Marktplatzangebote
4 Angebote ab € 6,00 €
  • Gebundenes Buch

Christian Geulen rekonstruiert die Dynamik rassentheoretisch begründeter Formen nationaler Identifikation, die in der fatalen Behauptung mündete, die Nation sei biopolitisch herstellbar.
Der Rassendiskurs beruhte nie allein auf dem schlichten Glauben an ewige Unterschiede, sondern vor allem auf einem instrumentellen Wissen vom Leben und Überleben der Körper und Bevölkerungen. Im Horizont dieses Wissens erschienen politische Gemeinschaften ebenso natürlich gegeben wie künstlich herstellbar. Aus Partikularität und Differenz wurde ein manipulierbares Objekt biopolitischer Kontrolle. Das Erbe…mehr

Produktbeschreibung
Christian Geulen rekonstruiert die Dynamik rassentheoretisch begründeter Formen nationaler Identifikation, die in der fatalen Behauptung mündete, die Nation sei biopolitisch herstellbar.

Der Rassendiskurs beruhte nie allein auf dem schlichten Glauben an ewige Unterschiede, sondern vor allem auf einem instrumentellen Wissen vom Leben und Überleben der Körper und Bevölkerungen. Im Horizont dieses Wissens erschienen politische Gemeinschaften ebenso natürlich gegeben wie künstlich herstellbar. Aus Partikularität und Differenz wurde ein manipulierbares Objekt biopolitischer Kontrolle. Das Erbe dieser Verschränkung von Rassendiskurs und Nationalismus im späten 19. Jahrhundert wirkt bis heute nach.
Autorenporträt
Christian Geulen ist Professor für Neuere und Neueste Geschichte und ihre Didaktik an der Universität Koblenz. Er forscht und lehrt zur Geschichte des Nationalismus und Imperialismus, zur politischen Ideengeschichte, zur Geschichtstheorie und zur Sozial- und Kulturgeschichte des 19. und 20. Jahrhunderts.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 27.01.2005

Neue deutsche Qualität
Die Verbindung von Nationalismus und Rassismus um 1900

Christian Geulen: Wahlverwandte. Rassendiskurs und Nationalismus im späten 19. Jahrhundert. Hamburger Edition, Hamburg 2004. 411 Seiten, 35,- [Euro].

Am Ende des 19. Jahrhunderts vollzog sich ein tiefgreifender Wandel des Nationalismus, der sich nicht nur radikalisierte, sondern mit der Umdeutung der Nation zu einem biopolitischen Programm eine vollkommen neue Form entwickelte. Ausgehend von den Klassikern der rassistischen Theorien - Joseph Arthur Gobineau und Charles Darwin -, weist Christian Geulen in den Schriften völkischer und antisemitischer Denker, der Reform- und Frauenbewegung sowie der Kolonialbewegung diese Neuformierung des Rassengedankens nach. Ein vergleichender Blick auf die Vereinigten Staaten stellt die Besonderheit der Entwicklung im Deutschen Reich heraus. Die rassentheoretische Debatte in den Vereinigten Staaten war jedoch nicht auf die Aufhebung der ethnischen und sozialen Vielfalt ausgerichtet, sondern "lediglich" auf die Verbesserung der Leistungsfähigkeit der jeweiligen gesellschaftlichen Gruppen. Ihr fehlte damit die neue Dimension des deutschen Diskurses.

Zweifellos hat Geulen mit seinem Befund recht, in der Zeit der Jahrhundertwende aufgrund der Verbindung von Nation und Rassismus eine neue Qualität des deutschen Nationalismus auszumachen. Die exemplarisch herangezogenen Textquellen von den mehr oder minder bekannten Rassentheoretikern Houston Steward Chamberlain, Ludwig Gumplowicz, Ludwig Woltmann oder Theodor Fritsch belegen dies deutlich. In ihrer Vorstellung war die Nation nur mehr eine biopolitische Organisation, die im alltäglichen Leben der Bevölkerung im Rassenkampf bestehen mußte. "Im privaten Ehebett ebenso . . . wie bei der Besiedelung der afrikanischen Steppe", wie Geulen süffisant formuliert.

Einer zentralen Frage weicht der Autor geschickt aus, die sich früher oder später jede ideengeschichtliche Arbeit stellen sollte: Welche Relevanz hatten diese radikalen Rassentheorien überhaupt innerhalb der öffentlichen Meinung oder auch nur innerhalb der Imperialismus- und Kolonialbewegung? Es ist immer ein leichtes Unterfangen, eine umfangreiche Theorie aufzubauen und sich dann die passenden Belege aus dem Quellenmaterial herauszusuchen. So lassen sich praktisch für jede noch so abseitige Idee die entsprechenden Nachweise finden. Natürlich kann man schwerlich erwarten, daß im Rahmen einer Studie die gesamte öffentliche Meinung empirisch untersucht wird. Einige kritische Aussagen etwa über das Verhältnis von Mehrheitsmeinung zur Minderheitsmeinung hätte man sich freilich schon gewünscht. Zugleich fragt sich der Leser immer wieder, ob sich die von Geulen herausgearbeitete Radikalisierung wohl auch in der Politik oder bei den Militärs in irgendeiner Form niedergeschlagen hat. Immerhin ist es sehr löblich, daß Geulen der Versuchung widersteht, vom Rassendiskurs im Wilhelminischen Deutschland einen direkten Weg zur "Machtergreifung" der Nationalsozialisten und weiter nach Auschwitz zu ziehen. Er setzt sich damit wohltuend von all jenen ab, die etwa von den Herero-Kriegen in Deutsch-Südwestafrika eine direkte Linie zum Krieg von Wehrmacht und der SS in der Sowjetunion und den Vernichtungslagern ziehen. Freilich ist unverkennbar, daß der biopolitische Rassismus der Kaiserzeit eine Vorform dessen war, was "1933 in Deutschland Staatsdoktrin wurde". Hierin ist Geulen voll zuzustimmen. Dies noch einmal klar herausgestellt zu haben, ist ein großes Verdienst seiner Arbeit.

Ob man dann für die Jahre 1933 bis 1945 von einer "biopolitischen Aushöhlung der Deutschen Nation" sprechen kann, erscheint indes sehr fraglich. Wenn der Verfasser eine derartige These aufstellt, hätte man sich als Grundlage zumindest einen ausführlicheren Exkurs hierzu gewünscht, der leider nicht geliefert wird. So hängt diese Aussage vollkommen frei im Raum. Es ist in diesem Zusammenhang auf die neuere Literatur etwa zum Vernichtungskrieg im Osten hinzuweisen, die verdeutlicht, daß ein biopolitischer Rassismus bei den Tätern wohl eher die Ausnahme gewesen sein dürfte.

Und weiter: Daß Geulen als Schüler Hans-Ulrich Wehlers die Sozialimperialismusthese als Kern des deutschen Imperialismus vor dem Ersten Weltkrieg begreift, vermag kaum zu verwundern. Ärgerlicher ist da schon die Tatsache, daß die Quellengrundlage der Arbeit insgesamt doch etwas schmal erscheint. Selbst wenn man den Anspruch verfolgt, die Forschung "gegen den Strich zu bürsten", bleibt es enttäuschend, daß praktisch keine Texte zutage gefördert wurden, die bislang noch nicht bekannt waren. Wirklich neu dürfte im Zusammenhang mit der Rassenideologie lediglich der Nachweis sein, daß diese radikale Interpretation auch in der Frauenbewegung der Kaiserzeit eine zentrale Rolle spielte.

Geulen hat mit seiner Arbeit die Verbindung von Nationalismus und Rassismus in Deutschland um 1900 noch einmal schärfer gefaßt, als dies bislang in der Forschung geschehen ist. Trotz aller Kritikpunkte hat er ein interessantes Buch zu diesem Thema vorgelegt. Die theorieverliebte Diktion des Autors - das Wort "Diskurs" scheint es ihm angetan zu haben - wird die Lektüre für Nichtfachleute allerdings zur Mühsal werden lassen. Geulens Werk ist ein Beispiel dafür, daß Historiker zuweilen daran scheitern, ihr Fachwissen nicht nur den interessierten Kollegen zu vermitteln, sondern dies auch einem größeren Leserkreis zugänglich zu machen. Vielleicht wäre auch darüber einmal ein Diskurs zu führen.

SÖNKE NEITZEL

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
…mehr

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 05.04.2004

Vom Ursprung der Entartung
Christian Geulen will zeigen, wie die Rassetheorien und der Nationalismus des 19. Jahrhunderts zusammenhängen
Seit dem späten 18. Jahrhundert hat das Wort „Rasse” eine biologische Bedeutung. Etwa in der Mitte des 19. Jahrhunderts gerannen die Spekulationen darüber zu einigen Grundannahmen, mit deren Hilfe man sich die großen Fragen der Anthropologie und Ethnologie zu erklären suchte: Die Menschheit, so wurde gesagt, bestehe aus verschiedenen, mit je unterschiedlichen Begabungen und Kräften ausgestatteten Rassen. Im Verein mit dieser Doktrin kam von der Jahrhundertmitte an so gut wie zwangsläufig die Schlussfolgerung, es seien die höherstehenden Rassen – zum Besten der Menschheit – legitimiert, sich gegenüber den minderbemittelten durchzusetzen. Die nationalsozialistischen Rassephantasien lassen sich bis in jene Zeit zurückverfolgen.
Mit den Überlegungen hingegen, die von der späten Zeit der Aufklärung bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts angestellt wurden, kann die Rasseideologie der Nazis – dem oberflächlichen Anschein zum Trotz – nicht in Beziehung gesetzt werden. Erstere ging nämlich nur bei sehr wenigen Autoren mit der Meinung einher, dass es so etwas wie Antagonismen oder Kämpfe zwischen Rassen gebe. Im späten 18. Jahrhundert war die Antwort, die mit dem Wort „Rasse” gegeben wurde, eine Lösung, auf die man kam, weil man keine bessere hatte: Nachdem es offensichtlich geworden war, dass die in Europa geborenen Kinder dunkelhäutiger Sklaven nicht weiß und die Kinder der weißen Siedlerfamilien in den Kolonien nicht dunkel wurden, war die so genannte Klimatheorie nichts mehr wert: der Einfluss des Wetters und der Lebensbedingungen konnte unmöglich für die Verschiedenartigkeiten der menschlichen Varietäten verantwortlich sein.
Eine andere Ursache musste gefunden werden. Sie wurde mit dem Wort „Rasse” beschrieben, und das in einer Zeit, die keine Vorstellung von genetischer Vererbung hatte. Die ersten Mediziner, Anthropologen, Polyhistoren und Philosophen, die sich über die Menschenrassen Gedanken machten, wollten wissen, wie es möglich war, dass die Menschheit, von der allgemein angenommen wurde, dass sie als eine Spezies erschaffen war, so unterschiedliche Spielarten hatte aus sich hervorbringen können. Selbstverständlich hielten die Europäer sich auch um 1800 für etwas Besseres, aber dieses Überlegenheitsempfinden wurde auf vielerlei Weise begründet, das neue Rassekonzept war dafür noch nicht der maßgebliche Ansatz.
Alle diese Zusammenhänge übergeht die Einleitung von Christian Geulens Buch über „Rasse und Nation”. So schreibt er zum Beispiel zusammenfassend, „ein gemeinsames Strukturmerkmal des Rassebegriffs” vor 1850 bestehe darin, dass er sich „grundsätzlich auf ein Verborgenes, Vergessenes, Vergrabenes” bezogen habe, „das es wiederzuentdecken, wiederzubeleben und zu rehabilitieren galt”. Genau das war eben nicht der Fall. Die verzerrte Sicht mag daher rühren, dass Geulen seine Kenntnisse über das Rassedenken vor 1850 nur aus – vornehmlich alter und in Teilen veralteter – Sekundärliteratur bezieht. Das Buch beginnt also auf dem falschen Fuß.
Volk und Gemeinschaft
Geulen will zeigen, „dass der Rassendiskurs keine Radikalisierung des Nationalismus im Sinne einer Intensivierung nationalen Bewusstseins, einer Verengung nationaler Zugehörigkeit oder Verhärtung nationaler Gemeinschaftsgrenzen mit sich brachte, sondern seine Radikalität gerade in der Freisetzung des Nationalen von hergebrachten Bindungen bestand, in der radikalen Umdeutung der Nation zu einem biopolitischen Programm”. Das ist nicht ganz leicht verständlich. Hat man den Satz oft genug gelesen, drängt sich die Vermutung auf, der Autor sage da etwas, was schon klarer und auch differenziert formuliert worden ist.
Ja, das Rassedenken des 19. Jahrhunderts hat dem politischen Nationalismus noch eins draufgesetzt; Nationalismus ist ein im Wesentlichen politisches Phänomen, Rassismus geht darüber hinaus. Was Geulen in Anlehnung an Foucault ein „biopolitisches Programm” nennt, verankert er im Sozialdarwinismus des 19. Jahrhunderts: Darwins Evolutionstheorie begreift er als Anstoß für einen Umbruch, durch den das Denken über Rasse sich dynamisierte, bis schließlich die sozialdarwinistisch gefärbte Vorstellung eines „Rassenkampfes” den zuvor eher politisch verstandenen Nationsbegriff ergänzt und überdeckt habe, was schließlich im nationalsozialistischen Deutschland bei der „biopolitischen Aushöhlung der Nation” geendet sei.
Das ist in der Sache nicht neu. Neu ist allenfalls der Versuch des Autors, diese Dinge mittels der Begrifflichkeiten und Methodik Michel Foucaults zu zeigen. Geulen interessiert sich nicht für Rezeptionssgeschichten oder die Entwicklung einzelner Konzepte, sondern er behandelt „den Diskurs”. Der aber ist ein heikel Ding, ist es auf jeden Fall dann, wenn man Foucault nur in seinen Theorien folgt, nicht aber in seiner Forderung nach genauer Quellenkenntnis.
Geulen betrachtet die Texte der in diesem Zusammenhang in der Regel behandelten Autoren, die sich über Rasse geäußert haben: Gobineau, Virchow, Chamberlain, Gumplowicz und andere, zuzüglich zweier deutscher Zeitschriften, die er auswertet, ohne den Leser davon zu überzeugen, dass ausgerechnet sie den „Diskurs” mehr bestimmt haben sollen als andere. Geulen kennt seinen Foucault; vom Thema, das er sich gestellt hat, kann man das leider nicht sagen. Es finden sich schlicht zu viele anachronistische Fehlinterpretationen und Zeichen von Unkenntnis in seinem Buch.
Anhand Geulens Gobineau-Lektüre lässt sich das exemplarisch zeigen: So behauptet er, Arthur de Gobineau habe in den Bänden seines 1853 bis 1855 publizierten „Essai sur l’inégalité des races humaines” (Essay über die Ungleichheit der Menschenrassen) als Erster die Idee von der Reinhaltung einer Rasse mit „der biologisch-sexuell verstandenen Thematik der Rassenmischung” verknüpft. Das ist falsch, Gobineau war nicht der Erste: Vor ihm war da zum Beispiel der amerikanische Anatom Samuel George Morton, der schon im Jahr 1847 Erwägungen über diese Dinge anstellte. Das ist ein Detail, das nicht zuletzt deshalb von Belang ist, weil Geulen ein ganzes Kapitel lang die Behauptung verfolgt, der amerikanische Rassediskurs sei ganz anders als der europäische gewesen.
In Gobineaus Essay sieht Geulen Foucaults Annahme bestätigt, der Rassismus moderner Prägung sei entstanden, als „sich die Reinheit der Rasse an die Stelle des Kampfes der Rassen” gesetzt habe. Auch das ist falsch – Geulen selbst widerlegt den Satz, indem er viele Autoren des späten 19. Jahrhunderts zitiert, die vom „Rassenkampf” handelten.
Kampf ums Dasein
Zweifelhaft ist auch die Angabe, Gobineau habe als Erster einen „modernen Rassebegriff” formuliert: Was Geulen diesbezüglich bei Gobineau findet, davon hatte schon der schottische Anatom Robert Knox geschrieben. Geulen zitiert zwar einen Satz aus Knox’ 1850 (und wieder 1862) publiziertem Buch „The Races of Men”, aber weil er Knox – ausweislich der Bibliographie – nicht gelesen hat, kann er dessen Rasseideen nicht mit denen Gobineaus vergleichen. Zur Glaubwürdigkeit seiner Interpretation trägt das nicht bei.
Sodann erklärt er: „Gobineaus These, dass jede kulturelle Weiterentwicklung nur und ausschließlich auf dem Wege der Vermischung der ,weißen Rasse‘ mit anderen zu Stande komme, rückte das Thema der fremdrassischen Sexualbeziehungen ins Zentrum des Rassendiskurses.” Warum soll dies im Zentrum liegen, und warum, wenn es hier denn läge, hat Geulen fast nichts weiter darüber zu sagen?
Immer wieder lässt er den Leser im Dunkel tappen bezüglich des Landes oder des Jahrzehnts, in dem man sich gerade befindet. In Deutschland wurde Gobineau erst in den achtziger Jahren des 19. Jahrhunderts gelesen, auch in Frankreich wurde sein „Essai” bei Erscheinen in den fünfziger Jahren kaum zur Kenntnis genommen. Geulen aber tut so, als wäre Gobineau seitdem wirksam gewesen.
Hinter manchen Ungenauigkeiten verbirgt sich allerdings auch ein strukturelles Handicap: Diese irritierend chaotische Studie dreht sich vor allem um Theorien über Rasse und Nation im deutschen Diskurs. Das indes darf der Autor nicht zugeben, weil er damit seinen ganzen Ansatz unterminieren würde. Denn soviel ist ihm klar: Die Debatten über sein Thema machten an den Grenzen eines Nationalstaats nicht halt; wer den „Diskurs” untersucht, muss es europaweit tun.
Im Fortgang des Buches verliert Geulen sich in Einzelthemen: Da geht es nicht nur um das Verhältnis zwischen Nation und Rasse oder um den Antisemitismus, der die Juden zum „biopolitischen Feind” gemacht habe, es geht auch um: Geschlecht und Sexualität (Geulen hat Otto Weininger gelesen), um Kolonialismus, um Weltausstellungen sowie um „Biologisierung und Globalisierung”. Es stimmt: Alle diese Dinge hängen irgendwie mit Nationalismus und Rasse zusammen. Aber weil der Autor zwischen den einzelnen Sujets keinen Zusammenhang herstellt, weil es seinen Kapiteln zudem an Systematik und Stringenz fehlt, wird dem Leser nur schwindelig. Eine Darstellung von „Rassendiskurs und Nationalismus im späten 19. Jahrhundert” ergibt sich daraus nicht.
Die Hamburger Edition hat sich Ansehen erworben als ein Verlag, der wichtige Studien über historische Themen von bleibender Aktualität veröffentlicht. Es wäre schade, wenn er sich den Ruf einhandelte, die einzige Voraussetzung für die Annahme eines Manuskriptes bestehe darin, dass ein Wort wie „Rasse”, „Volk”, „Nation”, „Nationalsozialismus” oder „Antisemitismus” im Titel vorkommt. FRANZISKA AUGSTEIN
CHRISTIAN GEULEN: Wahlverwandte. Rassendiskurs und Nationalismus im späten 19. Jahrhundert. Hamburger Edition, Hamburg 2004. 411 Seiten, 35 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.diz-muenchen.de
…mehr

Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Ziemlich unwirsch behandelt Franziska Augstein Christian Geulens Buch über Nationalismus und Rassismus, in dem der Historiker zu zeigen versucht, dass der Rassendiskurs im 19. Jahrhundert "keine Radikalisierung des Nationalismus im Sinne einer Intensivierung nationalen Bewusstseins" mit sich brachte, wie Augstein zitiert, sondern seine Radikalität "in der radikalen Umdeutung der Nation zu einem biopolitischen Programm" bestand. Das findet Augstein nicht ganz falsch, aber in der Sache auch nicht wirklich neu. Neu ist für sie allenfalls Geulens Ansatz, die Dinge als Diskurs zu behandeln, was ihr aber nicht reicht. Auszusetzen hat Augstein außerdem manche Ungenauigkeit, eine Reihe von "anachronistischen Fehlinterpretationen sowie fehlende "Systematik und Stringenz".

© Perlentaucher Medien GmbH