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Produktdetails
  • Hoke Moseley Nr.1
  • Verlag: Alexander Verlag
  • 3. Aufl.
  • Seitenzahl: 263
  • Deutsch
  • Abmessung: 180mm
  • Gewicht: 217g
  • ISBN-13: 9783895810770
  • ISBN-10: 3895810770
  • Artikelnr.: 10356261
Autorenporträt
Charles Willeford, geboren 1919 in Arkansas, mit acht Jahren Waise und mit vierzehn Eisenbahntramp, war Panzerkommandant im Zweiten Weltkrieg und später Boxer, Radiosprecher, Maler und Englischlehrer am Miami-Dade Junior College, er starb. 1988.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 04.04.2017

Haikus für
Miami
Neu aufgelegt – das Werk von Charles Willeford
Claude L. Bytell, Ramón Mendez, Herman T. Gotlieb … Der junge, unternehmungslustige Frederick J. Frenger jun. weiß die eher tote Zeit auf inneramerikanischen
PanAm-Flügen gut zu nutzen, indem er fremde Unterschriften übt, die auf den geklauten Kreditkarten stehen, mit denen er sich in der schönen, aber teuren Stadt Miami über Wasser halten will. Nach einer Stunde ist er nah genug. Als er dann durch die weite Flughafenhalle schlendert, tritt ein Hare Krishna an ihn heran und versucht ihm eine Anstecknadel in sein graues Wildledersakko – $ 287 – zu bohren: „Ich möchte dein Freund sein“, säuselt er. „Freddy packte den Mittelfinger des Hare Krishna und bog ihn scharf nach hinten. Der Krishna schrie auf, Freddy verstärkte den Druck, riss den Finger zurück und brach ihn.“
Dieser Zwischenfall mit dem jungen Psychopathen am Flughafen von Miami eröffnet den Roman „Miami Blues“ – und ist eine der ganz großen Szenen der Krimiliteratur, so lyrisch wie brutal. Es sind beides typische Gestalten der amerikanischen Achtziger, die hier aufeinandertreffen, der naive, traumselige Hare Krishna und der betrügerische und skrupellose Freddy, der doch gehörig böser wirkt als das große Vorbild Tom Ripley in den Romanen von Patricia Highsmith.
Charles Willeford hat „Miami Blues“ 1984 geschrieben, den ersten Fall des Kriminalers vom Miami Police Department Hoke Moseley, dem immer wieder sein Magen und seine dritten Zähne Schwierigkeiten machen, und mit diesem Roman und dieser Figur hat er endlich den Erfolg als Autor geschafft, der ihm lang verwehrt war. Drei weitere Moseley-Romane hat er noch fabriziert, 1988 ist er gestorben. Die vier Romane – „Miami Blues“, „Neue Hoffnung für die Toten“, „Seitenhieb“, „Wie wir heute sterben“ – sind im Alexander Verlag erschienen, in neu bearbeiteten Übersetzungen von Reiner Schmidt.
Miami war im Umbruch damals, ein Rentnerparadies, in das aus Kuba immer mehr Latinos drängelten, und das mit dem wachsenden Schmuggelbetrieb in den Griff der Drogenkartelle kam. Bedrohlichkeit, Lebenslässigkeit, Widerstand gegen das Establishment mischten sich – man mag sich noch sehr gut erinnern, wie rührend lästig die Hare-Krishna-Jünger das Bild bestimmten. Der in der Flughafenhalle übersteht den Schock des gebrochenen Fingers nicht, er stirbt, und das ruft Hoke Mosely und seine Kollegen auf den Plan. Während sie recherchieren, trifft Freddy die Schwester des toten Burschen und wird ein Opfer seiner schikanösen sadistischen Avancen.
Kriminalromane, zumal wenn sie in Serien kommen, haben ihren Rhythmus periodischer Wiederkehr, sie verschwinden immer wieder aus den Bücherregalen und der Erinnerung der Leser, und müssen dann nach zehn, zwanzig Jahren neu herausgebracht und erinnert werden. Und was sie an Realität damals gespeichert haben, wird von Mal zu Mal dichter. Bei uns erleben wir gerade Neuauflagen der Romane von Eric Ambler, Richard Stark, Ross Macdonald, Ross Thomas, James Crumley, Robert B. Parker, James Lee Burke (einige fehlen immer noch, Dorothy L. Sayers, John D. MacDonald …). Burkes New-Orleans-Noir wirkt wie die Vorgeschichte zu Amerikas Albtraum heute, die faltenlose Akkuratesse, mit der Starks Profidieb Parker seine Coups durchführt, ist ziemlich befriedigend in Zeiten mieser Hochfinanzspekulationen, Amblers Blick auf die Politik hinter der Politik ist erschreckend aktuell in einem Amerika, das Politik eigentlich abschaffen will. Mit Hoke Moseley sind wir zu Gast in einem solidarisch selbstverständlichen Amerika, es geht sehr viel um Familiäres, immer wieder merkt man beim Lesen, schon wieder fünfzig Seiten, und man hat sie nur im Moseley-Heim verbracht, der Fall ruht derweil.
Charles Willeford wurde 1919 in Little Rock, Arkansas geboren, seine Eltern starben, bevor er acht wurde, beide an Tuberkulose, er wuchs bei seiner Großmutter auf, in der Depressionszeit, und als er merkte, dass die nicht mehr für ihn sorgen konnte, sprang er auf einen der großen Frachtzüge und verschwand. Er schrieb sich bei der Armee ein, fälschte sein Alter dafür, diente unter anderen unter Patton, wurde mehrfach dekoriert. Er schrieb Lyrik – sein Leben lang, und auch der unberechenbare Freddy liebt und verfasst gern Haikus –, dann erste Romane, über den amerikanischen Mittelstand, „High Priest of California“, 1953, über einen Gebrauchtwarenhändler, der Bartók hört und T. S. Eliot liest.
Er schien einfach alles schon gemacht zu haben, schrieb sein Freund James Lee Burke, der Willefords Mut und Ritterlichkeit bewunderte. Im Jahr 1962 schrieb Willeford „Cockfighter“, über einen Mann, der beim Hahnenkampf seinen Lebensunterhalt verdient, und dieser Frank Mansfield, der in seiner Lebenseinstellung Hoke Moseley ziemlich ähnlich ist, will unbedingt „Cockfighter of the Year“ werden beim Southern Conference Tournament in Georgia, das ist der Nobelpreis der Hahnenkämpfer. Um zu zeigen, wie ernst er das meint, hat er beschlossen, bis dahin kein Wort mehr zu sprechen. Der Roman erschien 1962 im kleinen Chicago Paperback House, dann starb der Verleger in einem Autounfall, und mehr als zwanzigtausend Exemplare des Buchs verschwanden direkt im Ramsch. Die deutsche Ausgabe („Hahnenkampf“) wird im Mai beim Alexander Verlag wieder erscheinen.
Im Jahr 1976 hat Monte Hellman „Cockfighter“ verfilmt, Produzent war Roger Corman, die Kamera machte Rohmers Kameramann Nestor Almendros, Warren Oates spielt Frank, Willeford schrieb selbst das Drehbuch und taucht in einer kleinen Rolle auf – und schrieb auch ein Tagebuch über den Dreh. Franks Beharrlichkeit, seine Sturheit, schreibt er in diesem „Cockfighter Journal“, „wird jeden ansprechen, der zu viel redet, was Schreiber wie mich einschließt“.
FRITZ GÖTTLER
Lässigkeit und der Widerstand
gegen das Establishment
vermischten sich
Charles Willeford (1919–1988) hat geboxt, als Schauspieler und Radiosprecher gearbeitet, Pferde trainiert und Malerei studiert in Paris. Dann begann er Romane zu schreiben. Fot0: D.Poller
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