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Bewertung von Aldo aus Neidersachsen

Viel Wahrheit liegt in diesem Buch.


  • Broschiertes Buch

2 Kundenbewertungen

Solidarität war gestern - Leben in einem gespaltenen Land
Immer mehr Bürger in Deutschland sind vom wirtschaftlichen Reichtum des Landes ausgeschlossen. Nicht nur Arbeitslose oder Rentner, auch viele Menschen, die sich in einer Endlosspirale von Billigjobs und Zeitarbeit befinden. Früher konnten sie sich nicht nur der sozialstaatlichen Unterstützung, sondern auch einer gewissen Solidarität sicher sein. Doch damit ist es nun vorbei. Wer nicht mehr mitkommt in unserer Wirtschaft, ist selber schuld. Reflexhaft werden ihm Bildung, soziale Kompetenz oder gar der Arbeitswille abgesprochen. Die…mehr

Produktbeschreibung
Solidarität war gestern - Leben in einem gespaltenen Land

Immer mehr Bürger in Deutschland sind vom wirtschaftlichen Reichtum des Landes ausgeschlossen. Nicht nur Arbeitslose oder Rentner, auch viele Menschen, die sich in einer Endlosspirale von Billigjobs und Zeitarbeit befinden. Früher konnten sie sich nicht nur der sozialstaatlichen Unterstützung, sondern auch einer gewissen Solidarität sicher sein. Doch damit ist es nun vorbei. Wer nicht mehr mitkommt in unserer Wirtschaft, ist selber schuld. Reflexhaft werden ihm Bildung, soziale Kompetenz oder gar der Arbeitswille abgesprochen. Die Intellektuellen gewöhnen sich an, die Verlierer der entfesselten Konkurrenz nach ästhetischen Kriterien ("Billigkonsum" und "Unterschichten-TV") abzuurteilen. Die abstiegsbedrohte Mittelschicht übernimmt diese Sicht. Dabei ist die Armut - die heute natürlich ein anderes Gesicht hat als früher - längst in dieser Mitte unserer Gesellschaft angekommen.

Kathrin Hartmann erkundet in Reportagen und in bestechend genauen Analysen unsere sich zunehmend spaltende Konsumgesellschaft: hier die Elite, die sich in gentrifizierten Stadtvierteln, neuerdings auch in Gated Communities und speziellen Clubs abschottet, dort die pauschal als "Unterschicht" für nutzlos erklärten Menschen, die sich oft nur noch über die sogenannten Tafeln ernähren können. Kommt es wenigstens dort noch zu einer wirklichen Begegnung von Arm und Reich?
Autorenporträt
Hartmann, Kathrin
Kathrin Hartmann, geboren 1972 in Ulm, studierte in Frankfurt/Main Kunstgeschichte, Philosophie und Skandinavistik. Nach einem Volontariat bei der »Frankfurter Rundschau« war sie dort Redakteurin für Nachrichten und Politik. Von 2006 bis 2009 arbeitete sie als Redakteurin bei »Neon«. 2009 erschien bei Blessing "Ende der Märchenstunde. Wie die Industrie die Lohas und Lifestyle-Ökos vereinnahmt.", 2012 erregte ihr Buch über die neue Armut - "Wir müssen leider draußen bleiben" - großes Aufsehen. Kathrin Hartmann lebt und arbeitet in München."Die grüne Lüge" (2018) wurde sowohl als Film (zusammen mit Regisseur Werner Boote) wie auch als Buchveröffentlichung ein großer Erfolg. Kathrin Hartmann lebt und arbeitet in München. Sie schreibt regelmäßig für die "Süddeutsche Zeitung", den "Freitag" und den "Spiegel".
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Dieser Ton! Weinerlich, vorwurfsvoll und zynisch zugleich, das kann Maximilian Weingartner nur schwer ertragen. Die von der Autorin konstatierte zunehmende Spaltung der Gesellschaft in Arm und Reich will er ja nicht in Zweifel ziehen. Aber wenn schon statt Analysen Anekdoten über Gated Communities als Nachweis für den Befund dienen sollen, meint er, dann doch bitte weniger Schmollen beim Schreiben. Kathrin Hartmanns pauschale Urteile über Marktfreiheit, Sarrazin und ehrenamtliche Hilfe sorgen überdies dafür, dass er der Autorin nicht glaubt. Schließlich, schreibt Weingartner, bediene sie sich der gleichen Mittel, die sie ihren Gegnern vorwerfe.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 18.04.2012

Hadern mit dem Laminat
Diffus die Angst, real die Effekte: Zwei Bücher handeln von Abstieg und Armut in der deutschen Gesellschaft

Was bislang nur in Ländern wie Brasilien oder den Vereinigten Staaten üblich war, existiert seit 2009 auch in Deutschland: ein Condominio, eine Gated Community namens "Arcadia". Dieses bewachte Dorf für Wohlhabende nahe Potsdam nimmt Kathrin Hartmann, ehemalige Redakteurin der "Frankfurter Rundschau", in ihrem Buch "Wir müssen leider draußen bleiben" als Beispiel, um die Spaltung der Gesellschaft zu beschreiben. Für die Sicherheit der Bewohner gibt es einen Zaun und eine Standleitung zur Polizei. Ein Wachmann sei auch geplant, weiß Hartmann: "Warum nicht gleich eine Selbstschussanlage", fragt die Autorin rhetorisch. Diese zynische Sicht der Dinge durchzieht das gesamte Buch, sachliche Analyse ist hier nicht zu erwarten.

Hartmann beschreibt in Reportagen und Anekdoten die ihrer Meinung nach zunehmende spaltende Konsumgesellschaft: hier die Elite, die sich in gentrifizierten Stadtvierteln und Gated Communities abschottet; dort die von der Mehrheitsgesellschaft pauschal als "Unterschicht" für nutzlos erklärten Menschen.

Man muss schon ein glühender Anhänger der Linkspartei sein, um den vorwurfsvollen, weinerlichen Ton bis zum Ende durchzuhalten. Obendrein schwächt die Autorin selbst ihre Glaubwürdigkeit, indem sie zu den gleichen Mitteln greift, die sie ihren Gegner vorwirft - sie urteilt pauschal, beleidigt und bedient Vorurteile. Passt Hartmann eine andere Meinung nicht, verteilt sie Etiketten, die das Ansehen beschädigen und andere Standpunkte aus der Debatte werfen sollen. Wer auf die Freiheit des Marktes setzt, wird schnell als "neoliberal" tituliert, der Historiker Paul Nolte ist ein "Hassprediger", Sarrazin ein "Rechtspopulist". Ehrenamtliche Helfer werden herabgesetzt, weil sie so aussehen, als ob sie in der Maximilianstraße in München einkaufen und einen Mini fahren.

Darüber gerät ihr eigentliches Anliegen in den Hintergrund, nämlich dass es in einem so reichen Land wie Deutschland immer noch Armut gibt und Menschen zur Tafel gehen müssen, weil immer mehr Bürger in Deutschland vom wirtschaftlichen Reichtum des Landes ausgeschlossen sind. Nicht nur Arbeitslose oder Rentner, auch viele Menschen, die sich in einer Endlosspirale von Billigjobs und Zeitarbeit befinden. Inmitten des Buches, in einem Halbsatz, entpuppt sich dann auch das Ziel der Autorin, nämlich aufzuzeigen, mit welch "menschenverachtender Strategie" die Elite ihren Bestand sichert. Eine Verschwörung von Menschen, die mehr als 50 000 Euro im Jahr verdienen? Das wäre wahrlich eine zu einfache Erklärung.

Auch Kathrin Fischer behandelt in ihrem Buch "Generation Laminat" das Auseinanderdriften von Arm und Reich. Die gelernte Journalistin, Jahrgang 1967, wuchs im Wohlstand der achtziger Jahre auf. Der ist lange vorbei, heute gilt für sie: "Wir müssen uns mehr anstrengen, um weniger zu erreichen. Weil die meisten sich mit dem Weniger aber nicht zufriedengeben wollen, lebt eine ganze Generation über ihre Verhältnisse", schreibt sie. Wo die Elterngeneration mit einem Gehalt eine Familie ernährte und ein Haus baute, reicht das Geld heute gerade für eine Mietwohnung mit Laminat. Probleme, über die Kathrin Herrmann wahrscheinlich nur lachen könnte. Dabei ist sich die Autorin durchaus bewusst, dass sie auf hohem Niveau jammert. Der langsame Abstieg der Mittelschicht und die Aushöhlung des Sozialstaats manifestiert sich für sie unter anderem in der privaten Altersvorsorge, der Zusatzversicherung für den Zahnarzt, den prekären Beschäftigungsverhältnissen, dem Auseinanderdriften der Mittelschicht. Dennoch stellt Fischer am Ende ihrer Analyse fest, dass die Angst des Abstiegs einerseits begründet ist, andererseits auch wieder nicht, etwa wenn man die hohe Beschäftigungsquote von Akademikern - derzeit bei vierundneunzig Prozent - zugrunde lege.

Auch wenn man selbst nicht von Arbeitslosigkeit betroffen ist - der Nachbar aus derselben Schicht ist es. Diese diffuse Angst vor dem eigenen Abstieg aufgreifend, tastet sich Fischer langsam voran, wirft Fragen auf, diskutiert und analysiert die bröckelnden Eckpfeiler der Gesellschaft. Ihre Bekenntnisse sind glaubwürdig: "Solidarisch gefühlt habe ich mich mit denen am unteren Rand der Gesellschaft jedenfalls bisher nicht. Ich habe mich noch nicht mal für sie interessiert. Ihre Armut ist mir, tatsächlich, gleichgültig." Natürlich ist dies auch kein sachlicher, neutraler Stil. Das Buch ist in Ich-Form geschrieben, aber die subjektive Sicht der Dinge wird hier - anders als bei Kathrin Hartmann - nicht verschleiert.

Dabei existieren durchaus inhaltliche Parallelen zwischen den beiden Autorinnen: Auch Fischer stellt das Wirtschaftsmodell des Kapitalismus in der bisherigen Form in Frage, fordert höhere Steuern für Besserverdienende, eine Vermögensabgabe. Aber erst nachdem sie Steuern, Bildung, Einkommensverteilung sowie das mangelnde Interesse an Inhalten und das lethargische Demokratieverständnis der Bürger erörtert hat. Sie ahnt: "Demokratie ist zu langsam für die gegenwärtige Welt." Dass der von ihr geschätzte Sozialstaat drei Jahrzehnte auf Pump finanziert wurde, unterschlägt Kathrin Fischer allerdings. Ihr anfänglicher Schock über den Wohlstandsverlust, sich nur noch eine Mietwohnung mit Laminat leisten zu können, weicht der Einsicht, dass sie ihren Lebensstil zu verändern, bescheidener zu leben hat.

MAXIMILIAN WEINGARTNER

Kathrin Hartmann: "Wir müssen leider draußen bleiben". Die neue Armut in der Konsumgesellschaft.

Blessing Verlag, München 2012. 416 S., br., 18,95 [Euro].

Kathrin Fischer: "Generation Laminat". Mit uns beginnt der Abstieg - und was wir dagegen tun müssen.

Knaus Verlag, München 2012. 288 S., br., 16,99 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 05.05.2012

Noch eine
Parallelgesellschaft
Was ist Armut? Wenn man an den Stadtrand ziehen muss, weil man in seinem Heimatviertel die Miete nicht mehr zahlen kann? Wenn man sich bei einer Tafel sein Essen abholt? Wenn man sich langsam aus dem gesellschaftlichen Leben verabschiedet, weil Hartz IV für Sportstudio, Kino und Zoo nicht mehr ausreicht? Oder ist man nur arm, wenn man als Kind mit Blähbauch in die Kamera von missio aktuell schaut? Der Sozialforscher Meinhard Miegel hat es einmal als „zynische Missachtung“ der wahren Armut bezeichnet, wenn Menschen in Deutschland als arm bezeichnet würden.
Die Journalistin Kathrin Hartmann sieht das anders. Sie klagt die Gleichgültigkeit all jener an, die noch nicht von Armut in Deutschland bedroht sind. Da ist etwa die Pressesprecherin eines großen Unternehmens der Ansicht, arme Menschen würden ihr Essen wegwerfen und sollten gemeinnützige Arbeit leisten. Hartmann hat Hunderte solcher Menschen voller absurder Vorurteile getroffen. Die meisten, von denen sie kopfschüttelnd spricht, haben studiert. Sarrazins Saat ist aufgegangen.
Wir mögen unsere Wirtschaftsordnung schätzen oder nicht. Wir mögen stolz auf die Errungenschaften des Sozialstaates sein. Aber diese Ordnung ist auf Konsum ausgerichtet, und wer nicht mehr konsumieren kann, gehört nicht mehr dazu. Menschen, die verarmen, ziehen sich aus Scham von ihren Freunden zurück und nehmen nicht mehr am gesellschaftlichen Leben teil. Wie sollten sie auch? Es kostet ja alles Geld.
Die Zahlen sprechen für sich: 22 Jahre nach dem Mauerfall ist der Anteil der Eigentumswohnungen im Ost-Berliner Bezirk Prenzlauer Berg auf 30 Prozent gestiegen. Inzwischen sind die Mieten so teuer, dass auch die Bioläden schließen, die den Bezirk zu dem gemacht haben, was er ist. Der Anteil der armutsgefährdeten Schichten ist in Deutschland binnen kurzem von 18,9 (2000) auf 25,4 (2006) gestiegen. Auf dem Arbeitsmarkt sieht es nicht besser aus: 7,3 Millionen Menschen arbeiten in Minijobs für 400 Euro im Monat, 900 000 Leiharbeiter erhalten nur die Hälfte des Lohns ihrer Kollegen. Bei diesen zehn Prozent Bundesbürgern mit Arbeit zweiter Klasse sind jene, die mühsam selbständig sind, und die Dauerpraktikanten gar nicht mitgezählt.
Solange die Arbeitnehmer nicht aufbegehren, scheint alles in Ordnung. Dass sich von 15 000 Beschäftigten beim Hermes-Versand nur 100 aktiv über Arbeitsbedingungen oder Löhne beschwert hätten, wertet das Unternehmen als 99-prozentige Zufriedenheit. Das kann man bei Löhnen zwischen 60 Cent und einem Euro pro Paket nicht richtig glauben.
Ohne den klaren Standpunkt der Autorin wäre das Buch weniger wert. Zunächst versucht man sich noch abzugrenzen, will in Hartmanns Stil mit „schon klar“ und „na dann“ eine Einseitigkeit ausmachen, um sich distanzieren zu können. Bis man merkt, dass es einen Grund gibt, warum die gewohnte Relativierung fehlt, es gebe aber wirklich auch Leute, die unser Sozialsystem missbrauchen: Solche Relativierung lenkt nur ab und hilft uns, in unserem bequemen Leben bräsig zu verharren. Und sobald der Leser gemerkt hat, dass er gegen die Autorin nicht mehr viel in der Hand hat, wird ihm wirklich mulmig.
Viele Leser werden das Buch daher nach zehn Seiten aus der Hand legen, weil sie spüren, dass sie nicht die Kraft haben werden, auf 400 Seiten die Spaltung unserer Gesellschaft aufgeblättert zu bekommen. Dabei hat Kathrin Hartmann einen der ehrlichsten und bedeutendsten Beiträge zur Gesellschaftsdebatte geliefert, die wir in den vergangenen zehn Jahren lesen durften. Also Augen auf und durch!
Ulrich Brömmling
Kathrin Hartmann:
Wir müssen leider draußen bleiben. Die neue Armut in der Konsumgesellschaft. Blessing Verlag, München 2012. 416 Seiten. 18,95 Euro.
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"In den USA gäbe es für so etwas einen Pulitzer-Preis." Pieke Biermann, Deutschlandradio Kultur