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Dieser Roman ist eine Liebeserklärung an Istanbul Ein Haus als Metapher für eine ganze Stadt:"Der Bonbonpalast"verwebt kunstvoll die Geschichten der zahlreichen Hausbewohner mit der Geschichte und Gegenwart Istanbuls, einer Stadt zwischen Mystik, Religion und der Kraft der Moderne. Ein ehemals prachtvollesHaus im Zentrum von Istanbul, gebaut von einem russischen Adeligen für seine Frau, ist der Schauplatz dieses Romans. Inzwischen ist der"Bonbonpalast"allerdings ziemlich verwittert - und Heimstatt nicht nur für eine, sondern gleich für zehn sehr unterschiedliche Familien. In der Erzählung…mehr

Produktbeschreibung
Dieser Roman ist eine Liebeserklärung an Istanbul
Ein Haus als Metapher für eine ganze Stadt:"Der Bonbonpalast"verwebt kunstvoll die Geschichten der zahlreichen Hausbewohner mit der Geschichte und Gegenwart Istanbuls, einer Stadt zwischen Mystik, Religion und der Kraft der Moderne.
Ein ehemals prachtvollesHaus im Zentrum von Istanbul, gebaut von einem russischen Adeligen für seine Frau, ist der Schauplatz dieses Romans. Inzwischen ist der"Bonbonpalast"allerdings ziemlich verwittert - und Heimstatt nicht nur für eine, sondern gleich für zehn sehr unterschiedliche Familien. In der Erzählung ihrer Schicksale, Tragödien und Komödien folgt Der Bonbonpalast der Struktur von Tausendundeiner Nacht. In loser Folge und doch aufeinander bezogen werden die Schicksale und Erlebnisse eines zutiefst frommen Mannes, zweier ungleicher Zwillinge, die einen Friseursalon betreiben, eines namenlosen Ich-Erzählers, einer rätselhaften alten Frau, einer charmanten Schönheit und eines Marihuana rauchenden Studenten mit Hund erzählt - und damit die des Gebäudes und der Stadt. Gegenwart, Vergangenheit, Zukunft, alles fließt in diesem Roman zusammen, der vor Geschichten nur so sprudelt, Geschichten, die so unglaublich sind und so real wie der Geruch des Hauses, dessen Quelle ganz am Ende an unerwarteter Stelle gefunden wird.
Autorenporträt
Elif Shafak lebt in der Türkei. Ihre Romane wurden in mehr als 25 Sprachen übersetzt. Für ihr Werk "Der Bastard von Istanbul" stand die Autorin wegen "Beleidigung und Verunglimpfung des Türkentums" unter Anklage, doch der Prozess wurde zu ihren Gunsten entschieden. Elif Shafak ist Universitätsdozentin, schreibt für Magazine und Zeitschriften und textet Songs für türkische Rockbands. Sie lebt mit ihrem Mann und zwei Kindern in Istanbul.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 15.10.2008

Die Stadt, der Müll und der Heilige
Istanbul stinkt und duftet und leuchtet: Elif Shafaks Roman "Der Bonbonpalast" / Von Friedmar Apel

Die erste amtliche Müllabfuhr in Istanbul gab es 1886, vorher wurde die Stadt lediglich nach Brauchbarem durchkämmt. Damit begann die türkische Moderne. Kämmerer gibt es aber auch heute noch, und mit der ökologischen Disziplin der Hauptstädter steht es nicht gut. Die 1971 in Straßburg geborene Elif Shafak hat in Spanien und in den Vereinigten Staaten gelebt und gelehrt und wohnt nun umso lieber wieder in Istanbul, obwohl sie durch ihren Roman "Der Bastard von Istanbul" (deutsch 2007) Bekanntschaft mit dem Paragraphen gegen Verunglimpfung des Türkentums gemacht hat. Ihrem sondernden Blick wird der Müll der wuchernden Stadt lesbar als so unkontrollierbare wie charakteristische Vermengung des Geschichtlichen und des Gegenwärtigen.

Der Bonbonpalast ist ein unscheinbares Mietshaus in einem belebten Viertel Istanbuls. Zehn Parteien wohnen darin, wie sie unterschiedlicher nicht sein könnten. Mehr oder weniger traditionelle türkische Familien, ein russisch-türkisches Ehepaar, ein morbider Student mit seinem Bernhardiner, den er aus seiner Schweizer Zeit behalten hat, eine sensible Mätresse und Tantchen Madam, die älteste Bewohnerin, über die man nur weiß, dass sie am Bosporus das Strandgut durchkämmt und sich die Haare wenig altersgerecht platinblond färben lässt. Die Zwillinge Cemal und Celal, auf dem Land aufgewachsen der eine, in Australien der andere, betreiben einen Friseursalon, der zugleich die Nachrichtenzentrale des Hauses ist. Häufiges Thema ist der Müll vor dem Haus, der manchmal auf mysteriöse Weise verschwindet. Leider stinkt es auch im Inneren nach Abfällen, niemand weiß warum. Kakerlaken vermehren sich rapide, was vor allem die putzsüchtige Hygiene-Tijene in den Wahnsinn und dazu treibt, alles vermeintlich Verseuchte aus dem Fenster zu werfen. Das ruft den Kammerjäger auf den Plan, der auf den Namen Unrecht hört, behauptet jedenfalls der Erzähler.

So ist das Haus eine Metapher der Stadt und bezeichnet zugleich das Konstruktionsprinzip von Elif Shafaks Roman. Dessen Architektonik steht jedoch eine Poetik der Mixtur gegenüber, gleich jener Süßspeise, die angeblich auf der Arche Noah entstand und in die man so ziemlich alles hineingeben kann, was gerade vorhanden ist. Auch die ist "wie eine kosmopolitische Stadt, in der sich Zugereiste schnell mit den Alteingesessenen vermischten und Ausländer nicht alleine blieben". In solcher Bildlichkeit fällt die Beschreibung der Produktivkraft der Stadt mit einer poetischen Definition der schöpferisch verwendeten Sprache zusammen: "Unbegrenztheit, hergestellt aus begrenzten Mitteln, Reichtum geboren aus Armut, endlose Vielfalt entstanden aus Krümeln."

Warum das Haus Bonbonpalast genannt wird, darf nicht verraten werden. Der Name erklärt sich aus der Geschichte eines russischen Immigrantenehepaars, die für sich eine hübsche und bittere Novelle darstellt. Auf dem Grundstück befand sich vorher ein Friedhof, auf welchem sich bei den Bauarbeiten das doppelte Grab eines Heiligen fand. Nach einem bekannten Muster aber erwiesen sich die Gräber als leer. Der Heilige hatte sich offenbar gleich zweimal auf und davon gemacht. Ihm wird im Roman eine fiktive Auferstehung zuteil.

Der solche Anekdoten überliefert, wohnt auch in dem Haus: ein Ich, das dem Leser seinen Namen nicht verrät. Er stellt sich von vornherein als ziemlich unzuverlässiger Charakter mit "blühender Phantasie" vor. Er ist angeblich ein ungläubiger Universitätsprofessor, der über Machiavelli liest, gut aussieht und zu viel Raki trinkt. Seine schöne und vermögende Frau hat er notorisch mit seiner weniger attraktiven jüdischen Freundin betrogen. Nun ist er geschieden und lebt recht provisorisch in der Wohnung Nummer sieben, wo er wie unwillkürlich zu einem zynischen und doch menschenfreundlichen Chronisten wird. Liebe, so weiß er, "macht jeden zum Narren, selbst ein Kind". Für das Kind ist er bereit, eine Laus nachzumachen, seine eigene Kindheit hat er nicht vergessen. In der liebenden Zuwendung zu den Bewohnern fällt ihm schließlich das Geheimnis des Hauses in den Schoß, das aller Verknüpfung der verschiedenen Geschichten die Richtung gibt.

Der Müll wird ihm im Lauf der Geschichte zur Obsession. Mit seiner Freundin Esther hat er schon immer gern das Spiel "wiederverwendbarer Sprachmüll" gespielt, eine Unterhaltung, in der Versatzstücke neu zusammengesetzt werden. So wird er zum Kämmerer des Überlieferten und Erzählten, er sammelt Geschichten wie Graffiti und prüft sie auf ihre Wiederverwendbarkeit. Daher seine Neigung zum Sortieren in Form von Listen und kombinatorischen Modellen. Der Schriftsteller als Müllwerker und Ärchäologe des Abfalls. Er selektiert und kombiniert im Interesse eines Verstehens durch Geschichten. Was fehlt, wird dazuerfunden. Das ist gelegentlich ein wenig verquasselt, und dabei muss der Leser noch dankbar sein, dass der Erzähler ihm "Tausende unwichtiger Einzelheiten" erspart, die ihm seine Personen an den Kopf werfen.

Elif Shafaks Schreibweise ist grundsätzlich eine des modernen europäischen Romans, im Deutsch von Eric Czotscher erscheint ihr Stil in einer höchst munteren, leicht satirischen Sachlichkeit, die nur durch oft erheiternd an den Haaren herbeigezogene Metaphern unterbrochen wird.

Sinnlich wird dieser Stil durch eine hohe Aufmerksamkeit für Dinge und ihr Eigenleben, was dadurch unterstrichen wird, dass "Der Bonbonpalast" auch ein Roman der Farben ist, frei nach Goethe einer der Taten und Leiden des Lichts in der großen Stadt, schließlich auch nicht nur eine Geschichte des Gestanks, sondern auch der lieblich duftenden Speisen und des betörenden Geruchs der weiblichen Haut. Da aber der ganz und gar weltliche Erzähler sich wie immer ironisch auch für die Geschichten der Heiligen oder der Dschinne interessiert, mit denen Opa Hadschi Hadschi aus Wohnung Nummer fünf angeblich die Kinder vergiftet, führt das Konstruktionsprinzip des Sammeln wie die Poetik des Raums zu einer Integration modernen und traditionellen, westlichen und östlichen Erzählens, wie sie sich in Istanbul schon lange ereignet.

Gegen die weltläufige Vielfalt bei allen Antagonismen und anachronistisch erscheinenden Auseinandersetzungen, in der die Stadt als Gewebe von Geschichten in Elif Shafaks so liebevoller wie kritischer Darstellung erscheint, kommt einem die Abkapselung von Milieus hierzulande geradezu hinterwäldlerisch vor. In Istanbul, so scheint es, ist mehr Europa und Globalisierung als in manchem Kölner oder Neuköllner Bezirk. Vieles an dem Bild mag bei aller Kritik freilich liebende Idealisierung und in die Zukunft blickende Utopie sein. Gerade das aber verleiht dem klugen Roman dieser überaus begabten und reflektierten Erzählerin und damit dem Bild Istanbuls etwas wunderbar Leuchtendes und Verlockendes.

Elif Shafak: "Der Bonbonpalast". Roman. Aus dem Türkischen übersetzt von Eric Czotscher. Eichborn Verlag, Frankfurt am Main 2008. 470 S., geb. 19,95 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension

Die Opulenz dieses Romans von Elif Shafak um ein einst prächtiges Istanbuler Wohngebäude, das zu einem mit Müllproblemen behafteten Mietshaus mit äußerst skurrilen Bewohnern heruntergekommen ist, hat Claudia Kramatschek zunächst durchaus gefesselt. Die türkische Autorin nimmt Müll zu ihrem originellen "Leitmotiv", um das Konglomerat an Kulturen, Völkern und Sprachen am Bosporus in seiner ganzen schillernden Vielfalt darzustellen und um dem "auf Reinheit erpichten türkischen Nationalismus" etwas entgegenzusetzen, so die Rezensentin ganz einverstanden. Ihre üppigen, verspielte Sprache und die verschlungenen Erzählstränge allerdings erzeugen bei Kramatschek nicht nur eine gewisse Übersättigung, sie lassen in ihr auch die ungute Vermutung reifen, Shafak, die bereits eine Anklage wegen "Verunglimpfung des Türkentums" hinnehmen musste, versuche mit der sprachlichen und formalen Verspieltheit ihre Intentionen zu verschleiern.

© Perlentaucher Medien GmbH

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 09.07.2010

Süddeutsche Zeitung Bibliothek
Metropolen Band 11

Bevor der Kreis sich
schließt
Der Bonbonpalast
von Elif Shafak
Für das Mülldeckelspiel braucht man nicht viel. Ein runder Blechdeckel und einige Mitspieler reichen aus. Es müssen aber sowohl Jungs als auch Mädchen dabei sein. Es geht darum, durch Drehen und Stoppen Antworten auf die Frage finden, wann wem was passieren wird. Dazu schreibt man ins Innere des Deckels „Sofort – Morgen – Bald – Nie“, „Mir – Meinem Liebling – Meinem besten Freund – Uns allen“ und schließlich „Liebe – Ehe – Glück – Reichtum – Krankheit – Trennung – Unfall – Tod“. Das ganze Leben findet Platz auf so einem Blechdeckel, er kann beinahe alle Geschichten prophezeien: „„Meinem Liebling – Morgen – Glück“ oder „Uns allen – Nie – Trennung“. Der Erzähler in Eli Shafaks buntem Istanbul-Roman „Der Bonbonpalast“ nutzt das Spiel aus Kindertagen, um einen Anfang zu finden, den ersten Satz zu bilden: „Im Frühjahr 2002 starb in Istanbul einer von uns, bevor der Kreis sich geschlossen hatte.“
Wer aber glaubt, jetzt werde forsch eine Fabel erzählt, die das Rätsel des ersten Satzes enthüllt oder entfaltet, wer annimmt, nun werde vom Anfang zum Ende eine halbwegs gerade Handlungslinie gezogen, ja, der hat sich getäuscht. Elif Shafaks Ich-Erzähler, dessen Namen wir nie erfahren, bleibt den Kreisen und Kreiseln und dem Prinzip der Permutationen treu. Das passt schließlich besser zu einer Großstadt, wo der Unfall des einen das Glück des anderen begründen mag, wo viele nebeneinanderher leben, ohne zu wissen, was sie mit ihren Nachbarn verbindet oder wie ihr Leben mit der Welt der Toten zusammenhängt.
Der Bonbonpalast zum Beispiel, ein in die Jahre gekommenes Appartementhaus in einem sehr belebten Stadtteil, wurde über aufgehobenen Friedhöfen errichtet. Zehn Wohnungen hat das Haus, in dem viel von dem zueinander kommt, was Istanbul ausmacht: osmanische Vergangenheit und kemalistische Modernität, verschiedene Kulturen und noch unterschiedlichere Lebenswege, Skepsis, Rationalität, Heiligenlegenden, Klatsch, Gebete zu verschiedenen Göttern. Vor allem aber hat das Haus ein Müllproblem und eins mit Ungeziefer. Man spürt es im Laden der Friseurzwillinge Cemal und Celal, wo eine Kakerlake auftaucht. Auch Hygiene-Tijene aus Wohnung neun nutzt all das Putzen nichts. Es wird nichts rein weiß. Tantchen Madam, eine ältere, blondierte Dame, weiß warum. Istanbul gleicht für sie einer hochschwangeren Frau, die mehr zu sich genommen habe, als sie tragen könne. Nun reinige sich die Stadt, sondere Müll ab, ströme üble Gerüche aus.
Elif Shafak wuchs im Ausland auf, studierte in der Türkei, lehrte in den USA und kehrte dann nach Istanbul zurück, wo sie trotz ihrer Liebe fürs lange verpönte osmanische Erbe und trotz ihres Eintretens für Minderheiten eine der erfolgreichsten türkischen Autorinnen wurde. Die Vielfalt ihrer Figuren, der Reichtum der Erzählformen wird durch intelligente Komposition gebändigt und durch einen Plauderton vergnüglich, den man wohl sommerlich nennen muss.
JENS BISKY
Elif Shafak
Foto: Jutta Sommerbauer
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