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Ob Privatisierung öffentlicher Dienste oder Einführung von Studiengebühren, ob Hartz IV und Sozialkürzungen oder globale Militärinterventionen und Vorgaben zur Aufrüstung: Die gesellschaftspolitische Agenda der Bundesrepublik wird von der Bertelsmann-Stiftung entworfen. Diese »gemeinnützige« und steuerbegünstigte »Reformwerkstatt«, die zugleich das größte Aktienpaket am Bertelsmann-Konzern als dem weltweit viertgrößten Medienunternehmen hält, stellt die erfolgreichste Public-Private-Partnership dar - nicht nur auf Firmenprofit, sondern auch auf gesellschaftliche Steuerung ausgerichtet. Werner…mehr

Produktbeschreibung
Ob Privatisierung öffentlicher Dienste oder Einführung von Studiengebühren, ob Hartz IV und Sozialkürzungen oder globale Militärinterventionen und Vorgaben zur Aufrüstung: Die gesellschaftspolitische Agenda der Bundesrepublik wird von der Bertelsmann-Stiftung entworfen. Diese »gemeinnützige« und steuerbegünstigte »Reformwerkstatt«, die zugleich das größte Aktienpaket am Bertelsmann-Konzern als dem weltweit viertgrößten Medienunternehmen hält, stellt die erfolgreichste Public-Private-Partnership dar - nicht nur auf Firmenprofit, sondern auch auf gesellschaftliche Steuerung ausgerichtet. Werner Biermann und Arno Klönne beschreiben, wie die Bertelsmann-Stiftung Lösungen für Probleme findet, die sie selbst definiert, und wie sie bei deren Umsetzung geschäftstüchtig tätig wird - vom Kindergarten bis zur Hochschule, von der Kommune bis zur Geopolitik. Sie analysieren den ökonomisch-politischen Hintergrund der Bertelsmann-Konzepte und deren Zielhorizont: Gesellschaft, geführt wie ein Unternehmen, postdemokratisch.
Autorenporträt
Dr. phil. Arno Klönne, geboren 1931, ist Professor für Soziologie an der Universität Paderborn.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 10.12.2007

Alle Wege führen nach Gütersloh
Wie der Bertelsmann-Konzern als Speerspitze des konservativen Wertewandels fungiert
Kritik bringt den Bertelsmann-Konzern so schnell nicht aus der Fassung. Damit hatten Werner Biermann und Arno Klönne auch nicht gerechnet, die in ihrem Buch das Medienunternehmen aus Gütersloh als Missionare des neoliberalen Glaubens outen. Stichworte: Abbau der Sozialleistungen, Privatisierung, Elitedenken statt Chancengleichheit. Der angestrebte Wandel werde mit objektiven Zwängen begründet. Nach dem Motto: Die Politik des sozialen Ausgleichs hat nichts gebracht – außer heilloser Verschuldung. Als Speerspitze dieses Wertewandels machen die Autoren Bertelsmann aus und vor allem die hocheffiziente Arbeit der Stiftung. Die Agenda 2010 sei unter maßgeblicher Mitarbeit der Gütersloher Denkfabrik entstanden. Ebenso die „Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft” und die Kampagne „Du bist Deutschland”.
Auch in geopolitischen Fragen bezieht Bertelsmann eindeutig Position: Wohlstand und Freiheit müssten am Hindukusch oder im Kongo-Becken verteidigt werden; Alternativen zu Auslandseinsätzen der deutschen Streitkräfte gebe es nicht. „Eine Botschaft wirkt umso glaubwürdiger, je häufiger sie wiederholt wird, am besten aus vielen scheinbar voneinander unabhängigen Quellen. Wenn alle das Gleiche sagen, so zeigt dies beim normalen Bürger Wirkung.”
Es ist erstaunlich, was alles unter dem Dach des Bertelsmann-Konzerns (zumindest in Anteilen) angesiedelt ist: unter anderem die Verlagsgruppe Random House und Europas größtes Druck- und Verlagshaus Gruner+Jahr, die Deutsche Verlags-Anstalt, der Luchterhand-Literaturverlag, Goldmann, Heyne, Siedler; sämtliche RTL-Formate, der Fernsehsender Vox; Zeitschriften wie Stern, Spiegel, Brigitte, Geo, Capital, Frau im Spiegel, Auto, Motor und Sport, National Geographic Deutschland oder die Financial Times Deutschland. Nicht zu vergessen der altehrwürdige Lesering oder das Tochterunternehmen Arvato, das sich auf IT-Dienste und kommunales Management spezialisiert hat; in der englischen Stadt East Riding erhebt das Unternehmen bereits die Gebühren, zieht Steuern ein und zahlt Sozialleistungen aus; in Würzburg ist Ähnliches in Planung.
Ein anderes Beispiel für schonungsloses Kosten-Nutzen-Denken sehen Biermann und Klönne in der Bildungspolitik, für die die Bertelsmann-Stiftung die entscheidenden Studien liefert, und erläutern es an Themen wie Frühförderung im Kindergartenalter, Vergleichsmessungen von Schülerleistungen oder verordneter Wettbewerb unter Schulen und Universitäten – Stichworte: eigenverantwortliche Schule, Schulinspektionen, Professoren- und Veranstaltungsranking. Die Autoren sprechen von „neoliberaler Funktionalisierung der Bildung”.
Versöhnlicher in der Wortwahl, in der Sache aber nicht weniger klar, äußert sich der Schweizer Publizist Gian Trepp. Er schildert die Lebensgeschichte Reinhard Mohns, der als Kriegsheimkehrer 1946 das Erbe der Väter antrat und den Betrieb mit Verve und allerlei Tricks zu einem Weltkonzern ausbaute. Dass die
Eigentümer des ursprünglich evangelischen Druck- und Verlagshauses es stets verstanden, auf der Woge des Zeitgeistes das Beste für den Betrieb und den eigenen Geldbeutel herauszuholen, beschreibt Trepp in seinem Buch unprätentiös und, wenn es sein muss, auch in
schonungsloser Form: „Die Abkehr des C. Bertelsmann Verlags von der Religion erfolgte in mehreren Stufen: Zuerst kamen die christlichen Romane, dann die sentimental-nationalistischen Heimatromane und die Blut- und Boden-Romane und Kriegsverherrlichungsbücher, feldpostkonform verpackte Texte in Massenauflage zum Zwecke der psychologischen Vorbereitung von Hitlers Angriffskriegen.”
Reinhard Mohn, der heute 86-jährige Firmenpatriarch, brachte den in Schutt und Asche liegenden Betrieb mit Fleiß und bewährtem opportunistischen Gespür über die harten Nachkriegsjahre. Die 1977 gegründete Bertelsmann-
Stiftung will die Unternehmensphilosophie auf möglichst viele Bereiche der Gesellschaft übertragen. Politik und Demokratie seien in den Augen Reinhard Mohns weder transparent noch lebendig genug, um einen längst überfälligen
gesellschaftlichen Wandel zu fördern.
Gian Trepp fragt sich, ob ein derartiger Stiftungszweck tatsächlich „gemeinnützig” sei.
Wer tiefer in die Materie einsteigen möchte, der greift zu dem soeben in zweiter Auflage erschienenen Sammelband „Netzwerk der Macht – Bertelsmann”. Die neue Ratgeberindustrie wird hierin „als Kehrseite einer schleichenden Entdemokratisierung der Gesellschaft” bezeichnet. Politikberatung stehe für einen „Prozess unkontrollierter Wissensvermittlung”; das Konzept „Eigenverantwortung” und die damit einhergehende Individualisierung der Gesundheitsprävention entlasse den Staat aus seiner sozialen Verantwortung; ob Studiengebühren, leistungsorientierte Bildungs- und Kulturlandschaft oder Hartz-Reform: „Alle Wege führen nach Gütersloh”.
Das klingt nach neoliberaler Weltverschwörung. Tatsächlich richtet sich der Zorn der Bertelsmänner auf jede Reform, die eine Umverteilung von oben nach unten verspricht, einen Anspruch auf Chancengleichheit fordert oder Bürger stärker an der Gestaltung ihres sozialen Umfeldes beteiligen will. Demokratie benötigt aber Zeit; Mehrheitsentscheidungen sind Resultate langwieriger pluralistischer Willensbildungsprozesse. Während die globalisierte Ökonomie das gesellschaftliche Leben allein nach Kosten-Nutzen-Faktoren misst, wächst der Druck auf die Politiker, schnelle Entscheidungen zu treffen. Bertelsmann, so das Fazit der drei Bücher, schürt diese Erwartung. GODEHARD WEYERER
WERNER BIERMANN, ARNO KLÖNNE: Agenda Bertelsmann. Ein Konzern stiftet Politik. PapyRossa-Verlag, Köln 2007. 140 Seiten, 11,90 Euro.
GIAN TREPP: Bertelsmann. Eine deutsche Geschichte. Unionsverlag, Zürich 2007. 313 Seiten, 19,90 Euro.
JENS WERNICKE, TORSTEN BULTMANN (Hg.): Netzwerk der Macht – Bertelsmann. Der medial-politische Komplex aus Gütersloh. Verlag des Bundes demokratischer Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler (BdWi), Marburg 2007. 488 Seiten, 17,00 Euro.
Adlerskulpturen zieren das Dach der repräsentativen Hauptstadtrepräsentanz: Seit November 2003 residieren Bertelsmann AG und Stiftung in der rekonstruierten „Kommandantur” als Endpunkt der Straße „Unter den Linden” in Berlin. Foto: imago/Pemax
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Godehard Weyerer hat neuere Bücher über den Bertelsmann-Konzern gelesen, die sich in ihrer Einschätzung der Verlagsgruppe als neoliberaler Stimmungsmacher einig sind. In klaren Worten streichen Werner Biermann und Arno Klönne in ihrem Buch "Agenda Bertelsmann" die ihrer Ansicht nach unmissverständliche Stoßrichtung der Bemühungen Bertelsmannscher Publikationsorgane und nicht zuletzt ihrer 1977 ins Leben gerufenen Stiftung heraus, die darauf abzielen, einen Wertewandel in Deutschland weg von der Sozialen Marktwirtschaft und der Chancengleichheit hin zu vor allem auf ökonomische Grundlagen basierende Politik zu unterstützen, fasst Weyerer zusammen. In vielen Bereichen, wie der Bildungs- und der Außenpolitik sehen die Autoren bei Bertelsmann ein gnadenloses "Kosten-Nutzen-Denken" am Werk, das sie in ihrem Buch an den Pranger stellen, stellt der Rezensent interessiert fest.

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