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Mit Filmen wie Annie Hall und Manhattan wurde Woody Allen zum Porträtisten New Yorks und seiner Bewohner. Wer deshalb glaubt, Allens Texte seien lediglich Nebenprodukte, der irrt gewaltig. Denn auch hier erwies sich der große Regisseur als begnadeter Meister der Worte.

Produktbeschreibung
Mit Filmen wie Annie Hall und Manhattan wurde Woody Allen zum Porträtisten New Yorks und seiner Bewohner. Wer deshalb glaubt, Allens Texte seien lediglich Nebenprodukte, der irrt gewaltig. Denn auch hier erwies sich der große Regisseur als begnadeter Meister der Worte.
Autorenporträt
Woody Allen, geboren 1935 als Allen Stewart Konigsberg in New York, lebt in Manhattan; ist Autor, Regisseur, Schauspieler, Musiker, Intellektueller und gefeierter Film-Komiker unserer Zeit; Hollywood verlieh ihm 4 Oscars.

Malte Krutzsch lebt und arbeitet in der Eifel. Er übersetzte u.a. Werke von Bill Clegg, Josh Bazell und Charles Bukowski.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 09.10.2007

Das Lachen im inneren Ohr
Wo Chaos ist, ist auch Komik: Ein Gespräch mit Woody Allen über sein neues Buch
Der amerikanische Regisseur, Autor und Schauspieler Woody Allen hat nach einer Pause von fast 25 Jahren im Sommer 2007 wieder eine Sammlung komischer Erzählungen veröffentlicht: „Mere Anarchy”. Die deutschsprachige Ausgabe ist soeben im Züricher Verlag Kein&Aber erschienen (Pure Anarchie. Stories. Aus dem Amerikanischen von Malte Krutzsch. 192 S. , 16,90 Euro.) Der SZ erläutert Woody Allen sein Faible für die Formen und Traditionen komischer Prosa. SZ
SZ: Mr. Allen, dauert es lange, eine kurze Geschichte zu schreiben?
Allen: Nein. Einige kosten mehr Zeit als andere. Aber alle sind kurz, denn mit einer guten Idee ist man ziemlich schnell am Ende. Es handelt sich dabei auch nicht wirklich um Storys, um Erzählungen. Im New Yorker nennt man sie „casuals”, das sind kleine komische Prosastücke, die keine feste Definition haben. Hauptsache, sie sind komisch.
SZ: Man spricht im Unterschied zur formellen Kleidung von „casual wear”. Gibt es einen Zusammenhang zwischen „casual wear” und „casual writing”?
Allen: Ja, den gibt es bestimmt. „Casu-als” haben weder den Anspruch „short stories”, noch den, Essays zu sein. Sie sollen amüsieren, lustig sein.
SZ: Den Schriftstellern in Ihren Texten geht es nicht sehr gut. Einige müssen dauernd fürs Kino arbeiten. Es gibt den Film schon, und sie sollen ein Buch daraus machen.
Allen: Ja, das gibt es wirklich, das wird dauernd gemacht. Es ist in den Vereinigten Staaten nicht ungewöhnlich, aus erfolgreichen Filmen Bücher zu machen, als Zusatzgeschäft in Flughäfen und Supermärkten.
SZ: Eine Ihrer Figuren entwirft den Plan zu einem Broadway-Musical „Fun de Siècle”, über das Wien der Jahrhundertwende. Anspielungen, Zitate aus der europäischen Kultur sind bei Ihnen eine verlässliche Größe . . .
Allen: Es gibt eben in den Vereinigten Staaten zwei Kulturen, die des westlichen Amerika und die der Ostküste. Die urbane Kultur des Ostens, vor allem in New York, lässt sich nach wie vor von Europa inspirieren. Je weiter man nach Westen kommt, desto mehr nimmt die Kultur ein anderes Aroma an, zum Beispiel ein Mark-Twain-Aroma, und die Literatur des Südens hat wiederum ihren eigenen Charakter. Für die Literatur und Kultur der Ostküste ist eben diese Tendenz charakteristisch: sich von der europäischen Kultur inspirieren zu lassen.
SZ: Einem der Schriftsteller, die in Ih-ren Texten vorkommen, wird gesagt, er soll bitteschön für „low-brows” schrei-ben. Was hat es mit dieser Allgegenwart der Unterscheidung von „high-brow” und „low-brow” auf sich?
Allen: Das ist etwas, was es vermutlich auf der ganzen Welt gibt, ganz gewiss aber in den Vereinigten Staaten. Es gibt hier einen riesigen Markt für „low-brow”-Kultur, und auch eine einigermaßen große „middle-brow”-Kultur, die man nicht verachten soll. Sie ist respektabel. Die „low-brow”-Kultur ist einfach nur schrecklich. Die „high-brow”-Kultur hatte immer nur eine kleine Leserschaft, ein kleines Theaterpublikum. Ich bin sicher, das ist in Europa ähnlich. Ich schreibe für Leser, die ein gewisses Maß an Humor, an Witz besitzen, außerdem so etwas wie elementare Bildung, einen gewissen Wortschatz. Das muss keine herausragende Bildung sein, das Wichtigste ist der anspruchsvolle Sinn für Humor . . .
SZ: Es gibt bei Ihnen Eltern, die in eine regelrechte Lebenskatastrophe schlittern, nur weil ihr Sohn die Aufnahmeprüfung für den besten privaten Kindergarten in Manhattan nicht schafft. Ist das wirklich so schlimm?
Allen: Ja. Es gibt hier nursery schools, preschools für die ganz Kleinen, wenn sie gerade mal drei oder vier sind. Und da konkurrieren manche Leute mit allen Mitteln darum, ihre Kinder auf die renommiertesten preschools zu bekommen. Sie versuchen es mit Geld, mit Bestechung. Und es ist dann ein riesiges Desaster, wenn es nicht klappt. Die Mythologie dahinter ist, dass man, wenn das Kind älter wird, zu einer Elite-Universität gehen und sagen kann: Mein Kind hat seine Ausbildung auf einer dieser wunderbaren preschools begonnen. Das ist natürlich alles Unsinn, reine Fiktion. Aber die Leute glauben wirklich, ihr Leben sei ruiniert, wenn das Kind mit drei Jahren nicht in die richtige Schule kommt. Das finde ich komisch, das ist für mich ein grotesker, absurder Stoff.
SZ: Der Fehlschlag, der Misserfolg ge-hört zu Ihren Lieblingsthemen. Ist das eine Grundregel des Komischen: Misser-folg ist komisch, Erfolg nicht?
Allen: Ja, Missgeschick und Ungemach sind komisch. Da braucht man nur an Chaplin oder Buster Keaton zu denken. Wenn einer auftritt, der auf lauter Widrigkeiten trifft, sich in Probleme verstrickt, lauter Schwierigkeiten hat, das ist für das Publikum, im Theater wie im Buch, immer lustiger als der gerade, er-folgreiche Weg, auf dem es kaum Konflikte gibt. Die Katastrophen des Lebens sind der beste Stoff für die Komödie – sie sind aber natürlich auch der beste Stoff für das Drama, für ernste, tragische Geschichten: Mord, Lust, Inzest, Betrug, Diebstahl – daraus sind die besten Dramen und Tragödien gemacht, sie sind aber zugleich Gegenstände, die eine überaus komische Darstellung erlauben.
SZ: Von einer Ihrer Figuren wird gesagt, sie sei nicht komisch, weil sie Scherze macht, wie man die vor fünfzig Jahren machte. Die Figur lebt im Schatten der Geister und Dämonen der Tradition, wie das in Ihren Filmen schon in „Play it again, Sam” war. Warum blicken Sie immer zurück auf die Traditionen der Komik, des Witzes, der Pointe?
Allen: Es gibt in den Vereinigten Staa-ten eine sehr starke komische Tradition, die viel weiter zurückgeht als fünfzig Jahre, in die zwanziger, dreißiger Jahre, und ich fühle mich dieser amerikanischen Traditionslinie der kleinen komischen Prosastücke zugehörig. Autoren wie S. J. Perelman und Robert Benchley waren für mich sehr wichtig, bis zu einem gewissen Grad auch James Thurber oder Ring Lardner.
SZ: Macht es einen Unterschied, ob man „casual stories” schreibt oder Filmszenen?
Allen: Ja, da liegen Welten dazwischen. Wenn man für den Film oder für ein Live-Publikum schreibt, braucht man unbedingt die großen Lacher oder man ist in ernsthaften Schwierigkeiten. Und es gibt viele Dinge, die sich komisch anhören, wenn man sie laut ausspricht. Das ist ein vollkommen anderes Phänomen, als wenn die komische Wendung an das innere Ohr des Lesers adressiert ist, wenn das nur in seinem Kopf geschieht. Da ist es ruhig, und man hört eigentlich nichts, man liest nur. Wer für ein leibhaftiges Publikum schreibt, muss sehen, dass er keine Ungewissheit lässt, dass er die Leute dazu bringt, alles unmittelbar zu verstehen, an der richtigen Stelle zu lachen, und dann muss man schon zum nächsten Lacher kommen. Da hat man nicht viel Raum für Hintersinniges.
SZ: Ist das Leben von sich aus komisch, oder sehen Sie Ihre Aufgabe darin, es komisch erscheinen zu lassen?
Allen: Das Leben ist meistens schreck-lich. Es gibt Momente des Lachens darin, in denen es amüsant und lustig ist, aber das sind Abschweifungen, von denen man immer wieder auf das zurückkommt, was das Leben wirklich ist. Und was es wirklich ist: nicht sehr bedeutend.
SZ: Was ist das Zentrum des Lebens?
Allen: Das Zentrum des Lebens ist tragisch.
SZ: Ihr Buch heißt „Mere Anarchy”. Hat Anarchie für Sie etwas mit Komik und Gelächter zu tun?
Allen: Der Titel ist ein Zitat aus einem Gedicht von Yeats – „Mere anarchy is loosed upon the world, The blood-dimmed tide is loosed . . . ”. Anarchie ist eine Welt des Chaos.
Interview und Übersetzung:
Lothar Müller
Pointen aufs Papier bringen: Woody Allen, 1996 in New York City Foto: Arnold Newman/Getty Images
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Eine Dienstleistung der DIZ München GmbH
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 22.09.2007

Das geht alles von Ihrer Zeit ab
Kunststücke: Woody Allen überlistet die Schwerkraft

Von Patrick Bahners

Er ist wieder da und ganz der Alte. Woody Allen legt seine vierte Sammlung von Kurzprosa vor. Der Geschichtenerzähler Allen hat ein Talent, wie es der Künstleragent hätte entdecken können, den Allen in "Broadway Danny Rose" spielt. Er ist ein Jongleur. Unter den vermischten Nachrichten der "New York Times" entdeckt er eine beliebige Kuriosität. Er reißt das Blatt heraus, zerknüllt es, formt es zu einem Ball und lässt den Ball rollen, über Arme, Beine und sonstige Gliedmaßen, über Hinter- und Vorderkopf, Haar- und Bauchansatz, wirft ihn hin und her, dreht sich und wendet sich und rotiert - und noch immer fällt der Ball nicht herunter, wieder und wieder lässt sich dem abgegriffenen Stoff noch eine Pointe abgewinnen, gibt es eine neue Drehung und eine weitere Wendung in Allens Rotationsnovelle.

Lange hätte der Ballzauberer dem Luftballonfalterduo und dem einbeinigen Stepptänzer in der Kartei von Danny Rose wohl nicht Gesellschaft leisten müssen. Wie in vielen Ballsportarten erklärt den Erfolg allerdings eine Selbstbeherrschung, die Selbstbeschränkung ist. Man beachte, was er alles nicht mit dem Ball macht: Er versenkt ihn nicht, schießt ihn nicht über die Linie, erzielt keinen Treffer, macht keinen Punkt. Wer diesen Virtuosen mit dem Zwischenruf "Und die Botschaft? Und was ist mit der Botschaft?" aus dem Konzept bringen möchte, den Obelix in "Asterix und der Kupferkessel" als Bildungsneubürger ausstößt, sitzt im falschen Theater und hat die Spielregeln nicht verstanden.

Diese Prosastücke gehorchen dem Gesetz des Stehaufkomikers, als welcher Allen begonnen hat. Für sie gilt die Negation der von Lester alias Alan Alda in "Verbrechen und andere Kleinigkeiten" zitierten Definition, Komödie sei Tragödie plus Zeit. Hier kommt das Komische heraus, wenn man von der Zeit alles Tragische abzieht, allen ungefälschten Lebensstoff, alles, was es nicht auf Kredit oder im Abonnement gibt. Was bleibt unter dem Strich? Der reine, sinnentleerte Moment, der den Ernst der Welt hinausschiebt. Und dann noch einer. Und noch einer. Da! Noch einer! Bis zur eleganten Schlusspointe, die mit der Verbeugung zusammenfällt.

Es gibt hier Anfänge, die einfach perfekt sind. "Ich bin wirklich erleichtert, dass sich das Universum endlich erklären lässt. Ich dachte schon, das Problem läge bei mir." Steigern könnte man die Ökonomie dieser zweigliedrigen Fügung nicht mehr. Das ist ja der Witz, den Woody Allen immer schon macht, die Verwechslung der eigenen Person mit dem Kosmos, dem gerade diese Person herzlich gleichgültig ist. Die Kunst, den Gag noch einmal hinzukriegen, ist nichts als Technik. Keine Variation ist der neue Einfall, weil das Thema eben nicht in eine andere Tonart versetzt oder durch Verzierung verkleidet wird.

Dem Urknall der perfekten Eröffnung folgt eigentlich keine Geschichte. "K. o. der Stringtheorie" ist nichts als eine Verkettung von Kalauern, insofern allerdings beim zweiten Lesen der Weltgeschichte nicht unähnlich. Das Teilchen von "Plancklänge", "ein Millionstel von einem Milliardstel von einem Milliardstel Milliardstel Zentimeter groß", stößt folgende Hypothesenbildung an: "Wie schwer wäre so etwas wiederzufinden, wenn es uns in einem dunklen Kino runterfiele. Und wie funktioniert die Schwerkraft? Und müsste man, wenn sie plötzlich aufhörte, in bestimmten Restaurants trotzdem noch Jackett tragen? Immerhin weiß ich aus der Physik, dass einem, der am Ufer steht, die Zeit schneller vergeht als jemandem auf einem Schiff, besonders wenn der auf dem Schiff seine Frau dabeihat." Wo Allens Filme als Beweisstücke im Kulturkampf der Geschlechter herangezogen werden, wird gegen das ehefrauenverachtende Menschenbild des Cartoonuniversums seiner Prosa niemand ernsthaft protestieren. Alles Inhaltliche ist Klischee. Die Konvention darf nicht gesprengt werden, sonst geht die Show nicht weiter.

In dieser hermetischen Immanenz der Kleinkunstwelt liegt dann freilich doch ein Unterschied zu jener uramerikanischen Unterhaltungskunst, als deren Parodist Allen in diesem Band zu höchster Form aufläuft, zum Musical beziehungsweise zum heiteren Lied. "Singt, ihr Sachertorten" lässt die Nummern eines Broadway-Hits über die Wiener Moderne Revue passieren: Wer wird noch Lehárs "Lippen schweigen" summen, wenn er das große Liebesduett von Alma Mahler und Ludwig Wittgenstein im Ohr hat: "Wovon man nicht sprechen kann, darüber muss man schweigen"? Mit dem Spektakel der Geläufigkeit, der himmlisch gleitenden Übergänge brilliert der Erzähler Allen wie Fred Astaire und Cole Porter. Es fehlt nur der von Porter besungene Wechsel von Dur nach Moll.

- Woody Allen: "Pure Anarchie". Stories. Aus dem Amerikanischen übersetzt von Malte Krutzsch. Kein & Aber, Zürich 2007. 188 S., geb., 17,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Schwelgerisch widmet sich Patrick Bahners dem neuen Story-Band von Woody Allen. Dieser, meint Bahners geradezu erleichtert, sei ganz der Alte. Seinem jeweiligen Stoff gewinne Allen noch immer Pointe über Pointe ab. Und wie das geht, erklärt Bahners auch. Nach den Regeln der Standup-Comedy, die nichts als den "reinen, sinnentleerten Moment" übriglässt. Inhaltliches, warnt Bahners, ist hier stets Klischee, also im Grunde unangreifbar.

© Perlentaucher Medien GmbH