Marktplatzangebote
8 Angebote ab € 2,50 €
  • Gebundenes Buch

1 Kundenbewertung

Berlin im Jahr 2006: Ein Mann hat in den achtziger Jahren im Gebäude des Neuen Deutschland als Handwerker gearbeitet und später die DDR verlassen. Eines Tages bekommt er einen Anruf von seiner früheren Frau. Sie wartet in einem Krankenhaus auf die exakte Diagnose ihrer Krebskrankheit. Um ihr zu helfen, reist er zurück in die Stadt und versucht, die Ereignisse einiger Tage Anfang Mai 1986 zu rekonstruieren. War ein aus der Ukraine kommender Lastwagen, mit dem sie in Berührung kam, verstrahlt? Und warum erscheint der Tod eines Kollegen, an dem er sich die Schuld gab, zweifelhafter denn je? Sind…mehr

Produktbeschreibung
Berlin im Jahr 2006: Ein Mann hat in den achtziger Jahren im Gebäude des Neuen Deutschland als Handwerker gearbeitet und später die DDR verlassen. Eines Tages bekommt er einen Anruf von seiner früheren Frau. Sie wartet in einem Krankenhaus auf die exakte Diagnose ihrer Krebskrankheit. Um ihr zu helfen, reist er zurück in die Stadt und versucht, die Ereignisse einiger Tage Anfang Mai 1986 zu rekonstruieren. War ein aus der Ukraine kommender Lastwagen, mit dem sie in Berührung kam, verstrahlt? Und warum erscheint der Tod eines Kollegen, an dem er sich die Schuld gab, zweifelhafter denn je? Sind die Geschehnisse von damals der Grund dafür, dass er in dem Leben, das er bis vor Kurzem geführt hat, nie wirklich Fuß fassen konnte? Schnell beginnen die Tage in Berlin ihm zu entgleiten, werden zu einer verzweifelten Suche nach Orientierung angesichts eines nie verkrafteten Bruchs in seinem Leben.
Autorenporträt
Inka Parei wurde 1967 in Frankfurt am Main geboren und lebt in Berlin. Ihre Werke handeln von geschichtstrachtigen Orten und fragilen Lebenslaufen. Schon ihr erster Roman Die Schattenboxerin wurde mit dem Hans-Erich-Nossack-Preis ausgezeichnet und in 13 Sprachen übersetzt. Für Was Dunkelheit war erhielt sie 2003 den Ingeborg-Bachmann-Preis und zahlreiche weitere Auszeichnungen. Zuletzt erhielt sie das New-York-Stipendium des Deutschen Literaturfonds.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 19.11.2012

Beeckdörp hat das letzte Wort
Frank Schulz erhält den Kranichsteiner Literaturpreis

Die DDR ist noch lange nicht Vergangenheit. Die Erinnerungen an sie reichen bis in die Gegenwart, in den Alltag hinein, beeinflussen Denken und Handeln ihrer ehemaligen Bürger. Aufgewachsen in einem Land, das es heute nicht mehr gibt, verarbeiten viele deutsche Nachwuchsschriftsteller ihre Kindheitserinnerungen in Büchern, in denen die ostdeutsche Diktatur als schwierige Heimat mit mehr oder weniger kritischem Unterton, aber nie ohne eine gewisse Nostalgie wiederauflebt.

Der Blick auf die DDR verbindet auch die diesjährigen Stipendiaten des Deutschen Literaturfonds, deren Namen bei der Überreichung des Kranichsteiner Literaturpreises an Frank Schulz in Darmstadt bekanntgegeben wurden. Inka Parei, ausgezeichnet mit dem New-York-Stipendium, erzählt in ihrem Roman "Die Kältezentrale" vom Versuch eines geschiedenen Ehepaars, eine schicksalhafte Entscheidung zu rechtfertigen. Gregor Sander, der das London-Stipendium erhält, betrachtet in seinem Erzählband "Winterfisch" das Leben im ehemals zur DDR gehörenden Norden Deutschlands.

Auch Schulz' Werke sind mal düstere, mal heitere Heimat-Retrospektive. In seiner "Hagener Trilogie", die zwischen 1991 und 2006 erschien, geht es um den Versuch des Helden Bodo Morten, vor der eigenen Vergangenheit im für Schulz' Heimat Hagen stehenden Dörfchen Beeckdörp zu fliehen - im geographischen wie im Freudschen Sinne. Für sein Gesamtwerk und den jüngst erschienenen Roman "Onno Viets und der Irre vom Kiez" erhielt Schulz nun den mit 20 000 Euro dotierten Kranichsteiner Literaturpreis, den der Literaturfonds seit 1983 vergibt. Edo Reents, Redakteur im Feuilleton dieser Zeitung, beschrieb in seiner Laudatio den "Grundkonflikt zwischen Intellektuellem und Proletarier", den Morten auszutragen habe. Doch eigentlich sei von vornherein klar: Beeckdörp habe das letzte Wort.

Der mit 5000 Euro dotierte Literaturförderpreis ging an Benjamin Maack, der sich am Vormittag beim Wettlesen auch bei der Schüler-Jury des Darmstädter Ludwig-Georgs-Gymnasiums hatte durchsetzen können.

JULIA KERN

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
…mehr

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 01.12.2011

Das Rätsel des eigenen Lebens
Inka Parei erkundet Gedächtnislücken und das Druckhaus des „Neuen Deutschland“
Dass der Sozialismus und seine Produktionsstätten Hitze benötigten; Druck, Dampf, Energie – diesen Umstand hat Wolfgang Hilbig in seiner autobiographischen Erzählung „Der Heizer“ in die jüngere deutsche Literaturgeschichte eingeschrieben. Inka Parei nimmt sich nun des entgegengesetzten Pols an, der Kälte; und das, obgleich der Arbeitsplatz ihres Protagonisten und namenlosen Ich-Erzählers inmitten einer der propagandistischen Zentren der DDR liegt: Es ist das Druck- und Verlagshaus der Zeitung Neues Deutschland am Franz-Mehring-Platz in Berlin-Friedrichshain.
Kälte zu produzieren, ist hier die Aufgabe einer ganzen Abteilung, und gleich in der ersten Arbeitswoche wird dem neuen Mitarbeiter die Dringlichkeit seiner Tätigkeit erklärt: „Die manchmal äußerst heiklen Entscheidungsebenen auf der Leitungsebene der Redaktion, bei denen im Extremfall die Auslassung oder unangemessene Verwendung eines einzigen Wortes weitreichende Folgen haben könnte, führten immer wieder dazu, dass das Empfinden Einzelner sich derart stark sensibilisiere, dass nur noch eine ganz bestimmte Temperatur den Betroffenen erträglich erscheine.“ Doch nicht allein um die Menschen geht es: Die sogenannten Turboverdichter dienen vor allem der dringend notwendigen Kühlung der anfälligen tschechischen Druckmaschinen. Das Neue Deutschland als ein Ort der permanenten Improvisation und Neuregulierung; allein das ist schon ein starkes Bild.
Inka Parei erzählt auf zwei zeitlichen Ebenen: Die eine spielt im Jahr 2006. Der Ich-Erzähler erhält einen Anruf aus einem Krankenhaus, in dem man seiner Ex-Frau soeben die Krebsdiagnose gestellt hat. Er könne, so teilt sie ihm mit, bei der Therapie entscheidend helfen, in dem er Genaueres über einen ukrainischen Lastwagen herausfände, mit dem sie im Jahr 1986, unmittelbar nach dem Atomunfall in Tschernobyl, in Berlin in Kontakt gekommen und der möglicherweise radioaktiv verstrahlt gewesen sei.
Zu den Ereignissen in ebenjenem Jahr 1986 schweifen die Erinnerungen des Protagonisten immer wieder zurück; „Die Kältezentrale“ wird zu einer mit Anspannung aufgeladenen Rekonstruktion einer vielfach aufgesplitterten Tragödie. Bei diesen Splittern bleibt es auch; das Partikulare und das Fragmentarische sind die Erzählprinzipien des Romans und gehen analog mit der Disposition des Erzählers selbst.
Geradezu verzweifelt versucht hier einer, sich seines eigenen Lebens zu versichern, sich in der Wirklichkeit der Gegenwart zu verankern und zugleich Gewissheit über die Vergangenheit zu erlangen. Er fährt herum, findet alte Kollegen, von denen keiner ein Freund war, und rutscht zugleich immer tiefer in einen Zustand der sozialen Verwahrlosung ab – ein Mann, der sich im Osten fremd geblieben war und nach seiner Ausreise über das Aufnahmelager Marienfelde im Westen keinen Fuß auf den Boden bekommen hat. Nun ist er unausweichlich mit sich selbst konfrontiert, und „zu jedem Meter im jetzigen Leben kam einer aus dem damaligen dazu“. Es geht um den ehemaligen Selbstmord eines jungen Kollegen, um die Ausgrenzung des Abweichenden, um den nachträglichen Kampf um eine Daseinsberechtigung in einem untergegangenen Land, um die Konsistenz der eigenen Biographie.
Inka Parei, Gewinnerin des Ingeborg-Bachmann-Preises im Jahr 2003, wurde in Frankfurt am Main geboren und lebt seit 1987 in Berlin. Es ist ihrem erneut recht schmalen Roman nicht anzumerken, dass er zwangsläufig nicht nur auf rein recherchiertes Wissen zurückgreift, sondern auch (und gerade hier hat das Buch seine großen Stärken) von einer nicht selbst empfundenen Atmosphäre, einer aufgeladenen Stimmung der allgemeinen Unübersichtlichkeit lebt, die das eigene Tun selbst und gerade im Alltag zu einem rätselhaften Vorgang macht, ohne dass es in Frage gestellt würde. In dieser Hinsicht ist Inka Parei von Wolfgang Hilbig gar nicht so weit entfernt, wohl aber in ihrer Sprache, die knapp und kühl beobachtend bleibt.
„Die Kältezentrale“ ist ein streng durchgeformtes Buch. Hin und wieder ist das Rätsel, welches das eigene Leben dem Erzähler aufgibt, nicht von der Lust der Autorin an struktureller Geheimniskrämerei zu trennen. Am Ende ist alles anders als gedacht und bleibt dennoch unaufgelöst. Wärmer ist es in der Kältezentrale DDR allerdings noch immer nicht geworden.
CHRISTOPH SCHRÖDER
INKA PAREI: Die Kältezentrale. Roman. Verlag Schöffling & Co, Frankfurt am Main 2011. 210 Seiten, 19,95 Euro.
Für heikle Entscheidungen
bedarf es einer
ganz bestimmten Temperatur
Die Ordnung in der Setzerei täuscht, für Inka Parei ist das ND ein Ort ständiger Improvisation. Foto: ddrbildarchiv.de
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Eine Dienstleistung der DIZ München GmbH
…mehr

Perlentaucher-Notiz zur FR-Rezension

Dieser Erzähler, der aus der Kältezentrale kam, hat Judith Sternburg fasziniert. Genau genommen ist es allerdings die Autorin, die Sternburg fasziniert hat. Noch genauer Inka Pareis Konsequenz im Beackern eines Themas (die Unzuverlässigkeit der Erinnerung) und ihre Fähigkeit, das Private im Historischen zu sehen und umgekehrt. So kompliziert sich hier einer erinnert, so gefesselt ist Sternburg bald und folgt dem Kältetechniker des "Neuen Deutschland" in seine Vergangenheit und alle damit aufgerufenen Fragen. "Was war eigentlich los?" ist so eine Frage. "Ist dem Erzähler zu trauen?", eine andere. Meisterhaft in Einfühlung und Komposition findet Sternburg den Roman gebaut.

© Perlentaucher Medien GmbH
»Das 'neue deutschland' als ein Ort der permanenten Improvisation und Neuregulierung; das ist ein starkes Bild.« Christoph Schröder / Süddeutsche Zeitung»Durch die Raffinesse der Konstruktion und ihr sprachliches Vermögen hält Parei die schneidende Kälte der DDR auf konstantem Niveau [...]; ihrem Bann entkommt man nicht.« Katrin Hillgruber / Die Rheinpfalz»Das Beeindruckende an diesem Buch ist [...] die präzise und klare Sprache der Autorin. Parei schreibt Sätze, die man immer wieder lesen mag, schnörkellos und schön.« Claudia Hönck / Financial Times Deutschland»Lässt man sich mit Inka Parei auf die fieberhafte Suche nach der einen, der gültigen Wahrheit ein, wird es spannend wie im Thriller.« Sandra Kegel / Frankfurter Allgemeine Zeitung»Eine spannende, fast kriminalistisch organisierte historische Recherche; eine lakonische, sachlich-nüchterne Sprache ... Die Kältezentrale ist ein raffiniertes Verwirr- und Puzzlespiel.« Sigrid Löffler / rbb-Kulturradio»Die Kältezentrale ist eines jener Bücher, die man am besten gleich nach dem Zuschlagen noch einmal von vorne beginnt.« Anja Kümmerl / Weser-Kurier»Wenn man sich auf diesen leicht surrealen Trip in die Vergangenheit einlässt, entstehen sehr reale Einsichten über Deutschland einst und jetzt.«Ulrike Sárkány / NDR Kultur»Inka Parei - eine Meisterin der Zwischentöne. [...] Das Buch handelt von den Schwierigkeiten, Vergangenes zu deuten, wenn sich die Realität von einst gespenstisch verzerrt.« Irmtraud Gutschke / Neues Deutschland