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Josef Haslinger, berühmt geworden durch seine Romane'Opernball'und'Das Vaterspiel', schickt in seinem neuen Buch einen Ich-Erzähler auf Reisen: nach Ostdeutschland, ins österreichische Waldviertel, nach Rovinj an der kroatischen Küste, nach Amerika. Die Ziele aber sind nur vordergründig Städte, Landschaften, Sehenswürdigkeiten, im Mittelpunkt stehen die Menschen, denen der Reisende begegnet. In den Gesprächen am Strand, an der Hotelbar oder im Flugzeug zeichnen sich erstaunliche Schicksale ab, und die Geschichte eines ganzen Lebens wird greifbar. In Wien begibt sich Haslingers Held auf die…mehr

Produktbeschreibung
Josef Haslinger, berühmt geworden durch seine Romane'Opernball'und'Das Vaterspiel', schickt in seinem neuen Buch einen Ich-Erzähler auf Reisen: nach Ostdeutschland, ins österreichische Waldviertel, nach Rovinj an der kroatischen Küste, nach Amerika. Die Ziele aber sind nur vordergründig Städte, Landschaften, Sehenswürdigkeiten, im Mittelpunkt stehen die Menschen, denen der Reisende begegnet. In den Gesprächen am Strand, an der Hotelbar oder im Flugzeug zeichnen sich erstaunliche Schicksale ab, und die Geschichte eines ganzen Lebens wird greifbar. In Wien begibt sich Haslingers Held auf die Suche nach einem Obdachlosen, in der Nähe von Leipzig will er dem letzten echten Rockmusiker einen Besuch abstatten. Ein Jahr lang fliegt er mit einem gefälschten Ausweis als Entdecker des wahren Amerika kreuz und quer durch die USA, oder er versucht einen Streit zu schlichten, der ein österreichisches Dorf spaltet. An einer Tankstelle nahe der Grenze zu New Jersey werden ihm Handschellen angelegt, ohne ersichtlichen Grund, von einem Polizisten mit Cowboyhut, Pistole und Funkgerät. Immer wieder wird in diesen brillant geschriebenen Erzählungen spürbar, wie das Leben eines jeden Einzelnen von der Vergangenheit geprägt ist, was die Geschichte aus den Menschen gemacht hat und was Menschen aus ihrer Geschichte machen.
Autorenporträt
Josef Haslinger, 1955 in Zwettl/Niederösterreich geboren, lebt in Wein und Leipzig. Seit 1996 lehrt Haslinger als Professor für literarische Ästhetik am Deutschen Literaturinstitut Leipzig. Haslinger erhielt zahlreiche Preise, zuletzt den Preis der Stadt Wien und den Ehrenpreis des österreichischen Buchhandels. 2010 wird Josef Haslinger der Mainzer Stadtschreiber.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Gemischte Eindrücke haben die in diesem Band versammelten alten und neuen Erzählungen bei Rezensent Martin Lhotzky hinterlassen. Einige von ihnen, zum Beispiel die zuerst 2004 veröffentlichte Erzählung "ich hatte in Frankfurt zu tun", verzaubern den Rezensenten durch die Lakonie und Liebe, mit der Josef Haslinger darin von der "fernen Zeit der Revolte" erzählt. Andere Erzählungen wiederum, darunter auch die Titelgeschichte, findet Lhotzky wenig bemerkenswert und in dieser Sammlung schlecht aufgehoben, der er insgesamt "ein paar frischgestrickte Strümpfe" gegönnt hätte, wie er in Anlehnung an die Geschichte über einen österreichischen Obdachlosen schreibt.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 20.04.2006

Alle Wege führen in die Provinz
Strickmuster: Neue und alte Erzählungen von Josef Haslinger

Ob mit der Angabe "zwei glatt, drei verkehrt, zwei fallenlassen" je ein vernünftiger Strumpf gestrickt wird, wie es sich gehört, darf bezweifelt werden. Für Josef Haslingers neuen Erzählband "zugvögel" bietet sich dieses Muster allerdings an, auch wenn der Band von der Löcherigkeit eines alten Sockens etwas entfernt ist.

Glatt ist einerseits "ich hatte in frankfurt zu tun", erstmals 2004 in München veröffentlicht, über einen jungen Mann, ein Schüler noch, der, aus der österreichischen Provinz kommend, einen wilden Sommer am Main verbringt. Es begab sich zu jener Zeit der Hausbesetzer und Kommunen, daß der junge Mann so ziemlich alles erlebte, was Gott und der bayerische Ministerpräsident verboten hatten. Mehr als dreißig Jahre später reist derselbe Mann wieder nach Frankfurt, breitet seine Erinnerungen aus an das Kiffen, die geklaute Tastatur einer Hammondorgel, an die kurzen Liebesnächte auf dem unbequemen Sofa und sieht die Veränderungen. An der Stelle des besetzten Hauses steht ein Hotel im überschwenglichen floralen Dekor, der Freund und Mentor aus Jugendtagen ist schon froh, daß er zumindest an Krücken gehen kann, und niemand erinnert sich an das Mädchen. So lakonisch und doch spürbar von zarter Liebe für jene ferne Zeit der Revolte durchzogen, verzaubert Haslingers Schilderung, Stoiber zum Trotz.

Heute pendelt der 1955 in Zwettl - das gilt in Österreich als Provinz - geborene Josef Haslinger zwischen Wien und Leipzig, wo er im Deutschen Literaturinstitut anderen Menschen beibringen will, Schriftsteller zu werden, sogar "ein verdammt guter", wie der Titel eines mit Hans-Ulrich Treichel herausgegebenen Bandes verschmitzt suggerierte. Fürs Schreiben bleibt ihm daneben noch Zeit, also verfaßte er auch vier neue Geschichten und beschert ein gemischtes Lesevergnügen.

Verkehrt war nämlich andererseits, "amerika. ein reiseepos" in gesamter Länge abzudrucken. Erstmals 1993 als frühes Hörbuch erschienen, besticht der Text nur mehr durch die skurrilen Erlebnisse des mit einer gefälschten Fluginspektorenkarte kreuz und quer durch die Vereinigten Staaten fliegenden Ich-Erzählers. Es ist hübsch mitzuverfolgen, wenn er durch seine zahlreichen Luftreisen langsam den Boden unter den Füßen verliert, sich schließlich mit den Aeroplanen eins fühlt, um dann doch vom Himmel heruntergeholt zu werden. Die lange Vorgeschichte dazu verwirrt eher, und am Ende muß man sich auch noch einen Budweiser-Rap reinziehen.

Fallenlassen sollen hätte man die Titelgeschichte über eine Reise unklarer Ursache an die adriatische Küste. Neben zwei bemerkenswerten Sätzen haben darin nur ein verschrobener Astronom, eine Glasmarimba, ein Wohnwagen und ein Moped einprägsame Kurzauftritte. Am liebsten hätte er das Moped gestohlen. Am liebsten wäre er damit über die Berge abgehauen. Hat er aber nicht, ist er aber nicht, sonst wäre er ja nicht unbehelligt in die ostdeutsche Provinz gekommen. Dorthin gelangt derselbe oder aber auch ein anderer Ich-Erzähler, die jedenfalls alle Herrn Haslinger irgendwie ähneln, in "katzenmusik", um einer Zufallsbekanntschaft, einem selbsterklärten Poltergeist der DDR, Texte für ein Lied zu bringen.

Auch das hätte er lieber lassen sollen. Außer einem weiteren ansehnlichen Einschub ("keine antwort, nur modergestank. da überlegte ich nicht mehr lange, sondern ging einfach hinein") kriegt er dafür nur Prügel, der Leser einen weiteren Eindruck von der angeblichen Tristesse des Ostens. Die hat man in Wien-Erdberg oder Frankfurt-Sachsenhausen auch, dafür muß man nicht nach Leipzig ziehen.

Irgendwie geht es ja auch in allen übrigen Geschichten um Menschen, die herumziehen, keine Heimat finden, aus ihrer angestammten Umgebung weggehen, aber die Motive sind zu unterschiedlich, um die Protagonisten aller sieben Episoden wirklich als Zugvögel zu begreifen. Manche, wie etwa "fiona und ferdinand" oder Feldwebel Neugebauer (aus "die schlacht um wien", verändert gegenüber der Version von 1993), reisen sogar durch die Zeit. Dem Sandler (österreichisch für Obdachloser) der gleichnamigen Erzählung hätte man aber doch ein Paar frischgestrickter Strümpfe gegönnt.

MARTIN LHOTZKY

Josef Haslinger: "zugvögel". Erzählungen. S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2006. 207 S., geb., 18,90 [Euro].

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