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Den meisten mitteleuropäischen Lesern ist nicht bewusst, dass sich die Moderne nicht nur auf den Schauplätzen der europäischen (und nordamerikanischen) kulturellen Inszenierungen ereignete, sondern auch, z.B., in Ostasien. In Korea etwa war der Dichter Yisang in den 20er und 30er Jahren des 20. Jhds. eine solche Figur des kulturellen Umbruchs, deren Bedeutung mit den Jahren nur noch zunahm und beinahe zu mythischer Größe anwuchs. Der Autor, der seinen bürgerlichen Namen gemeinsam mit seiner bürgerlichen Existenz ablegte und mit dem Pseudonym Yisang zeichnete, starb mit 27 Jahren nach einem…mehr

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Produktbeschreibung
Den meisten mitteleuropäischen Lesern ist nicht bewusst, dass sich die Moderne nicht nur auf den Schauplätzen der europäischen (und nordamerikanischen) kulturellen Inszenierungen ereignete, sondern auch, z.B., in Ostasien. In Korea etwa war der Dichter Yisang in den 20er und 30er Jahren des 20. Jhds. eine solche Figur des kulturellen Umbruchs, deren Bedeutung mit den Jahren nur noch zunahm und beinahe zu mythischer Größe anwuchs. Der Autor, der seinen bürgerlichen Namen gemeinsam mit seiner bürgerlichen Existenz ablegte und mit dem Pseudonym Yisang zeichnete, starb mit 27 Jahren nach einem unsteten Leben in der Hauptstadt der Kolonialmacht Japan, das damals Korea besetzt hielt, an Tuberkulose, knapp nach seiner Verhaftung wegen »ungesunden Gedankenguts« (nämlich antikolonialistischer Gesinnung). Heute zählen seine Werke, die er in wenigen Jahren schrieb, zu den Grenzsteinen der Moderne in Korea. Dieser Band, Mogelperspektive, stellt den Dichter zum ersten Mal auf deutsch vor. Yisang steht mit seinem gesamten Werk für eine existenzielle Unsicherheit, für eine kontinuierliche Selbst-Erfindung. Krankheit und Spiegel sind häufig wiederkehrende Metaphern. Sein dichterischer Umgang mit unterschiedlichen Rollen ist kein bloßes Spiel wie bei seinen surrealistischen Zeitgenossen, sondern die riskante Verwandlung eines umrissenen Subjekts in eine Folge von Rätseln. So üben auch seine Gedichte (die meisten sind Prosa-Gedichte) einen dunklen, schwer erklärbaren Reiz aus, dessen Kern sehr oft in ihrer Körperlichkeit liegt.
Autorenporträt
Yisang, 1910 in Seoul als Kim Hae-Kyong geboren, gilt als der wichtigste Dichter der Moderne in Korea. Noch während seines Architekturstudiums veröffentlichte er erste (auf Japanisch geschriebene) Gedichte, betrieb eher erfolglos mehrere Cafés und war eine unübersehbare, dandyhafte Erscheinung im gerade zur Großstadt anwachsenden Seoul. Er starb, der Spionage verdächtigt und inhaftiert, in Tokyo 1937 an TBC. Sein in etwa sechs Lebensjahren entstandenes Werk umfasst insgesamt 100 Gedichte, einen Roman (Der 12. 12., 1930), fünfzehn Erzählungen und fünfzig Essays. Der Zyklus "Mogelperspektive" erschien 1934 in der Tageszeitung Choson Mitte, erregte aber Anstoß bei den Lesern und mußte nach der 15. Folge abgesetzt werden.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 09.12.2005

Giftige Tinte
Tosendes Gelächter, spitzer Dolch: Gedichte des Koreaners Yisang
„Wer mag er gewesen sein?” soll Rilke feinsinnig nach dem Tod des ihm rätselhaften Georg Trakl gefragt haben; ähnlich und vielleicht mit mehr Berechtigung könnten nicht nur europäische Leser und Kritiker nach Yisang fragen, der eigentlich Hae-kyong hieß, der 1910, im Jahr der kolonialen Unterwerfung Koreas durch Japan, geboren wurde und nach kurzer chaotischer Karriere 1937 in Tokyo starb. Wie seine Gedichte und Prosastücke, die vor allem in den letzten sieben Jahren seines Lebens entstanden, auszulegen seien, ist bis heute umstritten. So radikal war ihr Bruch mit den Gedichtmustern der koreanischen Literatur, dass sie bei ihrer Erstveröffentlichung geradezu einen Schock hervorriefen. Den literarischen Erwartungen entzogen sich Yisang und seine „Gruppe der Neun” von 1933 an durch einen Hermetismus, der ohne die japanische Rezeption der westlichen Literatur der Moderne nicht möglich gewesen wäre; manche Texte hat Yisang auf Japanisch geschrieben und dann selbst ins Koreanische übertragen.
Der Schock, den diese Literatur bei den Zeitgenossen auslöste, und die Überraschung, die sie für den westlichen Leser noch heute darstellt, spiegelt die nahezu brutale Dynamik, mit der der westliche Modernismus sowohl die Industrie wie die Gesellschaft und die literarischen Traditionen Koreas prägte; Yisangs Texte explodieren auf einer „Müllhalde der lyrischen Stimmungen”, die in Korea und in Deutschland gang und gebe waren (und meist noch sind). Sie sind eben nicht „stimmungshaft” sondern nur „konstruktiv” nachzuvollziehen. Siebzig Jahre später, zwei Generationen nachdem Yisang seine Texte in einer koreanischen Architekturzeitschrift und in Tageszeitungen veröffentlichte, können wir natürlich viel leichter die technisch-poetologischen Kennzeichen dieser ästhetischen, aber nicht politisch revolutionären Texte benennen und bewundern, wie hier das stilistische Repertoir etwa der Bildlichkeit, der Verkettung von Sätzen, des Changierens zwischen realistischer und metaphorischer Wortverwendung neu gehandhabt und konstruktiv freigesetzt wird.
Pfad der Schmerzen
Man könnte sagen, dies sei ja „reine Literatur”, selbstbezügliche „Literatur-Literatur”, aber die Beunruhigung durch diese Gedichte und kurzen Prosastücke ist bis heute tiefer als die durch manches an die aktuelle Politik gebundene Werk: Kurzfristige Rücksichtslosigkeit sichert im Ästhetischen oft langfristig bleibende Wucht und respektgebietende Dichte; ein lyrisches Requisit wie der „Mond” wird bei Yisang mit blutigem Schrecken aufgeladen, und die Überblendung von Wegabschnitten mit Hustenanfällen macht einen „weg”, also ein Leben, leidvoll-brutaler begreifbar als ein übliches lyrisches Bereden; hier ist „der weg”: „husten. mühevoll werfe ich luft in die luft aus. der weg den ich keuchend tapse ist meine story. die interpunktion die der husten setzt wird von der gelangweilten luft geknetet und verdaut. als ich ein kapitel gelaufen bin und gerade die schienen überquere da gibt es einen der meinen pfad betritt. der schmerz wird vom dolch zerteilt und legt sich mit den schienen überkreuz. ich breche zusammen sodass mir der husten entfällt. unter tosendem gelächter wird die selbstverächtliche miene mit giftiger tinte übergossen. der husten läßt sich einfach aufs nachdenken plumpsen und macht rabatz. mir bleibt die spucke weg.”
Den Herausgebern und Übersetzern ist dieser Fund, dem Verlag Droschl das Verdienst zu danken, diese Auswahl von Texten Yisangs mit einer detaillierten Erläuterung ediert zu haben; bleibt zu wünschen, dass mehr von diesem Autor (einen Roman gibt es noch, auch Erzählungen und Essays) bald nachfolgen.
JÖRG DREWS
YISANG: Mogelperspektive. Gedichte. Aus dem Koreanischen von Marion Eggert, Hanju Yang und Matthias Göritz. Nachwort von Janju Yang. Droschl Verlag, Graz 2005. 180 Seiten, 19 Euro.
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Hocherfreut zeigt sich Rezensent Jörg Drews über diesen Band mit Gedichten des Koreaners Yisang (1910 - 1937), den Marion Eggert, Hanju Yang und Matthias Göritz herausgegeben haben. Wie Drews berichtet, markierten Yisangs Gedichte einen radikalen Bruch mit den Gedichtmustern der koreanischen Literatur, zeichnen sie sich doch durch eine Geschlossenheit aus, der ohne die japanische Rezeption der westlichen Literatur der Moderne nicht möglich gewesen wäre. Er würdigt die Gedichte, die damals einen Schock bei den Zeitgenossen auslösten, als ästhetisch revolutionär. Yisang habe das stilistische Repertoir etwa der Bildlichkeit, der Verkettung von Sätzen, des Changierens zwischen realistischer und metaphorischer Wortverwendung neu gehandhabt und konstruktiv freigesetzt. "Man könnte sagen, dies sei ja ‚reine Literatur’, selbstbezügliche ‚Literatur-Literatur’", versucht Drews die Besonderheit dieser Gedichte auf den Punkt zu bringen, "aber die Beunruhigung durch diese Gedichte und kurzen Prosastücke ist bis heute tiefer als die durch manches an die aktuelle Politik gebundene Werk".

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