrenen Gefühle der 13- bis 20-Jährigen ein.
Die Geschichten des Bandes Komm sind thematisch alle ausnahmslos auf ein Zentrum ausgerichtet: die Grauzone des Erwachsenwerdens. Erotischer Tatendrang treibt die jungen Leute von Party zu Party, von Mund zu Mund. Ein herrlich zielloses und ereignisreiches Leben: erste sexuelle Erfahrungen, die neueste Musik, Alkohol, Autofahrten und äußerst skurrile Zeitgenossen. Kurzes Innehalten, und schon dreht sich das Karussell weiter.
Komm - das sind schnelle Geschichten mit langem Nachhall. Ungeschminkt erzählt Irina Denežkina von der Jugend. Man weiß nie genau, wer mit wem und warum. Nur eins zählt: Alles oder Nichts.
Autorenporträt
Irina Denezkina wurde 1981 in Jekaterinenburg geboren. Sie studiert an der dortigen Universität Journalismus und schreibt für die Studentenzeitung "Studio". Ihr Erzählband wurde 2002 für den russischen "Bestseller Preis" nominiert.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 22.09.2003

Beim ersten Mal tu immer weh
Bitterer Vogel Jugend: Irina Denezkinas russische Pop-Erzählungen

Die in diesem Jahr zum Buchmessenschwerpunkt übersetzte russische Literatur bildet einen eigenen Kontinent, auf dem alle Höhen und Tiefen, Gipfel und Abgründe zu finden sind, die auch sonst die literarische Landkarte ausmachen: Es gibt klassische Klassiker und moderne Klassiker, Avantgardisten und Populisten, Moskauer Thriller und Omsker, Tomsker und Komsomolsker Provinzgeschichten, leichte Büchlein über lügende Frauen und schwere Wälzer über saufende Männer. Warum also nicht auch russische Popliteratur, mag sich der S. Fischer Verlag gedacht haben, der mit dem Erzählungsband der blutjungen und bildhübschen Irina Denezkina zur Buchmesse auftritt. (Warum ein so traditionsreicher Literaturverlag glaubt, damit bereits sein Soll zum deutsch-russischen Literaturaustausch erfüllt zu haben, ist allerdings eine Frage für sich.)

Irina Denezkina ist Jahrgang 1981 und studiert Journalismus in Petersburg. Zu ihrem Freundeskreis gehört die Punkgruppe "BANDerlogi", die gleich in der Titelerzählung zu Beginn des Bandes einen großen Auftritt hat. Ljapa, den Schlagzeuger, hat die Erzählerin in einem Chatroom im Internet kennengelernt und gleich virtuell geehelicht. Das bei der Partnerwahl vorgelegte Tempo scheint selbst den schnellsten Drummer zu überfordern, so daß die Erzählerin nach dem ersten realen Treffen vergebens auf weitere Annäherungsversuche ihres "Mannes" wartet und sich die Zeit mit Musikhören vertreiben muß: "Immer auf der Fluppe, ständig zugedröhnt, immer auf Trab, den ganzen Tag Party, die ganze Nacht wach. Die dicke Kohle ziehen. Alles verschleudern. Koksen, schnüffeln und sich nicht zu Tode süffeln." Allem savoir vivre zum Trotz muß das Mädchen schauen, wo es bleibt, zieht mit ihrer Freundin um die Häuser und findet sich plötzlich hin und her gerissen zwischen Niger, dem harten Hip-Hop-Jungen, und Denja, dem jungen Tschetschenien-Veteranen mit der Gitarre, der alle Männer für Nieten hält, die nicht im Krieg waren: "In seinen Augen lag der totale Null-Bock."

In Rückblenden erfahren wir noch von anderen früheren Lovern, die freilich inzwischen außer Konkurrenz laufen wie der Vorbildstudent Sacharow, der "alle möglichen Sokratiker" auswendig konnte. "Doch was wollte ich mit denen? Ich wollte Bier und Sex in unbegrenzten Mengen." Zum Glück findet jeder Topf einen Deckel, und die Geschichte endet schlicht mit einer sprachlosen Erzählerin - eine fremde Zunge in ihrem Mund sorgt für den recht unvermittelten Schluß der Story, die sonst sicher noch ausbaufähig gewesen wäre.

Andere Texte des Bandes, wie die fast hundert Seiten lange Geschichte "Song for Lovers", knüpfen da nahtlos an, so daß man sich fragt, wer an den erotischen Verwicklungen in Petersburger Jugendcliquen eigentlich Interesse haben soll, außer natürlich Mitglieder Kölner, Münchner und Berliner Jugendcliquen, die sich auf diese Weise wieder einmal die Universalität ihres eigenen Lebensstils bestätigen können - auch in Petersburg trinkt man Sprite und Coke, hört man Richard Ashcroft oder Hip-Hop und verbringt seine Zeit in virtuellen Quasselbuden.

Es gehört zum Pop, daß er objektiv belanglose und alltägliche Erfahrungen wie den ersten Kuß, Korb oder Koitus zu allerhöchster Dramatik aufbläst - das haben die frühen Beatles ebenso wie der junge Goethe gemacht. Künstlerische Reife kann man hier schwerlich fordern, wohl aber die realistische Einschätzung der eigenen Stärken. Irina Denezkina ist immer dann interessant, wenn sie das in ihren Figuren unterschwellig stets lauernde Gewaltpotential zum Thema macht - etwa in der Erinnerung an ein Jugendferienlager in "Walerotschka", die neben den Liebeleien auch die brutalen Mechanismen der Macht unter den Halbwüchsigen und die Überforderung der Erzieher zeigt.

Verstörend ist auch die abgedrehte Phantastik in "Wasja": Ein von der Familie und den anderen Kindern immer nur geschundener und gehänselter Junge nimmt allein den Kampf gegen die unheimlichen, menschenfressenden "grünen Würger" in der Nachbarschaft auf. Dabei verliert er ein Auge, wird am Ende - nach erfolgreich vollzogenem Genozid, bei dem die verstorbene Großmutter als in Fuchsgift getränkter Köder dient - von seinem Vater für die Lügengeschichte mißhandelt und ist dennoch der unerkannte Retter. Eine eklige, an Lovecraft und Splatterfilme erinnernde Geschichte, die man als Tagtraum und Allmachtsvorstellung eines Außenseiters lesen kann oder auch als Parabel auf den inflationären Wertverlust von Menschenleben im neuen Rußland. Auch "Postskriptum", eine kurze paranoide Mordphantasie unter Lebensgefährten, zehrt von dieser sublimierten Gewalt, für die die Literatur als Ventil dient. Insofern kommt es bei den besten dieser Texte - wie auch beim Punk - mehr auf die anarchische Kraft als auf formale Subtilität an.

Ein gewisses literarisches Talent wird man der Autorin - in Anbetracht ihres Alters - nicht absprechen. Sie müßte sich ihre Themen nur vermehrt jenseits des eigenen Bauchnabels suchen. Wer Benjamin Lebert mag, wird aber auch hier auf seine - nicht zu hoch angesetzten - Kosten kommen. Ob man solche Literatur importieren muß, wo doch hierzulande ausreichend Jungschriftsteller auf ihre Chance warten? Was hat Irina Denezkina ihren deutschen Pendants nun voraus? Eines auf jeden Fall, und das ist ja auch nicht geringzuschätzen: Sie sieht viel besser aus.

RICHARD KÄMMERLINGS

Irina Denezkina: "Komm". Erzählungen. Aus dem Russischen übersetzt von Olga Radetzkaja und Franziska Seppeler. S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2003. 256 S., geb., 17, 90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 06.10.2003

Lass diesen Kerl an mir vorübergehen
„Komm”: Irina Denezkina zieht von Party zu Party, von Couch zu Couch, von Mund zu Mund
Wer je eine Freundin zum Blind-Date begleitet hat, weiß wovon die Rede ist! Ein nervenaufreibender Moment in jeder Mädchenbiographie: Hübsch zurecht gemacht sitzen beide nebeneinander, starren nervös zur Tür und bei jedem neu Hereinkommenden dieser Riesenschreck: „Gute Güte, nein! Lieber Gott, bitte !! Lass’ das nicht Mr. X sein!” Gekicher, Erröten und Bäuchehalten, O Gott und Igitt – große Hysterie.
Irina Denezkinas Erzählungsband „Komm” entnehmen wir, dass es in Russland offenbar ganz genau so läuft. Nur dass die Petersburger Girls sich mangels entsprechender Infrastruktur nicht im Café, sondern im U-Bahn-Untergeschoss verabreden: „Und so stehen wir an der Rolltreppe: ,Ah! Der sieht zu uns rüber! Igitt!‘ – ,Bloß der nicht, bloß der nicht!‘ – Nein, bloß nicht dieses Scheusal, bitte, bitte!‘ Und so stehen wir und schaukeln uns so hoch, dass wir fast Hals über Kopf aus der Metro fliehen müssen.”
In Russland war die 22-jährige Debütantin der Shootingstar des Jahres 2002, in Italien landete ihr Buch gleich in der ersten Woche auf Platz neun der Bestseller-Liste. Zweifellos würde es selbst in Amerika seine Leser finden, denn wovon die hübsche Jeans-und-T-Shirt-Trägerin erzählt, ist ungefähr so universal wie die westliche Kultur: Jugendliche Großstädter, die studieren, sich auf Punkrock-Konzerten heftig verlieben, morgens verkatert auf fremden Sofas aufwachen und nachmittags im Chatroom dem nächsten Flirt hinterher jagen. Auf die Frage, was sie interessiere und worüber sie schreibe, hat sie in einem Interview mit einem einzigen Wort geantwortet: Maltschiki, Jungs.
Man mag das für erwartbar und belanglos halten, aber in erster Linie ist es einfach eine Tatsache: Was Mädchen am allermeisten interessiert, sind Jungs. Punkt. Alles weitere ist dann eine Frage des „wie”. Die Geschichten sind gut geschrieben und außerordentlich suggestiv. Es ist sicherlich kein Zufall, dass die Autorin Journalismus studiert: Sie hat ein gutes Gespür für Situationen und sie kann mit knappen unerschrockenen Worten das Dringende und die Ungeduld, das Warten, die Unsicherheit, das Hoffen, das Enttäuschtsein und das Zufällige – also die bekannten und doch immer wieder interessanten Gefühls- und Liebeslagen darstellen.
Sie schreibt, wie man Schüler und Studenten an der Bushaltestelle reden hört: sehr direkt, manchmal derb, aber glaubwürdig, so dass zugleich auch diese gewisse jugendliche Verlegenheit spürbar wird. Sprechen ist eine Pose und der Köper ist eine Sprache: Man ist niemals man selbst, sondern man probiert Ausdrücke aus und Kleider an. „Ich hasse meinen Körper”, heißt es einmal, „ich habe immer so viel Mühe mit ihm. Anziehen, gerade halten, Schminke ins Gesicht. Das muss unbedingt erledigt werden, denn er ist meine Eintrittskarte.”
Die zehn Geschichten, das soll nicht verschwiegen werden, sind von recht unterschiedlicher literarischer Qualität. Als Dokument sind sie alle lesenswert. Als Porträt einer neuen russischen Jugend der Post-Perestroika, die zum ersten Mal dasselbe Netz durchsurft, die selbe Musik hört, die selben Filme sieht und die selben Kleider kauft wie ihre Alterskollegen im geographischen Westen.
So gesehen ist es weder verwunderlich noch völlig falsch, dass der Buchhandel das Generationenbuch als „Popliteratur aus Russland” etikettiert hat: Genauso wie man in allen Metropolen der Welt eine Pizza und eine Robbie-Williams-Platte bekommt, ähneln auch die Lebensberichte ihrer jugendlichen Bewohner einander. Was die Haltlosigkeit und das Exzessive anbelangt, so erinnern Irina Denzekinas Geschichten in manchem an „Zwölf”, den in diesem Sommer so erfolgreichen Roman des 17-jährigen Amerikaners Nick McDonell.
Zum Kapitalismus verhalten sich die jungen Wilden des Ostens rein affirmativ. Doch gibt es einen Unterschied zu den reichen Kids aus Manhattan: Bezeichnenderweise ist in der Welt der Irina Denzekina niemals von den Eltern die Rede. Die Jugendlichen haben sich eine Welt ohne Erbe und ohne Geschichte eingerichtet. Sie leben rein in der Gegenwart. Es scheint keine Zukunft, ja noch nicht einmal einen Plan, aber durchaus Zuversicht zu geben. Die Haltlosigkeit der jungen Russen ist anders als die der Amerikaner keine innere, sondern eine äußere, soziale: Eine Generation, die ein großes Blind-Date mit dem eigenen Leben hat.
EVA MARZ
IRINA DENEZKINA: Komm. S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2003. 256 S., 17,90 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.diz-muenchen.de
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Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension

Mit der russischen Jungautorin Irina Denezkina hat die völlig euphorisierte Rezensentin Ilma Rakusa einen neuen Stern am internationalen Himmel entdeckt, hat sie doch Schwung und einen "neuen Ton in die russische Gegenwartsliteratur gebracht". Doch damit nicht genug, markiere Denezkina doch mit ihren das Leben "schonungslos schildernden" Erzählungen eine veritable "Trendwende", der "Enttabuisierung auf allen Ebenen". Wenig überraschend ist folglich auch, dass die Autorin insbesondere bei der jungen Generation für ihren "authentisch-frischen" Stil gefeiert wird, während die älteren Jahrgänge ihre Geschichten eher als "skandalös" empfinden. Schon ihr Stil, den Ilma Rakusa als "salopp, schnell" charakterisiert, stehe für eine "junge Generation, die zwischen Lebensgier und Zynismus, zwischen Liebeshunger und Nihilismus taumelt". Kein Zweifel, diese "kraftvoll-ungebärdige Stimme" hat der Rezensentin bislang gefehlt.

© Perlentaucher Medien GmbH
Grandios erzählt. Stern