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Lothar Machtans Buch zeigt, daß Hitler homosexuell war und daß es für das Verstehen seiner Person wie seiner Karriere unerläßlich ist, darüber im Bilde zu sein. Denn als das jederzeit vom Absturz bedrohte Scheindasein, das es in Wahrheit gewesen ist, hat man das Leben des deutschen Diktators noch nie wahrgenommen - und genau darin liegt die Provokation dieses Buches.

Produktbeschreibung
Lothar Machtans Buch zeigt, daß Hitler homosexuell war und daß es für das Verstehen seiner Person wie seiner Karriere unerläßlich ist, darüber im Bilde zu sein. Denn als das jederzeit vom Absturz bedrohte Scheindasein, das es in Wahrheit gewesen ist, hat man das Leben des deutschen Diktators noch nie wahrgenommen - und genau darin liegt die Provokation dieses Buches.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 08.10.2001

Wenn der Adi mit dem Schmidl und dem Putzi . . .
Was Sie schon immer über das "Dritte Reich" wissen wollten, sich aber nicht zu fragen trauten: Wie trieb es der deutsche Diktator?

Lothar Machtan: Hitlers Geheimnis. Das Doppelleben eines Diktators. Alexander Fest Verlag, Berlin 2001. 462 Seiten, 22,90 Euro.

In diesem Buch geht es endlich einmal um "die Darstellung des nicht oder kaum Darstellbaren". Das ist nicht umsonst zu haben: Sogar der "Preis einer auf den ersten Blick vielleicht peinlichen Intimverletzung" sei zu entrichten. Als Tabubrecher schreitet Lothar Machtan voran. Seine These stößt die Funktionalisten ebenso wie die Intentionalisten unter den Hitler-Forschern vor den Kopf: Der "Führer" war weder ein schwacher noch ein starker, sondern ein schwuler Diktator. Er habe sein "Triebleben" überspielen müssen, es nicht ausleben dürfen: der große Sublimator . . . Mit 18 Jahren soll sich Hitler im Jahr 1907 seiner gleichgeschlechtlichen Neigung bewußt geworden sein, spätestens mit 45 Jahren im Jahr 1934 soll er sich endgültig von ihr verabschiedet und sich nur noch auf das arme Großdeutschland konzentriert haben.

Ganz neu ist diese Sicht auf Hitler nicht; sie fand sich in den dreißiger Jahren in Artikeln der Exilpresse und 1959 in dem Buch des Schriftstellers und Klaus-Mann-Vertrauten Erich Ebermayer: "Denn heute gehört uns Deutschland . . . " Aber Machtan beabsichtigt, endlich ein reißfestes "Indiziennetz" zu weben. Eine besondere Rolle spielt das "Mend-Protokoll". Hans Mend, Ordonnanzreiter im Stab des List-Regiments, in das Hitler 1914 eingetreten war, ist Machtans posthumer Kronzeuge. Der Kriegskamerad habe schon früh bemerkt, daß Hitler "niemals eine Frau anschaute. Er stand bei uns gleich anfangs im Verdacht der Homosexualität, denn er war sowieso als abnormal bekannt." Im Jahr 1915, an der Westfront in der Brauerei Le Fébre bei Fournes, wurde Mend zum Ohren- und Augenzeugen: "Wir hatten Heulager. Hilter lag mit ,Schmidl', seiner männlichen Hure, nachts zusammen. Wir hörten ein Rascheln im Heu. Darauf knipste einer seine elektrische Taschenlampe an und brummte: ,Da schaut einmal die zwei schwulen Brüder.' Ich selbst interessierte mich für die Sache nicht weiter."

Mends Hitler-Porträt läßt nach Machtans Meinung "an derber Direktheit nichts zu wünschen übrig". Dem wegen Diebstahl, Betrug und Urkundenfälschung in den zwanziger Jahren Vorbestraften gelang es 1930, sich Zutritt zu dem Kreis des politischen Aufsteigers Hitler zu verschaffen. Dieser habe aus Furcht vor Sexualdenunziation den Kriegskameraden eingekauft, auch durch die Propagandaschrift "Adolf Hitler im Felde", mit der Mend als "Schimmelreiter des List-Regiments" 1932 den "Führer" zum vorbildlichen Frontkämpfer stilisieren durfte. Als Schwätzer und Schnorrer fiel er jedoch bald in Ungnade und wurde im Oktober 1936 wegen "Sittlichkeitsverbrechen an Kindern" zu zweieinhalb Jahren Zuchthaus verurteilt. Die gegen ihn erhobenen Vorwürfe habe Mend stets bestritten.

Ende 1939 gab Mend sein "Geheimwissen" über Hitler einem Regimegegner preis, der alles im "Mend-Protokoll" niederschrieb, das in zwei mehr oder weniger unbeachteten Ausfertigungen in Münchener Archiven überliefert ist. Durch die Wahl des Gesprächspartners gewinne Mends Aussage "erheblich an Glaubwürdigkeit". Machtan gibt damit wohl zu verstehen, daß sein Augen- und Ohrenzeuge durch ein Widerstands-Gütesiegel über jeden Zweifel erhaben sei. 1941 stand Mend abermals vor Gericht, weil er "den Führer der gleichgeschlechtlichen Liebe" bezichtigt habe. Er soll sogar verbreitet haben, daß im Weltkrieg andere Soldaten in der Unterkunft "Hitler, während dieser schlief, den ,Schwanz' mit Schuhwichse angestrichen" hätten - eine laut Mend durchaus übliche Front-Form, um homosexuelle Kameraden zu stigmatisieren. Unter ungeklärten Umständen starb Mend im Februar 1942 in der Strafanstalt Zwickau.

Was wurde aus "Schmidl", dem 1889 geborenen Ernst Schmidt, der gemeinsam mit "Adi" am 6. August 1914 in das Bayrische Heer eingetreten war und mit ihm das Meldegänger-Duo bildete? Wegen Schmidt soll der Gefreite Hitler sogar auf die Beförderung zum Unteroffizier verzichtet haben. Er sei nicht bereit gewesen, das aufzugeben, was ihm den Kriegsdienst so lieb und teuer gemacht habe: "das relativ abgeschirmte Etappenleben und schließlich vor allem die letztendliche Duldung seiner gleichgeschlechtlichen Neigung".

Auch nach der "Trennung" 1919 blieben Adolf und Ernst in losem, aber distanziertem Kontakt; Schmidt wurde sogar Ortsgruppenleiter der NSDAP und später Bürgermeister in Garching an der Alz, bis ihn 1945 die Amerikaner absetzten. Er lebte bis 1985, wurde sogar von den Hitler-Biographen Werner Maser und John Toland befragt. Nur Positives wußte er über den "Führer" zu berichten, nichts Intimes. So war es - wie Machtan jetzt herausstellt - einzig und allein Hans Mend, "der verhinderte, daß Hitlers ,Schmidl' das Geheimnis seiner Liebe mit ins Grab nehmen konnte".

Andere Frontkameraden des deutschen Diktators seien "durch Begünstigung zum Schweigen verpflichtet" worden. Nur Mend habe die Verschwiegenheit der alten Kameraden durchbrochen mit dem "bereits zitierten Satz über Hitlers Leben, den wir nicht überlesen dürfen: Hitler habe mit Ernst Schmidt eine sexuelle Beziehung gehabt. Im Kontext der hier angestellten Ermittlungen gewinnt diese Aussage ein Gewicht, das für den Historiker so etwas wie Beweiskraft besitzt." Wirklich?

Natürlich weiß der Bremer Historiker, auf welch dünnem Eis er sich befindet, auch durch seine wiederholten Hinweise auf vernichtete Polizeiakten aus den zwanziger Jahren: "vieles spricht dafür", "man kann sich vorstellen", "dem Ungesagten und Latenten nachspüren", "ein beredtes Schweigen", "wir wissen nicht genau" et cetera. Dutzende solcher Formulierungen finden sich in dem sensationell aufgemachten und in 12 Ländern gleichzeitig erscheinenden Buch, das in der Vorankündigung nicht einmal den Namen des Autors enthielt. "Hitlers Geheimnis" wurde zu einer geheimen Verlagssache seines Verlegers, der allerdings nicht mit einem prominenten Überraschungsautor aufwarten konnte, um - so die Ankündigung - "unseren Blick auf Hitler tiefgreifend zu verändern".

Folgt man dem Hitler-Bild Machtans, so vollzog sich der Aufstieg des "Führers" geradezu wegen seiner Homosexualität. Schlief er sich etwa nach oben? Es fallen Namen über Namen mit entsprechenden Mutmaßungen: Freikorpsführer Ritter von Epp, Rudolf ("Fräulein") Heß, der antisemitische Schriftsteller Dietrich Eckart, der vermögende Verlegersohn Ernst ("Putzi") Hanfstaengl, die Generalstabsoffiziere Karl Mayr und Ernst Röhm und viele andere mehr. Hitlers Kontakte zu Eckart und Röhm - "Protagonisten zweier unterschiedlicher Welten" - zeigten, "daß Homoerotik Milieugrenzen zu verwischen mochte" - eine erstaunliche Beobachtung!

Röhm ließ 1932 in einem von ihm lancierten Artikel verkünden, daß der wesentliche Inhalt der von ihm propagierten und ausgelebten homoerotischen Liebe nicht etwa "der coitus per anum, per os oder inter femora" sei, sondern der "schaffende Eros". Ein Teil des Geschlechtstriebs könne "getrost sublimiert" werden: "Darum sind wir noch lange keine Verdränger. Im Gegenteil. Nur was im Biwak vor sich geht, interessiert nicht so, daß wir es an die große Glocke hängen müßten." Nach solchen und anderen Äußerungen fand es der greise Reichspräsident von Hindenburg abstoßend, dem "Hinterlader" Röhm bei einer Audienz die Hand geben zu müssen.

Röhm sei "einer der ganz wenigen" gewesen, die über Hitlers Homosexualität Bescheid gewußt hätten. Deshalb bietet sich mit dem Fall des SA-Stabschefs für Machtan eine Chance, die historische Spurensuche in nationalsozialistischen Unterhosen kurz zu unterbrechen und mit einem "Interpretationsvorschlag" in die Weltgeschichte zurückzukehren. Nicht die Rivalitäten zwischen dem "grauen Fels" der Reichswehr und der "braunen Flut" der NSDAP-Truppen darüber, wer nun der Waffenträger der Nation sei, hätten die Ereignisse des Jahres 1934 bestimmt, sondern Hitlers Angst vor Sexualdenunziation: Daß Röhm "eines Tages eine Rufmordkampagne starten würde, muß Hitlers Alptraum gewesen sein: Der ,Führer' war in eine Zwangslage geraten. Wäre er aufgrund seiner gleichgeschlechtlichen Veranlagung nicht selbst so angreifbar gewesen, hätte er den Attacken Röhms auch auf eine andere, rationalere Weise begegnen können, zum Beispiel durch Abmahnung oder Entlassung." Statt solcher disziplinarischer Maßnahmen seien die Mordaktionen vom 30. Juni 1934 mit rund 150 Opfern erfolgt.

Ein "Beispiel unfreiwilliger Selbstenthüllung" habe es im ersten Kommuniqué der Reichspressestelle gegeben: Röhms "unglückliche Veranlagung führte zu so unerfreulichen Belastungen, daß der Führer der Bewegung und Oberste Führer der SA selbst in schwere Gewissenskonflikte getrieben wurde". Auch mit anderen, wenig schlagenden Zitaten will Machtan seine These untermauern, Hitlers Angst vor Bloßstellung habe dazu geführt, daß 1934 ein radikaler Wechsel stattgefunden habe von einer zuvor nie dagewesenen Toleranz für Homosexuelle hin zur Verfolgung und Ermordung.

Trotzdem habe sich Hitler weiterhin mit Erpressern auseinandersetzen müssen. Deren Aktionen werden von Machtan akribisch rekonstruiert. "Putzi" Hanfstaengl und Kurt Lüdecke stehen dabei im Mittelpunkt. Bei beiden ist laut Machtan eine Affäre mit Hitler nicht auszuschließen. Beide sollen bisexuell gewesen sein. Sie haßten sich gegenseitig und waren Anfang der dreißiger Jahre für Hitler im Ausland politisch tätig. Beide waren vorübergehend in Haft und setzten sich 1937 nach Großbritannien beziehungsweise 1934 nach Amerika ab.

Aus einem Bericht vom Dezember 1934 geht sogar hervor, daß Lüdecke von Amerika aus Hitler und die Partei davor gewarnt habe, ihn "auf gewaltsame Weise entfernen oder unschädlich machen zu wollen". Er habe sich abgesichert; man könne ihn "als völlig bedeutungslos oder als Lügner" hinstellen, "was auf Grund eines dokumentarischen Beweismaterials mit Photographien und auf Grund der Ereignisse vom 30. Juni keinen Glauben finden würde". Durch dieses Dokument, das Machtan wieder ganz auf das Geschlechtsleben des "Führers" bezieht, werde "die Glaubwürdigkeit des ,Mend-Protokolls' untermauert". Ja, hat es vielleicht sogar Fotos von "Adi" und "Schmidl" gegeben, deutsche Meldegänger im französischen Heu?

Und was war mit den Frauen? Hier gelingt nun dem Bremer Professor, der "Hitlers Männer" ins Zentrum seiner Darstellung rückt, ein Kabinettstückchen zeithistorischer Prosa. Hitlers Fahrer Emil Maurice, der Mann, den Geli Raubal und Hitler gleichzeitig geliebt haben sollen (Stichwort: "Dreiecksverhältnis"), chauffiert Hitler und die 16 Jahre alte Maria Reiter aus Berchtesgaden 1927 in einen Wald. Das Paar steigt aus, begibt sich auf eine Lichtung. Hitler reißt Maria an sich: "Mimilein, Liebes, holdes Mädel, jetzt kann ich einfach nicht mehr anders." Er küßt sie, weiß aber dann nicht, "was er tun" soll - so die Zeitzeugin Jahrzehnte später in einer Hamburger Illustrierten. Hier hilft das Einfühlsvermögen des Historikers, der sich meisterhaft in Hitler hineinversetzt und die entscheidende Frage in den Raum stellt: "Woher hätte er es auch wissen sollen, da kein Verlangen ihm den Weg wies?"

Schließlich gab es noch Eva Braun, die sich der deutsche Sublimator nur zum Schein gehalten haben soll, um in seiner unmittelbaren Umgebung falsche Fährten zu legen. Im "platonischen Konkubinat" habe sie dem "Führer" zur Seite gestanden. Hitlers letzter Streich sei die Heirat im Bunker Ende April 1945 gewesen, "eine Ehe freilich, die nie vollzogen wurde", wie Machtan sogleich hinzufügt. Arme Eva, und natürlich die armen Deutschen, die der Verführer noch einmal durch die Eheschließung an der Nase herumgeführt haben soll.

Am Schluß seiner Indizienkette erklimmt der Bremer Historiker noch die Höhen des Grundsätzlichen. War es wirklich so, daß die Deutschen es "im sexualmoralischen Verständnis der Adenauer-Zeit" als unerträglich empfunden hätten, nicht nur einem Verbrecher, sondern einem - im damaligen Verständnis - "Perversen" hinterhergelaufen zu sein? War Hitlers Homosexualität etwa das Nachkriegstabuthema in der Bundesrepublik und in der DDR? Soll das der Grund dafür gewesen sein, daß Ebermayers "Tagebücher" von 1959 keine Debatte über Hitlers Sexualleben auslösten? Wenn dem so ist, dann ist dem Tabubrecher der Überraschungscoup gelungen, nicht nur "Hitlers Geheimnis", sondern endlich das der Deutschen zu lüften. Darauf haben alle gewartet, auch auf Machtans überwältigendes Resümee: "Das Private kann hochpolitisch sein. Einen besseren Beweis dafür als den, den Hitler mit seiner Lebensgeschichte erbringt, dürfte es dafür nicht geben."

RAINER BLASIUS

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Im Ton durchgehender Süffisanz, mit ridikülisierenden Zwischenfragen ("Schlief er sich etwa nach oben?"), aber ohne sich mit Argumenten oder Ansätzen zu ernsthafter Auseinandersetzung die Finger schmutzig zu machen, präsentiert Rainer Blasius Lothar Machtans Thesen zu Hitlers Homosexualität. Nach und nach und in einiger Breite werden die (dünnen) Belege mokant referierend ausgebreitet, von der angeblichen frühen Affäre Hitlers mit Ernst Schmidt bis zur neuen Begründung für den Mord an Röhm: "Angst vor Sexualdenunziation". Hitlers Frauen werden von Machtan, wenig überraschend, zu Alibis erklärt. Blasius' Kommentar: "Arme Eva". Auch Machtans weitergehende Überlegungen zur vermeintlichen deutschen Nachkriegsverdrängung von Hitlers ebenso vermeintlicher Homosexualität tut der Rezensent achselzuckend ab: Damit sei dann nicht nur das Geheimnis des Führers, sondern auch "das der Deutschen" gelüftet. Fragt sich nur, warum man ein Buch, das so wenig einer ernsthaften Würdigung wert scheint, so ausführlich bespricht.

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