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Jean Sibelius gehörte zu jenen Komponisten Europas, die lange Zeit unter dem Verdikt allzu konventioneller, zudem national inspirierter und geradezu erzählerischer Kompositionsweise litten. Inzwischen ist das Interesse an der spezifischen Klangwelt dieses Komponisten längst zur Selbstverständlichkeit geworden. 1865 im schwedischsprachigen Süden Finnlands geboren, hat er sich früh mit der Sagenwelt seiner Heimat beschäftigt, die in dem großen Nationalepos Kalewala kulminiert, das dann für zahlreiche Kompositionen Sibelius' die Anregung war. Aber auch die Tradition der Wiener Klassik war ihm…mehr

Produktbeschreibung
Jean Sibelius gehörte zu jenen Komponisten Europas, die lange Zeit unter dem Verdikt allzu konventioneller, zudem national inspirierter und geradezu erzählerischer Kompositionsweise litten. Inzwischen ist das Interesse an der spezifischen Klangwelt dieses Komponisten längst zur Selbstverständlichkeit geworden. 1865 im schwedischsprachigen Süden Finnlands geboren, hat er sich früh mit der Sagenwelt seiner Heimat beschäftigt, die in dem großen Nationalepos Kalewala kulminiert, das dann für zahlreiche Kompositionen Sibelius' die Anregung war. Aber auch die Tradition der Wiener Klassik war ihm vertraut. Am Ende seines langen Lebens war er - vor allem auf Grund seiner sieben Sinfonien und des Violinkonzerts - einer der großen Komponisten Skandinaviens, ja Europas. Erik Tawaststjerna hat seine Biographie als weitgespannte Lebenserzählung aufgefaßt, die von zahlreichen, meist unbekannten Abbildungen gestützt wird und so die Lebens- und Arbeitswelt dieses einzigartigen, erst 1957 gestorbenen Komponisten dem Leser nahebringt.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Begeistert zeigt sich Eleonore Büning über Erik Tawaststjernas Biografie des finnischen Komponisten Jean Sibelius, die zu ihrer Freude endlich in deutscher Übersetzung vorliegt. Sie würdigt den 1993 verstorbenen Tawaststjerna als "Mr. Sibelius", der im vorliegenden Werk die Summe seiner monumentalen fünfbändigen Sibelius-Studien gezogen hat. Der finnische Musikwissenschaftler zeichnet nach Ansicht Bünings das Leben Sibelius? mit "größter Sympathie" nach, so dass der Komponist dem Leser regelrecht ans Herz wachse. Sie betont das Bemühen des Autors um die "objektive Distanz des Chronisten", der anschaulich aufschreibt, wie es "wirklich" gewesen sein mag. So überprüfe Tawaststjerna Anekdoten auf ihren Kern, konfrontiere Selbstzeugnisse mit denen anderer Zeitzeugen, kläre Irrtümer auf und beseitige Zweifel. Lobend äußert sich Büning zudem über die "ausgezeichnete Übersetzung" von Gisbert Jäkel. Das Resümee der Rezensentin: ein "Prachtband mit herrlichem Bildmaterial".

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 10.03.2006

Männern des Geistes bleibt nur der Tod
Endlich liegt die Sibelius-Biographie von Erik Tawaststjerna auch in deutscher Übersetzung vor

Es gibt ein paar kleine, garstige Flecken im erhabenen Werk von Jean Sibelius. Gerade die klingen aber ungewöhnlich fröhlich und klar. "Jääkäri marssi op.91a" zum Beispiel ist nur ein Marsch von nicht einmal zwei Minuten. Ursprünglich für Männerchor und Klavier geschrieben, später ein orchestriertes "Lied ohne Worte", wurde dieser Jägermarsch in der ersten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts schlagermäßig unerhört populär in Finnland als auch in Deutschland. In der zweiten Hälfte hat man ihn dann seltener gespielt.

Das Stück war nicht nur eine aus dem Ärmel geschüttelte Gelegenheitsmusik, gewidmet der vaterländischen "Jägerbewegung". Es wuchs sich, wie schon zuvor die Tondichtung "Finlandia" (die Sibelius selbst als vergleichsweise eher "unbedeutend" bezeichnet hatte), zu einer patriotischen Hymne aus, einer Erkennungsmelodie mit konkret politischem Kontext. Die "Jägerbewegung" war eine Organisation, diebereitsseit 1914 junge Finnen heimlich in deutschen Militärtrainingslagern unter dem Decknamen des 27. Kgl. Preußischen Jägerbataillons hatte ausbilden lassen. 1917/18, als der Sibeliussche Marsch entstand, kämpften diese Jäger im Bürgerkrieg, der sich fast unmittelbar an die von Lenin verfügte Unabhängigkeit Finnlands anschloß, auf seiten der Weißen.

Damit, mit der gut- und großbürgerlichen Rechten, hielt es Sibelius zeit seines Lebens, nicht unbeeinflußt von seinem fennomanischen Schwiegervater, dem Generalleutnant und Gouverneur Alexander Järnefelt, sowie seiner geliebten, eifernden Ehefrau Aino. Unglückseligerweise geriet das Refugium der Familie, die selbsterbaute, ländliche Villa "Ainola" in Järvenpäa, während des Bürgerkriegs zwischen die Fronten, auf das von den Roten erkämpfte Gebiet. "Mord auf Mord, die Macht des Gesindels wächst wie eine Lawine", schreibt Sibelius am zweiten Februar 1918 in sein Tagebuch und sinnt darüber nach, weltfern-verträumt, aber zugleich egozentrisch-pragmatisch auf Werk und Nachwelt bezogen, wie seine Chancen wohl stünden: "Die Reihe kommt wohl bald an mich, denn als Autor des Jägermarsches bin ich persona ingrata ... Uns Männern des Geistes bleibt nur der Tod, früher oder später. Soll ich mit meinen sinf. Arbeiten weitermachen oder, solange noch Zeit ist, mich auf eine kleinere Komposition konzentrieren, die nicht soviel Zeit in Anspruch nimmt?"

Es gehört zur angenehmen Seite der Sibelius-Arbeiten von Erik Tawaststjerna, dem 1993 verstorbenen "Mr. Sibelius" der finnischen Musikwissenschaft, daß er die kleinen und großen Idiosynkrasien seines Helden nicht unterschlägt, sie aber auch niemals denunziert. Er zeichnet den Menschen Sibelius und die außerordentlichen Empfindsamkeiten, die das kreative Potential dieser Künstlernatur ausmachten, mit größter Sympathie nach, dergestalt, daß das scheue Kind, der naturverbundene, farbenhörende, ironische Jungkomponist, der von seinem Wert zugleich überzeugte und an sich zweifelnde Altmeister auch dem Leser ans Herz wächst.

Allezeit bemüht sich Tawaststjerna in seiner quellensatten Biographie um die objektive Distanz des Chronisten, der möglichst anschaulich aufschreibt, wie es "wirklich" gewesen sein mag. Anekdoten werden auf ihren Kern überprüft, Selbstzeugnisse mit denen anderer Zeitzeugen konfrontiert, Irrtümer aufgeklärt, Zweifel beseitigt. Fünf Bände von jeweils 250 bis 400 Seiten umfaßt die Monumentalbiographie, die Tawaststjerna im Lauf seines Lebens zusammentrug und veröffentlichte, eine englische Übersetzung liegt schon seit den Neunzigern vor.

Nun ist endlich wenigstens das 1997 erschienene Kondensat dieser achtunggebietenden Forschungsarbeit als ein Prachtband mit herrlichem Bildmaterial auch dem deutschen Leser zugänglich gemacht worden, in ausgezeichneter Übersetzung von Gisbert Jäkel. Bestechend die gedrängte Kürze und Fülle der Informationen, die den Eindruck von Vollständigkeit vermitteln, obgleich das fünfbändige Gesamtwerk damit gewiß nicht ersetzt ist.

Das Werkverzeichnis im Anhang bietet sogar, auf nur wenigen Seiten, einen brauchbaren Konzertführer mit Erläuterungen und Notenbeispielen zu den großen Symphonien und symphonischen Dichtungen. Kleinere Werke, die Bühnenmusiken oder der Marsch der finnischen Jäger, sind kürzer abgehandelt oder nur mit Veröffentlichungsdaten aufgeführt.

Doch selbst über dies kurze Stück und seine Geschichte gibt Tawaststjerna näher Auskunft, indem er neben der Tagebucheintragung des Komponisten zwei weitere Quellen befragt: Nachweislich hätten nämlich auch die Sozialdemokraten die Bedeutung des gefeierten finnischen Nationalkomponisten anno 1918 wohl gekannt und anerkannt, selbst die Finnische Volksdelegation, höchste Regierungsgewalt der Roten, sorgte später für seine persönliche Sicherheit. Abgesehen davon habe der Jägermarsch während des Kriegs sowieso nicht gespielt werden können, weil die Militärkapellenfassung erst im Mai beim deutschen Verleger fertiggestellt worden sei.

ELEONORE BÜNING

Erik Tawaststjerna: "Jean Sibelius". Aus dem Schwedischen und Finnischen von Gisbert Jäkel. Jung und Jung Verlag, Salzburg 2005. 358 S., zahlreiche Abb., geb., 69,- [Euro].

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