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Die Freundinnen Ruzka und Vitka lernen im Wilnaer Ghetto den charismatischen Widerstandskämpfer Abba kennen. Bald sind die drei unzertrennlich: Sie teilen Tisch und Bett, und gemeinsam organisieren sie die Sabotage an deutschen Einrichtungen. Als im September 1943 das Ghetto geräumt werden soll, gelingt ihnen kurz zuvor die abenteuerliche Flucht durch die Kanalisation in die Wälder. Dort hausen sie in getarnten Erdlöchern und führen mit anderen Partisanen den Kampf fort. Am Ende des Krieges haben die drei wie durch ein Wunder überlebt. Doch für Abba ist der Krieg noch nicht vorbei. Wie einige…mehr

Produktbeschreibung
Die Freundinnen Ruzka und Vitka lernen im Wilnaer Ghetto den charismatischen Widerstandskämpfer Abba kennen. Bald sind die drei unzertrennlich: Sie teilen Tisch und Bett, und gemeinsam organisieren sie die Sabotage an deutschen Einrichtungen. Als im September 1943 das Ghetto geräumt werden soll, gelingt ihnen kurz zuvor die abenteuerliche Flucht durch die Kanalisation in die Wälder. Dort hausen sie in getarnten Erdlöchern und führen mit anderen Partisanen den Kampf fort. Am Ende des Krieges haben die drei wie durch ein Wunder überlebt. Doch für Abba ist der Krieg noch nicht vorbei. Wie einige der überlebenden Juden sinnt er auf Vergeltung für den Holocaust. Doch sein Vorhaben scheitert. Seine Freunde greifen nun auf Plan B zurück ...
Rich Cohen gelingt es anhand der Liebes- und Lebensgeschichte von Ruzka, Vitka und Abba, die bisher wenig bekannte Geschichte des jüdischen Partisanenkampfs fesselnd zu schildern. Darüber hinaus erzählt er auch vom Weiterleben nach dem Krieg und vom har ten Neuanfang in einem fremden Land.
Autorenporträt
Rich Cohen, Jahrgang 1968, schreibt für "Rolling Stone". Für seine Reportagen hat er in Australien Tennis mit André Agassi gespielt und ist gemeinsam mit den Rolling Stones durch den amerikanischen Süden getourt. Er hat außerdem im "New Yorker", der "New York Times" und in "Details" publiziert. Geboren und aufgewachsen in Illinois, lebt Rich Cohen in New York.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 12.12.2000

Peng, du bist emanzipiert
Rich Cohen baut Bombastik-Bluff-Bomben / Von Sonja Zekri

Rich Cohen hat eine Mission. Er möchte den Juden ein neues Image verschaffen. Nicht von den furchtbaren Opfern will der Autor des "Rolling Stone" erzählen, sondern von Wehrhaftigkeit, von Mut und Stärke, sogar von krimineller Energie. "Ich möchte die Freiheit haben, ein böser Junge sein zu können", schrieb Cohen in seinem Debütroman. "Murder Inc. - Nicht ganz koschere Geschäfte in Brooklyn" setzte einem jüdischen Killerkommando aus den dreißiger Jahren ein Denkmal, Verbrechern ohne Gnade, aber mit lustigen Namen wie "Abbadabba" Berman und "Tick-Tack" Tannenbaum.

So groß war Cohens Wunsch nach furchtlosen Helden, daß er ihr tödliches Handwerk als Ausdruck jüdischen Emanzipationsstrebens präsentierte: Der Gangster nehme dem Opfer "nicht nur das Leben"; er gebe "auch der fundamentalen Freiheit der Juden in Amerika Ausdruck". Immerhin, Cohen schlug eine zumindest für deutsche Leser originelle Seite in der Verbrecherkartei Amerikas auf. Sein neues Buch aber begibt sich auf bekanntes und damit schwierigeres Terrain.

"Nachtmarsch" begleitet drei junge jüdische Untergrundkämpfer im Kampf gegen die Nationalsozialisten in Litauen. Die fröhliche Vitka, die stille Ruzka und der düster charismatische Dichter Abba führten eine "ménage à trois" im Angesicht des Todes, riskierten tagsüber ihr Leben und schliefen nachts im selben Bett. Als Streiter der "Jungen Garde", einer zionistischen Untergrundarmee, sprengten sie Züge in die Luft und riefen die Bewohner des Wilnaer Gettos zum Widerstand auf. Vergebens. Die meisten hofften, durch Anpassung der Deportation zu entgehen, dabei kannte man längst die Berichte von Massenerschießungen in Ponar, einer der grausigsten Exekutionsstätten Osteuropas.

Abba schien dieser Irrtum nicht nur fatal, sondern unverzeihlich. Daß der "Krieg eine Prüfung" war, "bei der viele Juden versagten", so lautet das harte Urteil des Zionisten, dem der Autor nicht widerspricht. Als das Getto geräumt wird, entkommen Abba, Vitka und Ruzka mit einigen Getreuen durch die Kanalisation. Mehr als ein Jahr hausen sie in Holzverschlägen, geplagt von Läusen, Krankheiten und dem Antisemitismus der Mitstreiter. Dann endet der Krieg in Litauen.

Trotz seines spannenden Stoffes ist "Nachtmarsch" kein ungetrübtes Lesevergnügen. Daß Cohen sich nicht entscheiden kann, wessen Perspektive er einnimmt - Vitkas? Ruzkas? die des wissenden Nachgeborenen? -, daß sein Stil holprig und die Übersetzung kaum besser ist ("Sebastopol" statt "Sewastopol"), daß ihn offenbar nicht historische Zusammenhänge, sondern eine kindliche Lust am Knalleffekt interessieren ("am Zünder ziehen und - peng!"), solch kleine Sabotageakte summieren sich zum großen Unbehagen. Zumal Cohen seinen größten Trumpf, die intime Kenntnis der drei Hauptfiguren, nicht ausspielt. Denn Ruzka ist seine Großcousine, und alle drei Helden sind mit der Familie des Autors seit Jahrzehnten bekannt. Und doch ist der Fanatiker Abba für ihn am Ende nicht mehr als ein "Beispiel für die Bandbreite menschlicher Erfahrungen"; das komplizierte Dreiecksverhältnis schildert er mit dem lapidaren Satz: "In Wahrheit waren alle drei ineinander verliebt."

Noch schwerer als die Oberflächlichkeit wiegt der Mangel an Distanz. Selten erlaubt sich Cohen ein kritisches Wort; nicht, als die Partisanen in einer Vergeltungsaktion ganze Dörfer niederbrennen, und auch nicht, als sie die eigenen Leute wegen einer gestohlenen Scheibe Brot hinrichten. Die Bewunderung des Pop-Autoren für die Härte der jüdischen Soldaten kennt keine Grenzen. So ist es nicht erstaunlich, daß er Abbas größten und umstrittensten Coup bedenkenlos vorstellt. Nach dem Krieg planten die "Avengers", so der Originaltitel, in sechs deutschen Städten das Trinkwasser zu vergiften, um die Deutschen auf "dieselbe unmenschliche, maschinelle Weise" umzubringen, "in der sie die Juden umgebracht hatten". Als dieses Vorhaben scheiterte, vergifteten die "Rächer" NS-Kriegsverbrecher in einem Nürnberger Gefängnis mit arsenhaltigem Brot. Zweitausend Inhaftierte erkrankten.

Daß der biblische Rachedurst Abbas auch eine tragische Dimension hat, daß der Fanatismus der Partisanen, die das Töten nicht lassen können, ein schweres Erbe für jeden Frieden ist, solche Widersprüche streift Cohen nur am Rande. Abba und die "Rächer" griffen zur Waffe, kurz nachdem Millionen Juden wehrlos in den Tod gegangen waren, da scheint Cohen die Frage nach den Gründen zweitrangig.

Nach Ruzka erreichen auch Abba und Vitka, die inzwischen ein Paar sind, Palästina - und der Leser den am schwersten erträglichen Teil des Buches. Denn Cohen beschreibt die Gründung des Staates Israel als Mischung aus Leon Uris' "Exodus", unbeschwerter Kibbuz-Seligkeit und zionistischem Kitsch, in dem "Araber mit weißer Kopfbedeckung" am Horizont spazieren, "wie ein Echo aus vergangenen Zeiten". Immerhin, in Israel kommen die "Rächer" zu Ruhe, selbst Abba schwört der Vergeltung ab, schreibt Geschichten, wird Vater.

Nur Cohen hat sich längst von den Banden der Logik und der Historie gelöst. Schließlich sitzt sein Held im Gefängnis in Kairo, Hunderte von Kilometern von der Küste entfernt: "Nachts konnte er Kamele hören, die in der Wüste brüllten, und die Schiffe draußen auf dem Meer." Der Leser aber, weder mit orientalischer Phantasie noch mit Abbas Fähigkeiten begabt, mag noch so sehr die Ohren spitzen. Er lauscht dem Autor keine neuen Talente ab.

Rich Cohen: "Nachtmarsch". Eine wahre Geschichte von Liebe und Vergeltung. Aus dem Amerikanischen von Irmengard Gabler. S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2000. 352 S., Abb., geb., 39,80 DM.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Elke Schubert bedauert sehr, das Rich Cohen hier - wie sie meint - eine Gelegenheit verspielt hat. Denn anstatt die noch lebenden jüdischen Partisanen von Wilna bei der Reflexion über heute noch offenen Fragen zu beteiligen, habe Cohen eine "unentschlossen vage" Geschichte vorgelegt, die darüber hinaus nicht frei von Fehlern und auch ein Beispiel dafür sei, wie "sich die Erinnerung im Laufe der Jahrzehnte verschiebt". Abba, Ruzka und Vitka sind keine fiktiven Figuren, sondern haben wirklich am Widerstand in Wilna teilgenommen. Aber anders als in Cohens Roman "Murder Inc.", der sich mit der "jüdischen Mafia im Brooklyn der dreißiger und vierziger Jahre" befasst, musste der Autor hier mit dem Versuch, sich in die Gefühlswelt der Protagonisten hineinzuversetzen, zwangsläufig scheitern, so Schubert. Sie stört sich an dem moralischen Unterton, der ihrer Ansicht nach "allenfalls den damaligen Kämpfern zustünde" ebenso wie der Suggestion, dass die Beteiligten noch mit niemandem über diese Erlebnisse gesprochen hätten - dabei hat Ruzka Korczak selbst mehrer Bücher über den Partisanenkampf veröffentlicht. Aber auch die Fragen, warum so ungewöhnlich viele Frauen an diesen Kämpfen beteiligt waren, wieso es später wenige Racheakte gegeben hat oder wie es den ausgereisten Juden in Palästina ergangen ist, hätten nach Ansicht Schuberts durchaus eingehender beleuchtet werden können.

© Perlentaucher Medien GmbH
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