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John Stuart Mill (1806-1873) ist nicht nur einer der grossen Vordenker des Liberalismus und der Frauenemanzipation. Er ist, weniger bekannt, auch einer der weit herausragenden Theoretiker der Demokratie. Früh hat er die Gefahren erkannt für eine Gesellschaft, deren Mehrheit Diskussionen nicht mehr zulässt und sich Denkverbote auferlegt. Mill war es auch, der scharf herausgearbeitet hat, dass gewählteHerrschaft nicht notwendig Demokratie ist. Heute machen sich in vielen Gesellschaften Hass und Misstrauen gegen «die da oben» breit. In anderen werden vormalige Halbdemokratien unter dem Jubel des…mehr

Produktbeschreibung
John Stuart Mill (1806-1873) ist nicht nur einer der grossen Vordenker des Liberalismus und der Frauenemanzipation. Er ist, weniger bekannt, auch einer der weit herausragenden Theoretiker der Demokratie. Früh hat er die Gefahren erkannt für eine Gesellschaft, deren Mehrheit Diskussionen nicht mehr zulässt und sich Denkverbote auferlegt. Mill war es auch, der scharf herausgearbeitet hat, dass gewählteHerrschaft nicht notwendig Demokratie ist. Heute machen sich in vielen Gesellschaften Hass und Misstrauen gegen «die da oben» breit. In anderen werden vormalige Halbdemokratien unter dem Jubel des Volks in Volldiktaturen verwandelt. Der «Westen», die freie und offene Gesellschaft, erlebt derzeit von aussen wie auch von innen Anfeindungen. Mill, tot, aber lebendig, ist einer unserer besten Männer imKampf um die moderne Welt. Und dieser ist im Gang. Mit einem Nachwort von Ulrike Ackermann, Gründerin und Leiterin des John Stuart Mill Instituts für Freiheitsforschungin Heidelberg.
Autorenporträt
Paulus, Peer-RobinPeer-Robin Paulus (_ 1965), Studium u. a. der Rechtswissenschaften in Hamburg, Berlin und Göttingen, war als Richter, Rechtsanwalt und Unternehmensverkäufer tätig, gründete später in New York mehrere Unternehmen und ist seit Ende 2003 in diversen leitenden Funktionen für den Wirtschaftsverband Die Familienunternehmerin Berlin tätig.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 09.10.2017

Ein Freiheitsdenker
Lohnt die Beschäftigung mit John Stuart Mill?

Gerd Habermann und andere Aktivisten der Hayek-Gesellschaft haben sich die Aufgabe gestellt, die "Meisterdenker der Freiheitsphilosophie" einem breiteren Publikum zugänglich zu machen. Das geschieht in Brevieren. Diese Form der Darstellung hat den Vorteil der Kürze verglichen mit dem dargestellten Werk, aber auch den Nachteil, dass jedes Werk als Sammlung von Aphorismen zugänglich gemacht wird. Damit eignen sich Breviere eher als Zugang und Appetitanreger und weniger als Ersatz für die Auseinandersetzung mit dem zugrunde liegenden Werk. Außerdem kann man bei diesem Brevier den Eindruck gewinnen, dass nicht alle Texte desselben Autors die Darstellung gleich gut vertragen. John Stuart Mills Auseinandersetzung mit Tocqueville scheint diese Form der Darstellung schlechter zu bekommen als seinen Werken zur Freiheit oder zur Politischen Ökonomie.

Der Brite John Stuart Mill ist ein bedeutender Freiheitsphilosoph und Politischer Ökonom des 19. Jahrhunderts. Die Darstellung seiner Argumente und Ideen ist in zwei Teile, Mehrheit und Individualität, und mehrere Abschnitte gegliedert: das Joch der öffentlichen Meinung, Mehrheit und Terror, Despotie und Demokratie, Gemeinschaft und Sozialismus, Freiheit und Bildung, Individualität-Originalität-Genie, Abhängigkeit der Frau und Religion. Der Herausgeber Peer-Robin Paulus hat sich bei der Auswahl von dem Bemühen leiten lassen, die Aktualität Mills für die Probleme unserer Zeit in den Vordergrund zu rücken.

Die Freiheit des Individuums ist für Mill nicht nur ein Grundrecht auf Selbstbestimmung, sondern mindestens ebenso sehr eine Verpflichtung zur Entwicklung seines Verstandes und seiner Persönlichkeit. In dieser Beziehung steht Mill Wilhelm von Humboldt sehr nahe. Die Gesellschaft tut gut daran, den Individuen das Recht zur Selbstentfaltung zuzugestehen, denn nur der ständige Kampf um eigene und unabhängige Urteilsbildung, kann die Verzwergung der Menschen und den kulturellen Niedergang, den Verfall ganzer Zivilisationen, verhindern. Deshalb sieht Mill im Konformitätsdruck zeitgenössischer Gesellschaften ein ganz großes Übel. Selbst Exzentrität oder eigensinniges Beharren auf Irrtümern sind damit nicht vergleichbar, denn der eigensinnig Irrende fordert den Vertreter der Wahrheit immer noch zur Begründung seines Urteils heraus. Konformität aber ist auch durch Abschalten der eigenen Vernunft erreichbar. Damit wird jeder Beitrag zum Fortschritt undenkbar.

Mill ist zwar ein Vertreter und Verteidiger der demokratischen Regierungsform und lehnt Diktatur und Tyrannei ab, denn die würden nicht zu seinem Freiheitsideal passen. Aber er sieht auch die Gefahren der Demokratie sowie einer Gesellschaft, die sich dem Gleichheitsideal nähert. Stärker hierarchisch geschichteten Gesellschaften gesteht er immerhin zu, dass sie wenigstens den Angehörigen der privilegierten Schichten den Widerstand gegen die öffentliche Meinung und den Konformitätsdruck erleichtert haben. Man könnte auch sagen, dass die Demokratie von den Menschen mehr verlangt als Regierungsformen, deren zentrales Gebot die Unterwerfung ist. Deshalb scheut Mill auch weder vor dem Gedanken zurück, dass ein Volk nicht reif für die Demokratie sein könnte, noch vor dem Gedanken, dass vielleicht nicht jeder das Wahlrecht haben sollte. Ein in Zeiten der Massenzuwanderung wichtiger Gedanke Mills, sein Hinweis auf ethnische oder kulturelle Homogenität als Voraussetzung für die Demokratie, findet sich in dem Brevier allerdings nicht. Hier könnte gelten, was Paulus in anderem Zusammenhang anmerkt, dass Mill manchmal seiner Zeit voraus war.

Mill ist nicht nur ein hervorragender Freiheitsphilosoph, sondern auch ein Politischer Ökonom, der im 19. Jahrhundert das Wissen über die Politische Ökonomie so zusammenfassen wollte, wie es ein Jahrhundert davor Adam Smith getan hat. Da zeigt sich Mill recht offen für Sozialismus oder Kommunismus. Den Vorwurf der Undurchführbarkeit weist er zurück. Er hofft auf ein höheres Ausmaß an Gemeinsinn und Altruismus, den er an anderer Stelle zu einem wesentlichen Erziehungsziel erhebt. Zugegeben ist es unfair, Mill seine Unkenntnis der später entwickelten Argumente eines Mises oder Hayek oder der Entwicklung des real existierenden Sozialismus mit über 100 Millionen Menschenopfern vorzuwerfen, aber dass er die Gefahren der anderswo von ihm zu Recht befürchteten Zentralisierung der Entscheidungsgewalt als notwendige Begleiterscheinung des Sozialismus oder Kommunismus, deren Inkompatibilität mit seinem Freiheitsideal, nicht gesehen hat, das ist schon erstaunlich.

Bei seiner Behandlung des Bildungswesens ist er allerdings freiheitlicher als die Realität in den meisten westlichen Gesellschaften. Er fordert zwar staatliche Finanzierung der Bildung und Ausbildung für alle, deren Eltern das nicht leisten können, lehnt aber die fast überall herrschende Dominanz staatlicher Bildungsanstalten ab. Da hat er zumindest in groben Zügen Milton Friedman um ein Jahrhundert vorweggenommen.

Das Brevier zeigt mit Mill einen Denker, der über eine ungeheure Bandbreite der Interessen verfügt. Mit zunehmender Bandbreite entstehen leicht Spannungsverhältnisse zwischen Argumenten, die sich - jedenfalls auf den ersten Blick - mit unterschiedlichen Themen beschäftigen. Mill lehnt eine nur an Interessen orientierte Außenpolitik ab, sieht aber offenbar nicht, dass die Übertragung humanitärer Aufgaben jenseits der eigenen Grenzen eine Ausweitung der Staatstätigkeit erfordert und nicht gut zu seinem Ideal der Ermächtigung des Individuums statt des Staates passt.

Das Brevier zeigt, dass Mill ein bedeutsamer Freiheitsdenker ist, aber kein ebenso bedeutender Politischer Ökonom. Mit der Länge der ausgewählten Textbeiträge zur Freiheit und zur Politischen Ökonomie hat der Herausgeber Paulus das zum Ausdruck gebracht. Mill ist mit seiner Analyse der Gefahren von gesellschaftlichem Druck und einer intoleranten öffentlichen Meinung hoch aktuell.

ERICH WEEDE

Peer-Robin Paulus (Hrsg.): Individualität und Mehrheit. Ein John-Stuart-Mill-Brevier. Zürich: NZZ Libro, 208 Seiten, 24 Euro.

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