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Produktdetails
  • Progress Foundation
  • Verlag: NZZ Libro
  • Seitenzahl: 250
  • Deutsch
  • Abmessung: 23mm x 157mm x 226mm
  • Gewicht: 618g
  • ISBN-13: 9783038232353
  • ISBN-10: 3038232351
  • Artikelnr.: 20788470
Autorenporträt
Gerhard Schwarz studierte Wirtschaftswissenschaften an der Universität St. Gallen sowie am American Institute for Economic Research in Great Barrington (Mass.). Nach seiner Dissertation über Kolumbien und einem Gastspiel in einem Lichtensteiner Industriebetrieb trat er 1981 in die Wirtschaftsredaktion der 'Neuen Zürcher Zeitung' ein, die er seit 1994 leitet. Gerhard Schwarz ist Autor und Herausgeber zahlreicher Bücher sowie wissenschaftlicher Artikel und nimmt einen Lehrauftrag an der Universität Zürich wahr. Er ist Mitglied verschiedener Stiftungsräte, darunter auch der 'Progress Foundation'. Für seine Arbeit ist er mit dem Ludwig-Erhard-Preis für Wirtschaftspublizistik ausgezeichnet worden.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 25.09.2006

Ein Schritt ins Unbekannte
Klassische Texte und aktuelle Erörterungen zum Thema Fortschritt

"Was heißt schon Fortschritt?" Mit dieser grundsätzlichen Frage leitet Gerhard Schwarz das von ihm gemeinsam mit Ronald Clapham herausgegebene Buch über die Fortschrittsidee und die Marktwirtschaft ein - Ergebnis eines Seminars der Progress Foundation Zürich 2004. Grundlage der Diskussion waren vier klassische Texte großer Philosophen und Ökonomen, denen für die Publikation nun noch acht eigene Beiträge aus dem Seminar beigefügt wurden. Ein erster Ansatz zu einer Antwort findet sich so in dem auf Karl Popper zurückgehenden Kapitel, das der vorgelagerten Frage gewidmet ist: "Hat die Weltgeschichte einen Sinn?" Darin rechnet der Autor mit Hegel ab, nach dessen Meinung die Weltgeschichte gesetzmäßig abläuft. Dem steht im zweiten Kapitel Friedrich August von Hayeks These von der Nichtplanbarkeit des Fortschritts gegenüber, die er mit einem Cromwell-Zitat einleitet: "Ein Mensch steigt niemals höher, als wenn er nicht weiß wohin." Anders gesagt: Fortschritt entsteht durch Versuch und Irrtum, wenn ein Schritt ins Unbekannte gewagt wird.

Sehr wertvoll ist ferner ein weitgehend vergessener Beitrag von Friedrich A. Lutz, in dem dieser Claude-Henri de Saint-Simon, Karl Marx und Joseph Schumpeter mit John Stuart Mill einerseits und mit John Maynard Keynes andererseits vergleicht. Die drei erstgenannten Autoren glauben allesamt an die Unvermeidbarkeit des Sozialismus, die beiden letztgenannten befürchten das Einmünden in eine stationäre Welt. Ist das Fortschritt? Nach Lutz "... ist das, was jemand für Fortschritt hält, abhängig von den Werturteilen, die er in sich trägt." Natürlich helfen alle diese Theorien zur Lösung der Probleme von heute recht wenig. Weder wird die ganze Gesellschaft nach Saint-Simon wie eine Armee organisiert noch kommt es zur Marxschen Diktatur des Proletariats. Doch bei Schumpeter dringt nach Lutz ein wohl auch die heutigen Verhältnisse noch bestimmendes Element durch: der Weltverbesserungsgeist der sogenannten Intellektuellen. "Dieser alles anzweifelnde Geist, exemplifiziert durch den Geist der Avantgarde der Intellektuellen, die ohne Verantwortung für eine Unternehmung oder den Staat von der Kritik leben, schafft ein dem Kapitalismus so feindliches Klima, daß schließlich auch der Bourgeois an seiner eigenen Existenz zu zweifeln beginnt und dem Ansturm der antikapitalistischen Kräfte einen immer geringeren Widerstand entgegensetzt." Es geht zwar heute nicht mehr um die Kollektivierung des Kapitals, aber um die Kollektivierung individueller Präferenzen nach den Vorgaben meinungsführender Intellektueller.

Im letzten Beitrag der ausgewählten Philosophen und Ökonomen befaßt sich Herbert Lüthy mit dem Fortschrittsglauben der Aufklärung. Dieser habe sich weniger im industriellen England als im Verwaltungsstaat Frankreich verbreitet. Er "erlaubte die faszinierende Anwendung der Mathematik auf alle Gebiete des öffentlichen Lebens" bis hinunter zum Individuum. Lüthy warnt vor einem überzogenen Glauben an die Beherrschbarkeit der Gesellschaft.

Den Hauptteil des Sammelbandes eröffnet dann Robert Nef mit der Frage, "ob es so etwas wie Fortschritt überhaupt gibt". Nach seiner Auffassung kann dies "generell und losgelöst von Menschenbildern und Geschichtsbildern gar nicht abschließend beantwortet werden". Die Antwort dürfte unterschiedlich ausfallen, je nachdem ob man die Bibel oder die biologische Evolution nach DNA zum Ausgangspunkt nimmt. An diesen grundsätzlichen Beitrag schließen sich Arbeiten unter anderem von Christian Watrin, Gerhard Prosi, Klaus Schweinsberg und Ivan Baron Adamovich an.

Sehr beachtenswert ist dabei der Aufsatz von Michael Wohlgemuth über "Demokratie und Marktwirtschaft als Bedingungen für den sozialen Fortschritt". Der Autor befaßt sich zuerst mit dem Wettbewerb auf Märkten, dann mit dem politischen Wettbewerb und schließlich mit der Kombination beider im sogenannten Systemwettbewerb, in dem Faktor- und Wählerwanderung zusammen das Verhalten von Politikern und Wählern bestimmen. Die meisten theoretischen Ansätze zum Systemwettbewerb - beispielsweise von Hans-Werner Sinn oder Horst Siebert - sind statisch in dem Sinne, daß sie von einem Ausgangszustand ausgehen, der sich ohne Schlechterstellung einzelner nicht oder eben doch verbessern läßt, und dann nach einem Anpassungsprozeß ein neues Gleichgewicht aufzeigen. Doch richtig betrachtet, wird aus dem Systemwettbewerb ganz neues Wissen generiert. Der Wettbewerb erweist sich somit als risikoarmes Entdeckungsverfahren.

Horst Feldmann verdeutlicht noch die Parallelen zwischen Colberts Merkantilismus und der EU-Industriepolitik. Jean-Baptiste Colbert wirkte - wie heute die Europäische Union - auf eine Beseitigung der Binnenzölle hin, was für das Wirtschaftswachstum förderlich war. Weniger erfolgreich war Colbert mit der Industrie- und Zollpolitik. Frankreich fiel gegenüber dem marktwirtschaftlichen England schon bald wirtschaftlich zurück, ein Menetekel für die EU. Doch wie soll man heute mit dem technischen Fortschritt verfahren? Soll jeder Neuerung freie Bahn gegeben werden? Ronald Clapham rät, das Verfahren der Technikfolgenabschätzung zu nutzen, um so zu einem "vernünftigen Umgang mit der Technik zu kommen".

CHARLES BEAT BLANKART.

Ronald Clapham/Gerhard Schwarz (Herausgeber): Die Fortschrittsidee und die Marktwirtschaft. Verlag Neue Zürcher Zeitung, Zürich 2006, 256 Seiten, 33 Euro.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Angetan berichtet Charles Beat Blankart über diesen Band über "Die Fortschrittsidee und die Marktwirtschaft", der aus einem Seminar der "Progress Foundation" in Zürich 2004 hervorgegangen ist. Neben klassischen Texten großer Philosophen und Ökonomen bietet der Band nach Auskunft des Rezensenten auch aktuelle Erörterungen zum Thema Fortschritt. Besonders gelungen erscheint ihm dabei Friedrich A. Lutz? Vergleich von Claude-Henri de Saint-Simon, Karl Marx und Joseph Schumpeter mit John Stuart Mill einerseits und John Maynard Keynes andererseits. Außerdem hebt er Robert Nefs Auseinandersetzung mit der Frage, "ob es so etwas wie Fortschritt überhaupt gibt", sowie Michael Wohlgemuths Aufsatz über "Demokratie und Marktwirtschaft als Bedingungen für den sozialen Fortschritt" lobend hervor. Insgesamt vermittelt der Band für Blankart einen gelungenen Überblick über die Diskussion über Fortschritt und Marktwirtschaft.

© Perlentaucher Medien GmbH