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Die Geschichte vergisst das Ungesühnte nicht. Missouri, Sommer 1929. In einer Kleinstadt sterben 42 Menschen, als es eines Nachts bei einer Tanzveranstaltung zu einer gewaltigen Explosion kommt. Es gibt viele Gerüchte über die Tragödie, doch die wahren Ursachen kommen nie ans Tageslicht, und als kurz darauf die Große Depression über das Land hereinbricht, scheint alles zu verblassen. Nur eine Person lassen die Ereignisse nicht los, die Haushälterin Alma DeGeer Dunahew. Sie hat ihre Schwester Ruby in den Flammen verloren und glaubt nicht an einen Unfall. Aber als sie Nachforschungen anstellt…mehr

Produktbeschreibung
Die Geschichte vergisst das Ungesühnte nicht. Missouri, Sommer 1929. In einer Kleinstadt sterben 42 Menschen, als es eines Nachts bei einer Tanzveranstaltung zu einer gewaltigen Explosion kommt. Es gibt viele Gerüchte über die Tragödie, doch die wahren Ursachen kommen nie ans Tageslicht, und als kurz darauf die Große Depression über das Land hereinbricht, scheint alles zu verblassen. Nur eine Person lassen die Ereignisse nicht los, die Haushälterin Alma DeGeer Dunahew. Sie hat ihre Schwester Ruby in den Flammen verloren und glaubt nicht an einen Unfall. Aber als sie Nachforschungen anstellt und dabei an der fragilen Ordnung der Stadt rüttelt, wird Alma mehr und mehr ausgegrenzt. Sie verliert ihre Arbeit und entfremdet sich von ihrer Familie. Erst vierzig Jahre später wird sie ihre eigene Wahrheit über jene Nacht enthüllen. Über ihre schöne, verführerische Schwester, die sich damals auf eine verhängnisvolle Affäre einließ, und einen Sommer, der niemals endete ... In seinem neuen Roman entwirft Daniel Woodrell einen literarischen Indizienprozess. Meisterhaft verwebt er einzelne Schicksalsfäden zu einer bewegenden Geschichte über jene Wahrheit, der man sich stellen muss, auch wenn man ahnt, dass sie einem am Ende das Herz bricht.
Autorenporträt
Daniel Woodrell, 1953 geboren, wächst in St. Louis und Kansas City auf. Mit siebzehn verlässt er die Highschool und meldet sich bei den Marines. Nach dem College nimmt er am renommierten Iowa Writers' Workshop teil. Sein Romandebüt 'Cajun Blues' erscheint 1986. Für den Roman 'Tomato Red' erhält er 1999 den Preis des amerikanischen P.E.N., im selben Jahr verfilmt Ang Lee seinen Roman 'Wer mit dem Teufel reitet'. 2010 wird die Verfilmung von 'Winters Knochen' beim Sundance Film Festival als bester Film ausgezeichnet und für vier Oscars nominiert. Daniel Woodrell lebt mit seiner Frau in Missouri.

Peter Torberg, geboren 1958 in Dortmund. Er übersetzte u.a. Oscar Wilde, Mark Twain, Raymond Federman, Michael Ondaate, Rudyard Kipling und für DuMont James Coltrane und James Buchan.
Rezensionen
"Daniel Woodrell ist ein großer amerikanischer Erzähler." -- STUTTGARTER ZEITUNG

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 05.05.2014

Dieser Kleinstadt entkommt keiner

Die Explosion war meilenweit zu hören, sie tötete Dutzende Unschuldige, die beim Tanzen waren. Daniel Woodrell nimmt uns gefangen mit einem bis heute ungesühnten Fall.

Am 13. April 1928 flog in West Plains, Missouri eine Tanzhalle in die Luft. Siebenunddreißig Tote, zwanzig so zerfetzt, dass sie nicht identifiziert werden konnten, zweiundzwanzig Schwerverletzte waren zu beklagen; wie es zu der Explosion kam, ist bis heute Gegenstand von Spekulationen. Möglicherweise ein Selbstmord des Automechanikers, dessen Werkstatt unter dem Tanzlokal lag.

Das 12000 Einwohner zählende Städtchen West Plains ist die Heimat des Schriftstellers Daniel Woodrell, einem der besten Krimiautoren, die zurzeit unterwegs sind. Auch mit seinem neunten Roman - dem ersten seit dem auch verfilmten Roman "Winters Knochen" von 2006 - bleibt er also einem seiner Stammgelände treu. Der 1953 geborene Nachfahre irisch-schottischer Einwanderer ist zum Dichter der Ozarks geworden, einem Hochplateau in den Bergen Missouris. Hier leben die nicht so glanzvollen Amerikaner, der white trash, zumal in der Zeit, in der Woodrell seinen Roman "In Almas Augen" spielen lässt, während der Großen Depression (bei Woodrell findet die Explosion 1929 in einem Ort namens West Table statt). Für die Titelheldin hat sich der Autor bei seiner Großmutter bedient, die zum Tatzeitpunkt dort als Dienstmädchen arbeitete.

Im Roman wie im richtigen Leben ist das Ereignis nie aus dem kollektiven Bewusstsein der Kleinstadt verschwunden. Vom Täter fehlt auch Jahrzehnte später jede Spur, auch ein Motiv ist nicht erkennbar. Gleichwohl gibt es zunächst jede Menge Verdächtige sowie eine Reihe von Bürgern, die sich selbst bezichtigen - so tief ist die Wunde, so traumatisierend, dass sie Jahrzehnte nicht verheilen will. Verstrickt sind in West Table alle, familiär, geschäftlich, nachbarschaftlich.

Traumatisiert ist auch Alma DeGeer Dunahew, die bei der Explosion ihre Schwester Ruby verlor. Und im Gegensatz zu allen anderen, weiß Alma, was sich zugetragen hat, oder zumindest glaubt sie, im Besitz der Wahrheit zu sein. Es dauert viele Jahre, bis sie scheibchenweise mit ihrer Version der Geschichte herausrückt. Sie tut es gegenüber ihrem zwölfjährigen Enkel Alek, im Sommer 1965. Die alte Frau mit ihrem bodenlangen Haar ist Alek unheimlich, aber auch er erkennt im Rückblick: "Alma DeGeer Dunahew war mit ihrer verkniffenen, feindlichen Natur, ihren dunklen Obsessionen und ihrem grundlegenden Verlangen nach Rache das große rote Herz unserer Familie, das wir geheim hielten und das uns Kraft gab."

Alek fungiert denn auch als Ich-Erzähler, kommt aber nur unregelmäßig zum Einsatz, weil Woodrell das Pferd multiperspektivisch von einem allwissenden Erzähler aufzäumen lässt. Der sieht von unten und oben auf das weitläufige Personal dieser Geschichte, blickt in Familienabgründe, in Leidenschaften, Gier, Armut, Hunger und die ungleiche Verteilung irdischer Güter in West Table. Wie so viele Kleinstädte ist das Städtchen zur Beute weniger einflussreicher und finanzstarker Clans geworden, die sich ohne politische Legitimation anmaßen, die Geschicke ihrer Mitmenschen zu bestimmen. Sie stellen sicher, dass der amerikanische Traum nur ein Köder bleibt, den die Leute schlucken, bevor sie begreifen, dass sie am Haken hängen.

Woodrells Romane hat man mit den Etiketten "southern noir" oder "country noir" belegt, der Autor selbst kann mit solchen Zuschreibungen wenig anfangen. Dass seine Bücher dem Genre zugeschlagen werden, zeigt nur, wie dehnbar der Magen heutiger Krimileser ist. Handelt es sich doch vielmehr um ein historisches Gesellschaftsporträt. Dass es von der ersten bis zur letzten Seite spannend nicht an Zug verliert, verdankt sich dem Können eines Autors, der schon mal in die Nachfolge Faulkners gerückt wird. Woodrell kann kurze, trickreiche Plots, und er kann verdichten, weil er Poesie und Umgangssprache zu einem Sound verknüpft, der einen hohen Wiedererkennungswert hat. Gleich auf der ersten Seite beschreibt Woodrell Almas Haare, die sie sich, nachdem sie vorübergehend dem Irrsinn anheimgefallen war, nie mehr schnitt: "Das Haar war weiß, mit Grau verschmiert, die Farbe einer Zeitung, die im Regen liegt, bis die Schlagzeilen über das Papier geflossen sind."

Die einfältige und die durchtriebene Schwester - da klingen auch Märchenmotive an. Alma, die Dienstmagd, Ruby, das leichte Mädchen, das sich von wechselnden Männern aushalten lässt und das "Romantik" und nicht Prostitution nennt. Dass Ruby Arthur Glenncross um den Verstand bringt, den örtlichen Bankdirektor, in dessen Diensten Alma steht, hat sehr viel mit dem Ausgang der Geschichte zu tun, die sich um die Täterfrage lange Zeit nicht zu kümmern scheint.

Für die schmalen, großen Romane von Daniel Woodrell aber gilt, was sein Erzähler Alek über Alma sagt: "Sie setzte mir Bilder in den Kopf, wo sie epische Ausmaße annahmen und nie mehr verblassten."

HANNES HINTERMEIER

Daniel Woodrell: "In Almas Augen". Roman. Aus dem Englischen von Peter Torberg. Verlagsbuchhandlung Liebeskind, München 2014. 192 S., geb., 16,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur TAZ-Rezension

Sehr zufrieden ist Christoph Schröder mit dem neuen Roman von Daniel Woodrell, der hierzulande mit seinem Roman "Winters Knochen" auch einem größeren Publikum bekannt wurde. Auslösendes Moment von "In Almas Augen" ist die Katastrophe einer 1929 von einer großen Explosion heimgesuchten Vergnügungshalle in einer amerikanischen Kleinstadt, erklärt der Rezensent: Nur eine Frau ist sich sicher, die Wahrheit hinter dem ungeklärten Ereignis zu kennen - und zahlt dafür den Preis sozialer Isolation. Ganz hervorragend findet der Rezensent weniger die Geschichte als solche, sondern Woodrells Erzähltechnik, die das Geschehen mittels zahlreicher Zeitsprünge mosaikartig ausbreitet, aber dennoch eine hohe Lesbarkeit garantiert. Noch mehr bestaunt er allerdings das Gespür des Autors für soziale Ungleichheiten: Man erfährt hier nicht nur viel über die USA vor der Weltwirtschaftskrise, sondern auch in Form zahlreicher "feiner Porträts" über die Menschen dieser Zeit, so Schröder. Das ergebe allemal einen "spannenden Roman", dessen Härte immer wieder auch genügend Raum für zärtliche Passagen lässt.

© Perlentaucher Medien GmbH
"Woodrell erschafft mit seinen bis ins Mark treffenden Sätzen auf knapp 200 Seiten das gnadenlos spannende Psychogramm einer amerikanischen Kleinstadt." Brigitte