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Politik und Geschichte zwischen DDR-Nostalgie und kommunistischer Utopie.Keine der im Deutschen Bundestag vertretenen Parteien steht so sehr im Banne der eigenen Geschichte wie die Partei DIE LINKE und ihre Vorgängerin PDS. Keine andere hat eine so wechselhafte Geschichte, wie diese aus der SED hervorgegangene Partei. Daraus ergibt sich die Frage, wie DIE LINKE dieses Erbe verwaltet und wie sie ihre Geschichte als Mittel der Politik und der Profilierung nutzbar zu machen versucht.Christian Lannert schildert systematisch die Vergangenheitspolitik der Partei und beleuchtet einige der zum…mehr

Produktbeschreibung
Politik und Geschichte zwischen DDR-Nostalgie und kommunistischer Utopie.Keine der im Deutschen Bundestag vertretenen Parteien steht so sehr im Banne der eigenen Geschichte wie die Partei DIE LINKE und ihre Vorgängerin PDS. Keine andere hat eine so wechselhafte Geschichte, wie diese aus der SED hervorgegangene Partei. Daraus ergibt sich die Frage, wie DIE LINKE dieses Erbe verwaltet und wie sie ihre Geschichte als Mittel der Politik und der Profilierung nutzbar zu machen versucht.Christian Lannert schildert systematisch die Vergangenheitspolitik der Partei und beleuchtet einige der zum Verständnis ihrer Triebkräfte wesentlichen Diskurse. Am Ende steht ein zwiespältiger Befund: Der Autor zeigt eine Partei, die ihren hohen moralischen Ansprüchen bei der Aufarbeitung der SED-Vergangenheit zu genügen versucht, aber allzu oft mit aberwitzig geführten Debatten und ausufernden Grabenkämpfen in einem konfliktreichen Spannungsfeld zwischen DDR-Nostalgie und kommunistischer Utopie verharrt.
Autorenporträt
Christian Lannert, geb. 1984, studierte Geschichte, Germanistik, Politikwissenschaft und Öffentliches Recht an den Universitäten Heidelberg und Catania und ist seit 2011 Lehrer.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 26.03.2013

Die Suche nach Onkel Josef
Linkspartei und PDS

Immer, wenn bekannt wird, dass die Linkspartei insgesamt, einige ihrer radikaleren Gliederungen und etliche ihrer Abgeordneten vom Verfassungsschutz beobachtet werden, geht ein Stöhnen durch die zeithistorischen Institute des Landes: Warum nur lesen die Sicherheitsbehörden nicht die vielen Doktorarbeiten und Aufsätze zur Frage, woher die PDS historisch-ideologisch stammt und wohin die Linkspartei strebt? Aktueller, detailreicher und thesenfreudiger als das, was die Ämter über die Damen und Herren, die Sektengrüppchen und die Partei sammeln und sagen, sind Studien wie die von Christian Lannert allemal. Die Titelillustration seines Buches über die Vergangenheitspolitik der Partei ist klug gewählt. Rechts schwebt einer der vielen Lenin-Köpfe aus dem (Stadt-)Bild. Links, und 15 Jahre später, streben die Spitzen der Parteien, die kurz darauf zur Linkspartei fusionierten, zur Berliner "Gedenkstätte der Sozialisten", um die Ahnen Luxemburg und Liebknecht zu ehren, die auch schon die SED an vielen eisigen Januarsonntagen ehrte.

"Die Notwendigkeit der geschichtlichen Selbstverortung und Selbstvergewisserung ist für eine derart heterogene Partei, die nach ihrem Platz im politischen System sucht, von ungleich größerer Bedeutung als für eine bereits etablierte Partei", legt Lannert zu Beginn seiner Untersuchung dar. Er nimmt die Partei durchaus für voll. Den "Wandel von der SED zur PDS" sieht er nicht als "eine Art taktischer Bluff" an. Und ihm ist durchaus bewusst, dass "Teilausblendung und Schönfärbung der eigenen Geschichte" zum "politischen Inventar aller Parteien" gehören. Seine Arbeit soll anders sein als andere und nicht "mehr über die Gesinnung der Autoren als über den Gegenstand" aussagen. Er zitiert daher sowohl die Apologeten des Stalinismus und der SED-Politik als auch jüngere Funktionäre, die den "Bruch mit dem Stalinismus als System" glaubhaft vertreten, wie etwa das Parteivorstandsmitglied Halina Wawzyniak in einem Text zum 60. Geburtstag des Grundgesetzes 2009 über den "realen Sozialismus": "Die Geschichte hat geurteilt und das Urteil war vernichtend."

Lannert sieht die Auseinandersetzung um die Geschichtsbilder in der Linkspartei als Teil des Transformationsprozesses, der 1989 als friedliche Revolution einsetzte und der noch nicht abgeschlossen ist. Die SED sei gescheitert, ihr Untergang bilde für die Linke die Aufgabe, "Impulse daraus zu bewahren und umzusetzen". Das spezielle Verhältnis dieser Partei zur DDR sei nicht nur als "Traditionskabinett" zu verstehen, sondern es führe ein roter Faden von der Sehnsucht nach dem angeblich legitimen Anfang der SED- und DDR-Gründung in den Antikapitalismus. Eklats wie die um antisemitische Vorkommnisse in der Partei oder um den liebedienerischen Glückwunsch der früheren Parteivorsitzenden an Fidel Castro seien daher keine Ausrutscher, sondern wurzelten "tief in der Vergangenheitspolitik".

Weder die PDS noch die Linkspartei sei als "offen extremistische" Partei anzusehen, argumentiert Lannert. Zweifel an ihrer demokratischen Orientierung blieben jedoch wegen ihrer "zweifelhaften Haltung zu demokratischen Grundprinzipien" erlaubt. Zwei Personen spielen eine tragende Rolle beim Frischhalten solcher Zweifel, der frühere Partei- und Fraktionsvorsitzende Oskar Lafontaine und die stellvertretende Partei- und Fraktionsvorsitzende Sahra Wagenknecht. Lafontaine, so urteilt Lannert, habe "weniger das Lager der modernen Pragmatiker und Reformer" gestärkt, sondern er genieße "die Wertschätzung der Traditionalisten und offenen Extremisten".

Frau Wagenknecht, die Lafontaine gern als Spitzenfigur beerben würde, sieht Lannert gar als den "Fall" an, der "die Doppeldeutigkeit der Stalinismus-Debatte" in der Partei zeige. Dass sie "immer wieder" in Ämter gewählt wird, belegt in seinen Augen, "dass es eine große Mehrheit innerhalb der Partei gibt, die bereit ist, offen stalinistische Äußerungen zumindest zu dulden". Die inkriminierte Äußerung stammt allerdings von 1992: Was immer "berechtigt oder unberechtigt" gegen die Stalin-Zeit vorgebracht werde, ihre Ergebnisse seien "jedenfalls nicht Niedergang und Verwesung, sondern die Entwicklung eines um Jahrhunderte zurückgebliebenen Landes in eine moderne Großmacht". Heute mokiert sich Frau Wagenknecht über Kritiker, die ihr immer wieder "alte" Zitate vorhielten. Doch wie sie inzwischen zu dieser Art von Beschönigung steht, das sagt sie nicht. Und so markieren ihre Gesten ihre ideologische Heimat. Rasch ging sie mit Lafontaine bei der Luxemburg/Liebknecht-Ehrung 2013 am Gedenkstein "Den Opfern des Stalinismus" vorbei.

MECHTHILD KÜPPER.

Christian Lannert: "Vorwärts und nicht vergessen"? Die Vergangenheitspolitik der Partei Die Linke und ihrer Vorgängerin PDS. Wallstein Verlag, Göttingen 2012. 292 S., 29,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Angenehm frei von vorgefassten Meinungen sei diese Studie über eine zentrale Säule der Identität  der "Linken", ehemals PDS, SED, schreibt Mechthild Küpper. Christian Lannert hat nach Auskunft der Rezensentin die Kraft, einen wirklich differenzierten Blick auf die Partei zu werfen. Küpper ist mit dem Autor einig, dass die Auseinandersetzung über die Vergangenheit in der Partei zu den Etappen der Wiedervereinigung gehört und durchaus ihren Sinn hat. Dabei konstatiere Lannert durchaus, dass es auch Kräfte in der Partei gibt, die klar mit Stalinismus und Kommunismus gebrochen haben. Dennoch, so Küpper, erkennt Lannert in der Partei auch anhaltende Probleme, die er klar an zwei Personen festmacht: Oskar Lafontaine und Sahra Wagenknecht. Lafontaine, so Küpper, sei für Lannert eine Kraft, die eher die extremistischen Kräfte und Verweigerer in der Partei bestärke. Wagenknecht ist für Küpper zwar nicht mehr so eindeutig Stalinistin, wie Lannert offenbar behauptet, aber Küpper wirft ihr vor, sich nie von ihren früheren Verteidigungen des Totalitarismus distanziert zu haben.

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