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Produktdetails
  • Verlag: Phaidon, Berlin
  • Artikelnr. des Verlages: 9463
  • 1., Auflage
  • Seitenzahl: 240
  • Deutsch
  • Abmessung: 290mm x 250mm
  • Gewicht: 1938g
  • ISBN-13: 9780714894638
  • ISBN-10: 071489463X
  • Artikelnr.: 14702347
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 22.12.2005

Der kalte Widerschein der Wirklichkeit

Es war ein Symbol pathetischer Hilflosigkeit, als New York im Jahr eins nach seiner Katastrophe zum ersten Mal die Silhouette des zerstörten World Trade Centers mit Laserstrahlen nachmodellierte - viel größer als die Originale, zwei kalte, blaue Säulen im Nachthimmel, megalomanischer Trotz, Licht als Abglanz, als fahler Widerschein der Wirklichkeit (unsere Abbildung). Genau solche Brechungen sind die Lieblingsmotive des Fotografen Ralf Kaspers, der auf seinen großformatigen Aufnahmen die Welt zeigt, wie sie sich der Mensch erschaffen oder wie er sie zerstört hat - selten aber den Menschen selbst. Man blickt auf die Kulissen des Daseins, auf Häuserschluchten und Rinnsteinstilleben, ist erschreckt und gefesselt zugleich vom Januskopf der Zivilisation und sehnt sich nur nach einem: nach Wärme.

str.

"Ralf Kaspers - Fotografie", herausgegeben von der Galerie Ralf Kaspers (Fürstenwall 74, 40219 Düsseldorf, Tel.: 0211/397875, www.galerie-kaspers.de). Das Buch ist nicht im Handel erhältlich.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Die in diesem Band "in fabelhafter Qualität" abgedruckten Fotos von Stanley Kubrick haben für Rezensentin Verena Lueken bereits viel von dessen späteren Filmen. Schon die hier publiierten Arbeiten aus Kubricks frühen Jahre als Berufsfotograf hinterlassen aus ihrer Sicht "jenen Knacks in der Wahrnehmung" des Betrachters, um den es später auch in Kubricks Filmen gegangen sei. Besonders hebt die Rezensentin in diesem Zusammenhang ein kaum bekanntes Selbstporträt Kubricks aus den vierziger Jahren hervor. Aber auch andere Bilder und fotografierte Szenen könnten aus Luekens Sicht aus frühen Filmen stammen, seien zum Teil "Fotoessays, die sich die Freiheit nehmen zur narrativen Konstruktion". Im vorliegenden Band fand sie die Fotos nach Themen geordnet und durch Essays ergänzt. Besonders aufschlussreich über Kubricks Werk war für die Rezensentin ein Beitrag von Alexandra von Stosch und der Prolog von Jeff Wall, in dem er ihren Informationen Zufolge außerdem "nebenbei Susan Sonntags Theorie der Fotografie" erledigt hat.

© Perlentaucher Medien GmbH

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 05.11.2005

Auge, Auge, hellwaches Auge
Ein Münchner Professor grub und grub. Und entdeckte den sehr jungen Fotografen Stanley Kubrick. Eine Sensation.
von Tobias Kniebe
Die meisten Menschen hätten an dem kleinen New Yorker Zeitungskiosk nur die Schlagzeilen gelesen. Es ist der 12. April 1945, ein Tag der Sonderausgaben und dramatischen Großbuchstaben. Soeben hat die Welt vom Tod des amerikanischen Präsidenten Franklin D. Roosevelt erfahren. „F.D.R. DEAD” titelt der Daily Mirror über die halbe Frontseite, „Truman takes office” schreibt das American Journal. Stanley Kubrick, noch nicht einmal 17 Jahre alt und gerade auf dem Weg zur Highschool, sieht das, aber er sieht auch noch etwas anderes: den Zeitungsverkäufer. Er ist etwa 50 Jahre alt, strahlt die Aura lebenslanger, rechtschaffener, schlechtbezahlter Arbeit aus und hat den Gesichtsausdruck einer treuen, magenkranken Dogge.
Im Kopf des Kubrick - schon damals ganz Auge, ein hellwaches Auge mit dramatischem, politischem und sozialem Bewusstsein - entsteht sofort, wie das Silberbild in der Entwicklerflüssigkeit, eine Szene. Und also nimmt er die Kamera, die er ohnehin immer bei sich trägt, und (hier müssen wir dem Biografen John Baxter vertrauen) drückt eben nicht gleich ab. Sondern redet erst einmal mit dem Verkäufer. Ob er den Kopf in die linke Hand stützen könne, ganz so, als ob er sich tonnenschwer anfühle? Und ob er so schauen könne, als sei er zutiefst deprimiert, als stehe ganz Amerika nun vor einer ungewissen und trostlosen Zukunft? Ja genau, perfekt. Klick. Noch am selben Tag verkauft Kubrick das Bild an die Zeitschrift Look, bekommt einen Auftrag für eine neue Geschichte, wird gleich nach seinem Highschool-Abschluss 1946 fest angestellt und zieht also fünf Jahre lang mit der Kamera durch die Stadt und die Welt, um seine Auge für größere Szenen und Taten zu schulen. Der brillante Beginn einer brillanten Karriere, kein Zweifel.
Neu ist diese Geschichte über Kubricks Beginn als Fotoreporter für Cineasten nicht. Eher scheint es im Augenblick so, als sei das Erbe dieses großen Regisseurs inzwischen restlos vermessen, bis auf den letzten Zettelkasten ausgewertet, in großen Ausstellungen und in kiloschweren Prachtbänden für die Ewigkeit dokumentiert, genauso, wie er es selbst vorgesehen und noch zu Lebzeiten geplant hat. Und doch: Gerade inmitten dieser Kubrick-Monumentalisierung sind die Fotos dieser Seite der Vorgeschmack einer neuen Sensation.
Man wusste, dass der junge Kubrick ein frühreifer und erfolgreicher, überall einsetzbarer Fotograf war, der immer gute Bilder mitbrachte. Wie meisterhaft er wirklich mit der Kamera umgehen konnte, und wie sehr er als Künstlerpersönlichkeit bereits in diesen Fotografien präsent ist, das ahnte man dagegen nicht. Und alles spricht dafür, dass es der Meister sogar selbst vergessen hatte.
Wenn am 15. November der Bildband „Stanley Kubrick - Drama und Schatten: Fotografien 1945 - 1950” im Phaidon Verlag erscheint, ist dies nicht nur ein später Triumph für den Fotografen Kubrick, der seit einem halben Jahrhundert im Schatten des Kinolegende Kubrick steht. Es ist auch ein Erfolg für Rainer Crone, Professor für Kunst und Medien an der Ludwig-Maximilians-Universität München. Im Jahr 1993 fragte er Kubrick nach den Fotos von damals. Kubricks Antwort war, dass er weder über Prints noch Negative verfüge und sich auch nicht weiter damit befasst habe. Für einen gefürchteten Perfektionisten, der sogar seinen ersten Spielfilm aus dem
Verkehr gezogen hatte, um die eigene Legende zu stützen, klang diese Antwort bizarr. Es konnte nur bedeuten, dass Kubrick diese Bilder ziemlich egal waren - schnelle Auftragsarbeiten, ganz im Sinne des Zeitgeschmacks, mit minimaler künstlerischer Halbwertszeit. Crone aber ließ nicht locker: Er forschte in Kältekammern, Dokumentenspeichern und unausgewerteten Nachlässen in ganz Amerika, bis er schließlich 12 000 Negative gefunden hatte: Ein Schatz, der somit auch dem Zugriff der Kubrickschen Selbststilisierung entzogen war.
Wie sehr diese Bilder die alltäglichsten Sujets bereits zu großen Geschichten verdichten, ist erstaunlich - und man meint oft, bereits eine sehr bewusste Inszenierung zu sehen. Zum Beispiel bei Mickey, dem blonden Schuhputzerjungen: Das Einzelfoto mag noch als Schnappschuss durchgehen, aber die Serie im Buch offenbart, dass hier ein ganzes junges Leben erzählt wird, gewissermaßen in Filmstandbildern: Mickey bei der Arbeit, Mickey mit seinem besten Freund, Mickey mit seinen zehn Geschwistern, wie Orgelpfeifen aufgereiht. Aber dann auch fast philosophische Themen wie Mickeys Sehnsucht (vor einem Filmplakat von Zoltan Kordas „Jungle Book”) und Mickeys Freiheitsdrang (symbolisiert durch die Brieftauben, die er auf dem Dach seines Hauses füttert). Und immer stellt man sich dazu diesen freundlichen jungen Mann mit Segelohren, Kafka-Blick und dichtem schwarzem Haar vor, der den Jungen führt und anleitet und für einen Tag ein Team mit ihm bildet.
Der junge Kubrick kam überall hin: In die Slums genauso wie in die wiedererwachenden Jazzclubs, denen auch privat seine Leidenschaft gehörte, in den Alltag der kleinen Leute genauso wie in intime Situation mit Stars wie Leonard Bernstein. Und immer suchte er den besseren Zugang, die ungewöhnlichere Perspektive, den nicht abgenutzen Blick. Broadway-Tänzer und Zirkusartisten führten ihre Shows eigens für seine Kamera noch einmal auf, die Showgirls des Copacabana ließen ihn in ihre Garderobe, manches Starlet posierte beim Drehbuchstudium ernst vor seiner Linse. Das ist die eine, unbeschwerte Botschaft der Bilder: ein begabter und frühreifer Junge, der einfach die Welt entdeckt und sich ständig faszinieren lässt - wie in einem improvisierten, unschuldigen Erstlingsfilm.
Man kann aber auch eine Handschrift erkennen, die schon weit darüber hinausweist - zum Beispiel am Bild der beiden Showgirls: Neben der offensichtlichen, leicht verschwitzten Erotik des „Blicks hinter die Kulissen” wirken die Frauen in Gesicht und Gestik so ähnlich, dass man sich kurz fragt, ob man hier gerade auf einen Spiegeltrick hereinfällt. Aber so ist es nicht. Sie sind Klone eines einzigen herrschenden Schönheitsideals, Rädchen in einer am Ende mitleidlosen Entertainment-Maschinerie - und plötzlich hat das Bild eine Tiefe und Ambivalenz, die den Betrachter überfällt wie eine echte Kubrick-Szene. Denn das ist die wahre Entdeckung dieser Bilder: Löst man sie aus ihrem journalistischen Kontext, sieht man ein junges Genie bei der Arbeit - Auge in Auge mit den besten Fotografen seiner Zeit.
Stanley Kubrick, Drama und Schatten: Fotografien 1945 - 1950. Rainer Crone.
Phaidon Verlag, Berlin. Ca. 350 Schwarzweißabbildungen, 240 Seiten, 59,95
Euro, www.phaidon.com. Erscheint am 15. November 2005.
Schon der sechzehnjährige Kubrick begnügt sich nicht mit der Abbildung - er will die Inszenierung.
Was wir hier entdecken, ist ein frühreifes Genie der Bilder. Was wir hier sehen, sind lauter Kubrick-Szenen.
Der junge Kubrick, der sich hier oben im Spiegel fotografierte, kam überall hin, in die Slums genauso wie in die wieder erwachenden Jazz- und Showclubs. Und immer suchte er den besseren Zugang, die ungewöhnliche Perspektive, den noch nicht genutzten Blick. Das Bild unten ist ein Porträt des Meisters als altem Mann, jedoch kein Selbstbildnis. Abdruck der frühen Kubrick-Fotos mit Genehmigung des Museum of the City of New York
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