Marktplatzangebote
Ein Angebot für € 40,00 €
  • Gebundenes Buch

In diesem Buch untersucht der amerikanische Philosoph und Filmtheoretiker Stanley Cavell, wie Gemeinschaften, Städte der Worte, sich entwickeln, aber auch stillstehen und verfallen können. Dabei bringt er Traditionen miteinander ins Gespräch, die sich aus alter Gewohnheit und Misstrauen wenig zu sagen haben: Schwergewichte der Philosophie von Platon bis zur Gegenwart und vermeintliche Leichtgewichte der Kunst wie die Filmkomödien und Melodramen Hollywoods in den dreissiger und vierziger Jahren.Es zeigt sich, dass die Mittel, mit denen diese Filme Schwierigkeiten und Illusionen ehelicher…mehr

Produktbeschreibung
In diesem Buch untersucht der amerikanische Philosoph und Filmtheoretiker Stanley Cavell, wie Gemeinschaften, Städte der Worte, sich entwickeln, aber auch stillstehen und verfallen können. Dabei bringt er Traditionen miteinander ins Gespräch, die sich aus alter Gewohnheit und Misstrauen wenig zu sagen haben: Schwergewichte der Philosophie von Platon bis zur Gegenwart und vermeintliche Leichtgewichte der Kunst wie die Filmkomödien und Melodramen Hollywoods in den dreissiger und vierziger Jahren.Es zeigt sich, dass die Mittel, mit denen diese Filme Schwierigkeiten und Illusionen ehelicher Gemeinschaft darstellen, Erstaunliches zu den Gesichtspunkten beitragen können, unter denen Platon und Locke die Bedingungen und Bedrohungen der politischen Gemeinschaft untersuchen, aber auch zu Emersons und Nietzsches Diagnosen des Konformismus in der Kultur. Mitbestimmung in der politischen Gemeinschaft verlangt ebenso wie in Freundschaft und Ehe danach, eine eigene Stimme zu entwickeln; eine Problematik, die, wie Cavell zeigt, als Dauerthema die Screwballkomödien durchzieht.Der Band bietet neben Interpretationen von Werken Freuds, Shakespeares, Ibsens, Shaws und Henry James' nicht nur eine Einführung zu Klassikern der Philosophie von Platon über Aristoteles, Locke, Kant, Emerson, Nietzsche bis hin zu Mill und Rawls, sondern auch einen neuen, höchst vergnüglichen Zugang zu Klassikern der Filmgeschichte wie 'It Happened One Night' (Es geschah in einer Nacht), 'The Philadelphia Story' (Die Nacht vor der Hochzeit), 'Adam's Rib' (Ehekrieg), 'Gaslight' (Das Haus der Lady Alquist), 'Mr. Deeds Goes to Town' (Mr. Deeds geht in die Stadt), 'Now, Voyager' (Reise aus der Vergangenheit), 'Stella Dallas', 'The Lady Eve' (Die Falschspielerin), 'His Girl Friday' (Sein Mädchen für besondere Fälle), 'The Awful Truth' (Die schreckliche Wahrheit) und 'Conte d'Hiver' (Ein Wintermärchen).
Autorenporträt
Stanley Cavell, geboren 1926, gilt als einer der interessantesten Philosophen Amerikas. Er war 1963-1997 Professor für Ästhetik und allgemeine Werttheorie an der Harvard University und Präsident der American Philosophical Association. Sein Buch 'Der Anspruch der Vernunft' (The Claim of Reason, 1979) gehört zu den grossen philosophischen Büchern des 20. Jahrhunderts.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 23.09.2010

Die zweite Hochzeit ist die richtige

Vom richtigen Streiten: Der Philosoph Stanley Cavell weiß Hollywoodkomödien recht weitreichende Maximen für unsere Lebensführung abzugewinnen.

Stanley Cavell sieht Paaren gern beim Streiten zu. Natürlich nicht irgendwelchen Paaren, am liebsten Cary Grant und Katharine Hepburn, die in den amerikanischen Komödien der dreißiger Jahre eine Wortsalve nach der anderen abfeuern. In Filmen wie "Die Nacht vor der Hochzeit", "Ehekrieg" oder "Die schreckliche Wahrheit" geht es um Paare, die sich infolge einer Krise oder eines Seitensprungs trennen, häufig sogar die Scheidung einreichen, dann aber doch nicht voneinander lassen können. Da werden Golfschläger zerbrochen, Autos demoliert und Gerichtsverhandlungen um den gemeinsamen Hund geführt. Vor allem aber wird in einem höllischen Tempo diskutiert, debattiert und gestritten. Bis die beiden am Ende aller dieser Filme schließlich wieder zueinander finden.

Wann immer er konnte, begab sich der 1926 geborene Cavell in das Dunkel des Kinos, um die Streitenden zu beobachten. Irgendwann schien ihm, da war er schon Philosophieprofessor in Harvard, seine Obsession selbst nicht mehr ganz geheuer gewesen zu sein. Und er hatte das unbestimmte Gefühl, dass sie irgendwie mit moralischen Überlegungen zu tun haben müsse. Doch als er versuchte, die bedeutendsten philosophischen Moraltheorien, von Kant bis zu den Utilitaristen, mit den Leben der Menschen in den Filmen zusammenzubringen, da gingen sie, wie er sagt, "wortlos aneinander vorbei, sie hatten offenbar nichts miteinander zu tun."

Warum diese Filme dann doch etwas mit Moral zu tun haben - auch darum geht es in Cavells großem Alterswerk. Und es ist ein Glück, dass es nun endlich auf Deutsch erscheint, denn Cavell gelingt es hier besser als in allen seinen anderen Büchern, seine Anliegen verständlich zu machen. Auch deswegen eignet es sich besonders gut als Einstieg in seine Gedankenwelten. Was jedoch nicht bedeutet, dass es sich hierbei um leichte Kost handelt. Es ist schon ein ziemlich steiler Weg, auf dem der Leser hier von der Ehe über die Sprachphilosophie bis zu Betrachtungen über das Wesen der Demokratie geführt wird. Und wie immer zeigt sich Cavell bereit, in über viele Zeilen mäandernden Sätzen auch den wildesten Assoziation und Verbindungslinien zu folgen. Doch wer sich darauf einlässt, wird belohnt.

"Cities of Words" heißt der fünfhundert Seiten starke Band auch im Deutschen. Natürlich fragt man sich, wie sie wohl aussehen mögen, diese Städte, alleine aus Worten gebaut. In ihrem Vorwort münzt die Übersetzerin Maria-Sybilla Lotter den Titel des Buches in "Gesprächsgemeinschaften" um. Das klingt zwar viel profaner, trifft aber Cavells Anliegen gar nicht schlecht. Denn um Gemeinschaft geht es ihm und um das Gespräch, durch das sie möglich wird.

Überhaupt wirkt es so, als gäbe es für Cavell nichts schlimmeres als das Abbrechen eines Gesprächs, das Erlöschen der Worte. So ist für ihn auch das Entscheidende an den Filmkomödien, dass die Paare ein Gespräch aufrechterhalten. Zwar hat es die Form eines Streits angenommen, dennoch machen die beiden weiterhin ihr Interesse aneinander deutlich. Den Streitenden geht es darum, etwas im anderen zu bewegen und dabei zeigen sie auch die Bereitschaft, selbst bewegt zu werden. Erst dieses Gespräch, geführt zwischen Freunden, ermöglicht schließlich die erneute Heirat. Und weil jeder dieser Filme auf irgendeine Weise mit einer zweiten Hochzeit endet, spricht Cavell auch von den Wiederverheiratungskomödien.

Nun behauptet Cavell, dass die Wiederverheiratungskomödien an einer Weltanschauung teilhaben, die er den moralischen Perfektionismus nennt. Die Paare streiten sich über die Frage, welches Leben sie führen wollen, welche Personen sie sein möchten. Und das sind genau die Themen, um die es im moralischen Perfektionismus geht. Traditionell ist der Perfektionismus eine ziemlich elitäre Idee, weswegen er innerhalb der Moralphilosophie eher ein Nischendasein fristet. Von seinem extremsten Vertreter Nietzsche wurde er als die Pflicht verstanden, die eigenen Fähigkeiten soweit zu verbessern, dass man Macht über andere erlangen kann. Zwar übernimmt Cavell von Nietzsche die Forderung "werde der, der du bist", doch deutet er sie entscheidend um. Nicht länger geht es bei ihm um die Ermächtigung über andere, sondern um Klarheit darüber, wer man eigentlich ist und wo die eigenen Bedürfnisse liegen. Wenn hier etwas perfektioniert werden soll, dann die Kenntnis der eigenen Persönlichkeit.

Es gibt keine Liste unabdingbarer Eigenschaften, die den moralischen Perfektionismus ausmachen. Vielmehr beschreibt Cavell ihn als eine Geisteshaltung, die von zwei Motiven geprägt ist: Der Vorstellung, dass das zu sich selbst strebende menschliche Selbst stets im Werden ist, sich sozusagen auf einer Reise befindet. Und dass es bei dieser Reise eines Freundes bedarf. Bei den Protagonisten der Filme finden sich beide Motive. Sie lassen sich von einem Freund, ihrem Partner, erziehen und haben gleichzeitig auch an dessen Erziehung teil. Weil sie dem anderen dazu verhelfen, die Person zu werden, die er sein möchte und als die er glücklich sein kann, ist für sie auch eine gemeinsame Zukunft möglich.

Am Ursprung jeder perfektionistischen Überlegung steht eine Situation, die als Krise empfunden wird. Erst sie setzt den Prozess der Neuorientierung und Selbstveränderung in Gang. In der Wiederverheiratungskomödie findet sich dieser Moment in der Scheidung wieder. Die Krisen entstehen laut Cavell aus einer Kollision der eigenen Bedürfnisse mit den Bedürfnissen und Ansprüchen der Gemeinschaft. Deswegen fragt der moralische Perfektionist nicht nur, wer er sei, sondern auch, wie er als Individuum einen Platz in dieser Gemeinschaft einnehmen und letztlich glücklich werden kann. Hier bedeutet Perfektionierung auch eine Veränderung der Gemeinschaft hin zum Besseren.

Die Krise kann aber nicht nur innerhalb von Freundschaften und Liebesbeziehungen, sondern in jeder Form der Gemeinschaft entstehen.Und wie in einer Partnerschaft ist auch eine funktionierende Demokratie und Gesellschaft für Cavell auf ein mit Zuneigung geführtes Gespräch angewiesen, in der ich meine Stimme erhebe, mich als ihr Mitglied positioniere und ihr dabei helfe zu dem zu werden, was sie eigentlich ist. Nur dann können sie gelingen, die guten Gemeinschaften, die Städte aus Wörtern.

DAVID GERN

Stanley Cavell: "Cities of Words". Ein moralisches Register in Philosophie, Film und Literatur. Aus dem Amerikanischen von Maria-Sibylla Lotter. Chronos Verlag, Zürich 2010. 480 S., geb., 50,- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
…mehr

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 18.07.2011

Die Lehre der Wiederverheiratungskomödie
„Cities of Words“: Das feinsinnige und humane Denken des Philosophen Stanley Cavell mäandert durch Philosophien, Dramen, Romane und Filme
Othello lässt sich von Desdemona scheiden: Diese Entscheidung wäre ein großer Verlust für unsere Tragödiengeschichte, auch wenn es heilsam für die Protagonisten wäre. Othello heiratet Desdemona ein zweites Mal: Dies würde einiges an Selbsterkenntnis, moralischer Reifung und Selbstformung für den eifersüchtigen Helden bedeuten. Bekäme man eine solche Geschichte gern erzählt? Der amerikanische Philosoph Stanley Cavell würde das sicher bejahen – schließlich hat er die Wiederverheiratung zu einem seiner Lebensthemen gemacht.
In seinem Buch „Der Anspruch der Vernunft“ von 1979 (das erst 2006 ins Deutsche übersetzt wurde), interessiert sich Cavell allerdings noch hauptsächlich für den Tod der Desdemona und seine tiefere philosophische Bedeutung. Es ist ein Buch über den Skeptizismus in der Philosophie, und Cavell sieht in Othello den scheiternden Skeptiker par excellence: Dessen Skepsis bezüglich der Treue von Desdemona verschleiert etwas Tieferes, einen „furchtbaren Zweifel, der eine noch furchtbarere Gewissheit verdeckt, eine uneingestehbare Gewissheit“. Was Othello letztlich gefehlt hat, so Cavell, „war nicht Gewissheit. Gewusst hat er alles, aber er hat sich dem, was er wusste, nicht überlassen . . . Für seinen Geist hat er zu viel herausgefunden, nicht zu wenig.“ Othello wollte das Faktum der menschlichen Getrenntheit nicht akzeptieren. Sein Handeln ist eine Auflehnung gegen die conditio humana. Es ist die Tragik des Skeptikers, die metaphysische Endlichkeit in einen intellektuellen Mangel verwandeln zu müssen, an der nicht endgültig beweisbaren Existenz oder an der Erklärbarkeit des anderen daher zu verzweifeln.
Wie man aus den Dilemmata des intellektuellen Skeptizismus durch moralische Selbstbildung entkommen kann, hat Stanley Cavell – der in Harvard lehrte und demnächst 85 Jahre alt wird – nach dem „Anspruch der Vernunft“ immer wieder untersucht; das beeindruckendste Buch ist vielleicht „Cities of Words“ von 2004, das nun in deutscher Übersetzung vorliegt. Man hat den schwer zu übertragenden Titel in der deutschen Ausgabe beibehalten; Übersetzerin Maria-Sibylla Lotter schlägt annäherungsweise „Gesprächsgemeinschaften“ vor. Dieses Wort bezeichnet in der Tat das zentrale Thema Cavells: die Möglichkeit der sprachlichen Annäherung aneinander, die Kommunikation zweier Ichs als Grundlage der Moral und sogar der politischen Philosophie.
Vor diesem Hintergrund interessiert Cavell diesmal eine Reihe von Hollywood-Komödien aus den dreißiger und vierziger Jahren wie „Die Nacht vor der Hochzeit“/„The Philadelphia Story“, für die er das Genre „Wiederverheiratungskomödie“ erfindet. In diesen Komödien geht es um Paare, die sich getrennt haben und die nach verschiedenen Auseinandersetzungen, die zu tieferen Einsichten über die eigenen Gefühle, die Eigenarten der Geschlechterverhältnisse und die Fallstricke des Lebens führen, wieder zusammenkommen.
Cavell ahnt, dass seine Leser enttäuscht sein könnten. Nicht etwa Folter, Verrat, Vergewaltigung, Genozid sind sein Thema, ihm geht es um alltägliche Lebenssituationen, um Personen, die zu entscheiden haben, „was für eine Art Leben sie leben wollen, was für eine Art von Personen sie sein wollen“. Dieses Interesse an dem Alltäglichen hat Cavell vom „späten“ Wittgenstein und seinem Lehrer J. L. Austin: „Ihre Rettung des sogenannten Gewöhnlichen vor seiner Unterdrückung durch einen Großteil der Philosophie ist für mich (. . .) von immenser Bedeutung gewesen. Ich kann mir schwer vorstellen, wie ich mich ohne dieses Gefühl der Befreiung weiter beharrlich hätte bemühen können, eine Nische in der akademischen Philosophie zu finden.“ Diesem philosophischen Befreiungsschlag ist es zu verdanken, dass Stanley Cavell Filme und Literatur so selbstverständlich philosophisch lesen kann.
Daher ist seine Moralphilosophie keine Grundlegung des Guten oder Richtigen im deontologischen oder utilitaristischen Sinne. Die Konflikte der Filmfiguren verweisen vielmehr auf Situationen, in denen eine Krise die Prüfung des eigenen Lebens erzwingt oder die nach Veränderung oder Neuorientierung verlangen. „Moralischen Perfektionismus“ nennt Cavell das Feld, in dem man sich mit derartigen Lebensentscheidungen bewegt. Damit meint er die „Hervorhebung jenes Aspekts einer moralischen Entscheidung, der mit dem zu tun hat, was man gelegentlich als Wahrhaftig-gegenüber-sich-selbst-Sein bezeichnet oder, wie Michel Foucault es formuliert hat, als Sich-um-sein-Selbst-Sorgen.“
Noch wichtiger als Foucault und Heidegger sind für Cavells moralischen Perfektionismus Emerson und Thoreau, jene „Transzendentalisten“ des 19. Jahrhunderts, die erstmals eine spezifische amerikanische philosophische Bewegung ausprägten – Cavell bricht für sie, obwohl oder weil sie von vielen akademischen Kollegen belächelt werden, eine philosophische Lanze, bringt sie in ein Gespräch mit europäischen Denkern wie Aristoteles, Kant und Nietzsche. Auch auf dieser Ebene entstehen in diesem Buch Gesprächsgemeinschaften.
Typisch für die Wiederverheiratungskomödien ist die „Situation eines drohenden moralischen Zynismus“: „der Versuchung, ein Leben abzuschreiben, das kohärenter und großartiger wäre als das, was man sich leisten zu können glaubt, nachdem die Hoffnungen und Träume der Jugend durch die Kompromisse des Erwachsenseins verdüstert worden sind.“ Cavell lässt seinen moralischen Perfektionismus an solchen Situationen ansetzen, er ist gar nicht interessiert an elitären Selbstauszeichnungen oder an übermenschelndem Über-sich-Hinauswachsen. Das Sich-selbst-verständlich-Machen ist das Entscheidende: sich anderen verständlich machen, indem man sich selbst versteht, eine eigene Stimme bekommt, in Gemeinschaft tritt. In den Komödien geht es um die Ehe, Cavell versteht die Wiederverheiratungsthematik aber genereller: als Freundschaft und als Nukleus demokratischen Denkens.
Cavells feinsinniges, kluges und humanes Denken mäandert sich durch Philosophien, Dramen, Romane und Filme. Cavell macht es dem Leser im Grunde nicht schwer, ihm zu folgen, er schreibt einladend und nicht hermetisch; doch muss man Lust an Verzweigungen mitbringen, sich auf Cavells Gedankenwege einlassen, ihm auch Geheimwege erlauben. Wer es tut, wird es nicht nicht bereuen. Die im engen Austausch mit Cavell entstandene schöne deutsche Übersetzung hilft, einen Einstieg in die Welt dieses wichtigen Denkers zu finden. Cavell hat die Geschichte von Othello und Desdemona nicht neu erzählt. Und einen moralisch perfektionierten Othello will man auch nicht auf der Bühne haben. Im echten Leben würde man ihn sich aber wünschen. OLIVER MÜLLER
STANLEY CAVELL: Cities of Words. Ein moralisches Register in Philosophie, Film und Literatur. Aus dem Englischen von Maria-Sibylla Lotter. Chronos-Verlag, Zürich 2010. 478 Seiten, 50 Euro.
Stoff für Philosophen: Der Film „Die Nacht vor der Hochzeit“ („The Philadelphia Story“) von 1940. Foto: action press
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
…mehr

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Stanley Cavell hat seine obsessive Leidenschaft für Hollywood-Scheidungskomödien in ein moralphilosophisches "Alterswerk" fließen lassen, das David Gern für die ihm abverlangten Lektüremühen reich belohne. Und weil dieses Buch für Cavells Verhältnisse ungewöhnlich verständlich sei, eigne es sich laut Rezensent besonders gut als Einstiegslektüre in die Gedankenwelt des 1926 geborenen Harvard-Philosophieprofessors. Man muss sich allerdings auf lange Schachtelsätze und ein weit verzweigtes Gedanken- und Assoziationsnetz einlassen, das von den streitenden und schließlich wieder zusammenfindenden Filmpaaren zum "moralischen Perfektionismus" führt, warnt Gern. Cavell stützt sich hier auf Nietzsche, der als "extremster Vertreter" dieser Position gelte. Allerdings wandelt er dessen Vorstellungen dahingehend ab, dass er im moralischen Perfektionismus eine "Geisteshaltung" beschreibt, bei der er "dem zu sich selbst strebenden" Ich das Bedürfnis nach einer Gemeinschaft dazugesellt, was sich dann in Streit und Versöhnung in den Filmkomödien der 30er Jahre ausdrückt, erklärt der Rezensent gefesselt.

© Perlentaucher Medien GmbH