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Produktdetails
  • ISBN-13: 9783920456379
  • ISBN-10: 3920456378
  • Artikelnr.: 12344607
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 28.02.2004

Das Ding hat bloß Ärger gebracht
Sonny Kunst erzählt die Geschichte vom Nibelungenring

Die Erzählung von Siegfried und dem Drachen war eine Kindergeschichte, lange bevor die Handschrift des Nibelungenliedes wiedergefunden wurde. Aus dem Volksbuch vom "Gehörnten Siegfried" hatte man den Kindern über Jahrhunderte vorgelesen, aus billigen, nach Goethes Erinnerungen "auf das schrecklichste Löschpapier" gedruckten Ausgaben. Aber erst im neunzehnten Jahrhundert wurde der Stoff von Dichtern aufgenommen: von Friedrich Hebbel in einem Drama, das sich enger ans Nibelungenlied hielt, und von Richard Wagner in einer musikdramatischen Tetralogie, die die ungeheuersten psychologischen und geschichtsphilosophischen Perspektiven aufriß.

Ausgerechnet diese Version soll Kindern heute nahezubringen sein? Läge es nicht näher, mit einer der Kinder- und Jugendbearbeitungen des Nibelungenliedes zu beginnen, mit der von Franz Fühmann etwa, oder, für die Jüngeren, mit der von Willi Fährmann? Aber das Mißtrauen gegen dieses Buch, von Sonny Kunst erzählt und von Monika Laimgruber illustriert, schwindet schnell. Wer zu Anfang gedacht haben mag, hier werde in der Nach-Pisa-Hektik Bildung auf Teufel-komm-raus verabreicht, ohne Rücksicht auf die Fassungskraft der Kinder, sieht sich eines besseren belehrt. Vielmehr: überhaupt nicht belehrt, sondern höchst amüsant unterhalten.

Und zugleich wird ein grundsätzliches Mißverständnis ausgeräumt. Es lautet, Wagners Opernzyklus sei "schwer" und von einer Tiefe, an der ein unbefangener Hörer nur scheitern könne. Das Gegenteil ist der Fall. Endgültig wird man über das Experiment von Sonny Kunst erst urteilen können, wenn auch die angekündigte, zum Buch gehörende Auswahl-CD erschienen ist. Aber auch hier kann man vermuten, daß schöne Stellen wie die Industrie-Musik aus der Schmiede oder der Gesang des Waldvögleins oder die Trauermusik für den toten Siegfried dem Kind einen ersten und durchaus nachvollziehbaren Eindruck des Ganzen geben werden. Das Wichtigste ist hier wie überall, daß man eine auch nur von fern an die Schule erinnernde Situation vermeidet. Und dafür sind die Chancen gerade heute gewachsen. Denn ein Kind, das zum ersten Male vom Rheingold hört, von der Macht des Ringes und von seinem Fluch, wird, wenn es Tolkiens "Hobbit" kennt und vom "Herrn der Ringe" schon mal gehört hat, Verwandtes wiederfinden.

Philipps Eltern, so der Rahmen der Nacherzählung, gehen aus. Schon wieder in die Oper, wo sie doch gestern erst waren? Ja. Und nun erzählen Vater und Mutter abwechselnd an vier Abenden die Geschichte vom Ring. Allen mythischen Apparat von Nornen und Erdmüttern kann die Nacherzählung freilich nicht bringen, sie braucht ihn auch nicht. Geht es denn am Ende um mehr als darum, daß Kommerz und Liebe einander ausschließen? Das können schließlich auch Kinder verstehen. Man merkt der Erzählung an, daß sie von einer Frau mit praktisch-klugem Sinn stammt, die sich vom Bildungsstoff weder einschüchtern läßt noch mit ihm einschüchtern will. Als Siegfried kurz vor seinem Ende erwägt, den Ring an die Rheintöchter zurückzugeben, spricht der gesunde Menschenverstand: "Dabei, wenn er's recht überlegt - könnten sie den Ring ja haben, wo ihnen doch so viel daran liegt. Er braucht ihn nicht. Im Gegenteil, das Ding hat bloß Ärger gebracht." Auch die Bilder von Monika Laimgruber lassen sich spielerisch auf das Drama ein. Germanisches Zierat, wie es die frühen Wagner-Inszenierungen liebten, wird nicht durch bemühte Vermeidung und Aktualisierung ausgesperrt, sondern leicht und zwanglos eingesetzt. Und die Heiterkeit, in der Monika Laimgrubers Bilder sonst schwelgen, bekommt hier eine tiefere, ernsthafte Note.

LORENZ JÄGER

Sonny Kunst: "Die Geschichte vom Ring des Nibelungen". Erzählt nach Richard Wagners Opernzyklus mit Bildern von Monika Laimgruber. Edition Hieber im Allegra Musikverlag, Frankfurt am Main 2003. 101 S., geb., 18,80 [Euro]. Ab 8 J.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Höchst amüsant unterhalten und überhaupt nicht belehrt fühlt sich Rezensent Lorenz Jäger von dieser Nacherzählung des Nibelungenliedes. Auch der Rahmenerzählung merkte Jäger der Erzählung an, dass sie von einer Autorin mit "praktisch-klugem Sinn" stammt, die sich vom Bildungsstoff weder einschüchtern lasse noch damit selbst einschüchtern wolle. Die erhöhten Chancen, die diese Geschichte vom Ring der Nibelungen heute bei Kindern und Jugendlichen haben könnte, hat für den Rezensenten auch mit der Popularität von Stoffen wie Tolkiens "Herr der Ringe" zu tun. Die Bilder von Monika Laimgruber lassen sich nach Ansicht des Rezensenten ebenfalls spielerisch auf das Drama ein und behandeln sogar Wagners germanische Motive "leicht und zwanglos".

© Perlentaucher Medien GmbH