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Heimsuchung reicht tief in die deutsche Vergangenheit. Eine literarische Spurensuche von stupender Wucht Ein Haus an einem märkischen See ist das Zentrum, fünfzehn Lebensläufe, Geschichten, Schicksale von den Zwanzigerjahren bis heute ranken sich darum. Das Haus und seine Bewohner erleben die Weimarer Republik, das Dritte Reich, den Krieg und dessen Ende, die DDR, die Wende und die Zeit der Nachwende. Jedem einzelnen Schicksal gibt Jenny Erpenbeck eine eigene literarische Form, jedes entfaltet auf ganz eigene Weise seine Dramatik, seine Tragik, sein Glück. Alle zusammen bilden eine Art…mehr

Produktbeschreibung
Heimsuchung reicht tief in die deutsche Vergangenheit. Eine literarische Spurensuche von stupender Wucht Ein Haus an einem märkischen See ist das Zentrum, fünfzehn Lebensläufe, Geschichten, Schicksale von den Zwanzigerjahren bis heute ranken sich darum. Das Haus und seine Bewohner erleben die Weimarer Republik, das Dritte Reich, den Krieg und dessen Ende, die DDR, die Wende und die Zeit der Nachwende. Jedem einzelnen Schicksal gibt Jenny Erpenbeck eine eigene literarische Form, jedes entfaltet auf ganz eigene Weise seine Dramatik, seine Tragik, sein Glück. Alle zusammen bilden eine Art kollektives literarisches Gedächtnis des letzten Jahrhunderts, geformt in einer Literatur, die nicht nur großartige Sätze und Bilder zu bieten hat, sondern die auch Wunden reißt, verstört, beglückt, verunsichert und versöhnt. Worin das Geheimnis dieser Geschichten besteht, woraus sich ihr Glanz, ihre Wucht und ihre eminente Dramatik entfalten, ist schwer zu sagen. Sicher aber ist eins: Mit diesem Buch ist Jenny Erpenbeck ihr Meisterstück gelungen.
Autorenporträt
Jenny Erpenbeck wurde 1967 in eine Berliner Schriftstellerdynastie geboren. Nach einer Buchbinderlehre und Tätigkeiten als Requisiteuse und Ankleiderin an der Staatsoper Berlin studierte sie in Berlin Theaterwissenschaften und Musiktheaterregie. Seit 1991 arbeitete sie zunächst als Regieassistentin und inszenierte danach Aufführungen für Oper und Musiktheater in Berlin und Graz. Jenny Erpenbeck lebt als freie Autorin und Regisseurin in der Nähe von Graz, wo sie im Frühjahr 2000 mit großem Erfolg ihr erstes Stück "Katzen haben sieben Leben" am Schauspielhaus inszenierte.
2008 wurde Jenny Erpenbeck mit dem "Solothurner Literaturpreis" für ihr "feinsinniges erzählerisches Werk" sowie dem Heimito von Doderer-Literaturpreis ausgezeichnet.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 09.02.2008

Am Ende bleibt immer der Gärtner
In ihrem neuen Roman „Heimsuchung” erzählt Jenny Erpenbeck die Geschichte eines Hauses durchs 20. Jahrhundert
Es spricht für den Reichtum eines Romans, wenn er auf assoziative Abwege führt, die der Verfasser nach menschlichem Ermessen nicht einkalkuliert hat. Jenny Erpenbecks neues Werk „Heimsuchung” weckte längst verschüttete Erinnerungen an den Country-Song „This Ole House” von Stuart Hamblen – in deutscher Fassung populär geworden durch einen gewissen Bruce Low, der, wie wir erst jetzt verblüfft zur Kenntnis nehmen, in Wirklichkeit Ernst Gottfried Bielke hieß und ein aus Surinam gebürtiger Niederländer war. Der Mann hatte eine veritable Geisterbahnstimme, und das Lied, das die kindliche Phantasie mehr beschäftigte als jede Gruselgeschichte, ging so: „Das alte Haus von Rocky Docky/ hat vieles schon erlebt,/ kein Wunder, dass es zittert,/ kein Wunder, dass es bebt . . .”
Dieses Treibgut taucht nun plötzlich aus den Untiefen des Gedächtnisses auf und trudelt an der Oberfläche, wiewohl man am Scharmützelsee, dem sogenannten Märkischen Meer, wo Erpenbecks Erzählung spielt, keinen Ort namens Rocky Docky findet. Auch dürfte die 1967 in Ost-Berlin geborene Autorin von Westschlagern aus den goldenen Fünfzigern weitgehend verschont geblieben sein. Thomas Brussigs im Jahr 2000 publiziertes Kirchenasyl-Drama „Heimsuchung” hingegen müsste sie kennen, aber ihr Kollege hat offenbar keinen Titelschutz beantragt: Es scheint, dass der Begriff, dessen Bedeutung zwischen „Katastrophe” und „Heimatsuche” effektvoll changiert, für ostdeutsche Schriftsteller der mittleren Generation so viel Aussagekraft besitzt, dass es zur Not auch für zwei reicht.
Eine ironiefrei pathetische Aura erhält der Titel freilich erst bei Jenny Erpenbeck. In ihrem Episodenroman geht es um ein Haus am Seeufer, das im Lauf von acht bis neun Jahrzehnten deutscher Historie viel Not und Elend, doch naturgemäß auch glückliche Momente seiner wechselnden Bewohner sieht. Die Villa samt Garten und Bootssteg ist der Schauplatz, auf dem die politischen Umwälzungen des Säkulums ihren privaten Niederschlag finden. Manchen wird das Haus vorübergehend zur Heimat, anderen zur Zuflucht oder zum Versteck in katastrophalen Zeiten, bis es sich mit Spuren von Lebensläufen und Schicksalen derart angereichert hat, dass es am Ende, wie das Rocky-Docky-Haus in den Versen des auf seine Weise begnadeten Schlagertexters Kurt Feltz, zwar halb zerfallen ist, zugleich aber „voller Stimmen” und „voller Seufzer”, „voller Wunder und voll heimlicher Musik”.
Jenny Erpenbeck hat versucht, den Stimmen nachzulauschen und ihre eigene Sprachmusik daraus zu komponieren, eine Elegie auf das vorige Jahrhundert, die sich mit weit ausholender Geste sogar noch in die Erdgeschichte einfügt: Der Prolog schildert im Zeitraffer die eiszeitlichen Bewegungen, die zur Entstehung des größten Sees der Mark Brandenburg führten, und prophezeit dem Gewässer eine neue „Verwüstung” in ferner Zukunft. „Denn, wie jeder See”, so heißt es, „war auch dieser nur etwas Zeitweiliges, war auch diese Rinne nur dazu da, irgendwann wieder ganz und gar zugeschüttet zu werden.” Wer einen nobleren Assoziationsraum bevorzugt als den Cowboysong vom alten Haus, mag an Ovids Metamorphosen denken: Alles im Universum ist in unablässigem Wandel begriffen, nichts hat Bestand, und doch geht nichts verloren. Dazu passt die Schlusspointe, die so lakonisch wie elegant auf den Anfang zurückweist, nachdem im Epilog das marode Gebäude nach allen Regeln der Abbruchtechnik demoliert worden ist: „Bevor auf demselben Platz ein anderes Haus gebaut werden wird, gleicht die Landschaft für einen kurzen Moment wieder sich selbst.”
Der Handlungsbogen spannt sich vom archaischen Leben der bäuerlichen Vorbesitzer über den Verkauf des Seegrundstücks an einen Architekten bis zur profitorientierten Zerstörung der mittlerweile geschichtsträchtigen Immobilie. Abrissmethoden und Entsorgungsbestimmungen, Hochzeitsbräuche und Bestattungsriten, Architektur, Pflanzenkunde und Gartenbau – das alles wurde hier mit der gleichen Gründlichkeit recherchiert wie die Verwerfungen deutscher Geschichte in Ost und West von der Weimarer Republik bis zur Nachwendezeit, wie die Familienchroniken und Biographien, deren Fragmente in den Roman eingeflossen sind. So erklärt sich die auffallend lange Liste der Danksagungen an Archive, Institute und Privatpersonen im Anhang. Trotz der Materialfülle und des zahlreichen Personals aber findet eine Entfaltung ins episch Breite nicht statt: Die Erzählung will ihre Kraft aus dem Extrakt gewinnen, aus der Konzentration auf das Wesentliche in Stoff und Sprachgestalt; sie will individuelle Lebenslinien nachzeichnen und dabei doch den Abstand wahren, der für den Blick auf große Zyklen und Zusammenhänge unabdingbar ist.
Der Balanceakt zwischen Einfühlung und Distanz, Sammeleifer und Askese, Kunstwollen und Chronisten-Ambition verstärkt noch die ballerinenhafte Anspannung, mit der Jenny Erpenbecks Prosa einen permanenten Spitzentanz vorführt. Alles ist hier geradezu vorbildlich gewählt und gelöst: die deutsch-deutsche Thematik, die sinnstiftende Konstruktion, die erhöhte Perspektive, der disziplinierte Erzählduktus. Von technischer Souveränität kündet das Aufbrechen der Chronologie, die Mischung und Überlagerung verschiedener Zeitebenen, die in Anspielung auf das erdgeschichtliche Präludium die Vorstellung erzeugt, es werde ein Bohrtunnel durch die Sedimentschichten der jüngeren Vergangenheit gelegt. Als Refrain und retardierendes Moment dient der regelmäßig sich wiederholende Auftritt des Gärtners – der einzigen Figur, die sämtliche Veränderungen überlebt, bis der „Investor” zuschlägt – in schönen, kontemplativen Szenen vor dem Hintergrund einer von Menschenhand gezähmten und gestalteten Natur.
Gärtnerische Eingriffe nach Art des Rodens, Schneidens, Stutzens, Jätens und Mähens scheinen auch den Roman geformt zu haben. Aus dem rigiden Korsett befreit sich die Autorin nur dort, wo sie ihrer Neigung zu pornographischem Kitsch freien Lauf lässt, und das geht dann leider buchstäblich in die Hose. So bleibt der Eindruck zwiespältig: Dies ist ein Buch, das kaum einen Fehler hat und dem doch etwas Entscheidendes fehlt. Vielleicht, was immer das auch sein mag, ein kräftiger Schuss Rocky Docky.KRISTINA MAIDT-ZINKE
JENNY ERPENBECK: Heimsuchung. Roman. Verlag Eichborn Berlin, Frankfurt am Main 2008. 191 Seiten, 17,95 Euro.
Die Villa samt Garten und Bootssteg ist der Schauplatz, auf dem die politischen Umwälzungen des Säkulums ihren privaten Niederschlag finden. Foto: imago/NBL
Jenny Erpenbeck Foto: Verlag
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Eine Dienstleistung der DIZ München GmbH
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 23.02.2008

Das Haus am Scharmützelsee

"Heimsuchung" kann vieles bedeuten: Hausdurchsuchung, Plage oder Heimweh. Von allem hat Jenny Erpenbecks Roman etwas. Er ist eine Spurensuche in den Ruinen deutscher Geschichte und eine Familiengeschichte an einem stillen Ort, weit weg von Berlin - die Wiederaneignung eines verlorenen Erbes.

Von Martin Halter

Jüngere deutsche Autoren neigen dazu, die Geschichte der eigenen Familie zur epischen Saga, wenigstens zu einer Chiffre deutscher Verhängnisse aufzubrezeln; je größer, desto besser, je schmerzhafter und persönlicher, desto "authentischer". So wird die eigene Biographie zum Gipfel aller bisherigen Geschichte, das Geburtshaus zum Mittelpunkt der Erde, und dieser Narzissmus ist ja auch menschlich.

Jenny Erpenbeck geht den Weg in umgekehrter Richtung. Ja, es ist ihre Geschichte: Das Reethaus am Scharmützelsee, Ausgangspunkt und Ziel dieser Heim-Suchung, wurde 1936 von einem Berliner Architekten erbaut und ging nach dem Krieg in den Besitz ihrer Großeltern Hedda Zinner und Fritz Erpenbeck über. Die Enkelin, die hier ihr Kindheitsparadies fand, ist also wohl Jenny Erpenbeck. Sie ist zu diskret und distanziert, um auch nur ein Wort darüber zu verlieren; aber jedes Wort verrät, was dieses Haus für sie bedeutete. Aber wem und wie soll sie erklären, "dass die vergangene Zeit in ihrem Rücken zu wuchern begann, dass da ihre sehr schöne Kindheit ihr, die längst erwachsen war, mit so großer Verspätung noch über den Kopf wuchs und sich als sehr schönes Gefängnis erwies, das sie für immer einschließen würde"?

Ja, "Heimsuchung" ist auch ein Familienroman, aber derart poetisch verdichtet und verknappt, dass die Schicksale von drei Familien und fünf Generationen nicht einmal 190 Seiten beanspruchen. Natürlich ist das Haus am "Märkischen Meer" Fontanes auch für Jenny Erpenbeck der Mittelpunkt der Welt, das Brennglas, in dem sich die Träume, Hoffnungen und Ängste eines Jahrhunderts deutscher Geschichte spiegeln, Feuer fangen und verbrennen. Aber sie weiß auch, dass jede Landnahme, jeder Hausbau nur eine Episode im ewigen Kreislauf von Werden und Vergehen ist. "Heimsuchung" beginnt mit einer geologischen Tiefenbohrung: In nüchterner Wissenschaftsprosa, ohne mythologische Fanfaren und literarische Pauken schlägt Erpenbeck einen großen Bogen von der letzten Eiszeit bis zur nahen "Desertifikation". Am Ende, nach der Verwüstung durch die Abrissbagger, wird "die Landschaft für einen kurzen Moment wieder sich selbst" gleichen. Alles, was Menschen gebaut, wofür sie gekämpft und gelitten haben, wird spurlos vom Erdboden verschwunden sein. Wie der Gärtner, der mit seinen stummen Auftritten die Episoden voneinander trennt: Er sät und erntet, hegt und pflegt, düngt und wässert, redet mit dem Grünzeug und den Bienen, aber nie mit den Menschen. Er war immer da und wird ewig bleiben, als Teil der Natur, als gütiger Hausgeist und Stifter eines sanften Naturgesetzes.

Die zwölf Geschichten, die sich um Haus und Grund, Bade- und Bienenhaus ranken, erzählen eher vom unsanften Gesetz des zwanzigsten Jahrhunderts, von Krieg, Flucht und Vertreibung, von der Heimat Utopie und der Utopie Heimat. So wie das Anwesen unter Parzellierung, Nachbarschaftskonflikten, Schimmel und Verfall, litten auch die Besitzer und Gäste unter den Wunden, die ihnen Zeit und Gesellschaft schlugen. Vor hundert Jahren war es die Großbauerntochter Klara, die als Erste aus der "Welt des Benehmens ausgeschert" und ins Wasser gegangen ist. Auf Klaras Parzelle baute der Architekt sein Ferienhaus; im Dritten Reich noch Arisierungsgewinnler, muss er 1951 selber Richtung Westen fliehen. Die Frau des Architekten lachte viel und gern, bis ein Rotarmist 1945 "ein Loch in ihre Ewigkeit bohrte". Die jüdischen Nachbarn konnten gerade noch nach Südafrika fliehen; ihre Eltern und das Mädchen Doris starben in Auschwitz. Nach dem Krieg fällt das Anwesen an ein aus dem Moskauer Exil heimgekehrtes Schriftstellerpaar; aber Erpenbecks Großeltern wurden nicht mehr heimisch in der Heimat. Die Babuschka, die als Mitgift ins Haus kam, ist dagegen lieber "fremd in der Fremde" als zu Hause. Als die "unberechtigte Eigenbesitzerin" das Haus noch einmal putzend in Besitz nimmt, stehen schon die Makler vor der Tür, um das Idyll meistbietend an Touristen und Investoren zu verkaufen.

Der Begriff "Heimsuchung" schließt Assoziationsfelder wie Hausdurchsuchung, Plage und Heimweh ein, und so ist Erpenbecks Roman auch konzipiert: als Spurensuche in den Ruinen deutscher Geschichte und als poetische Wiederaneignung des verlorenen Familienerbes. Ein Dutzend lose miteinander verknüpfter Geschichten von Schuld und Sühne: hochkonzentrierte lyrische Prosa, nacktes Gerippe ohne episches Fett, ohne Dialoge und meistens auch ohne Namen. Bevor man damit warm werden kann, springt die Erzählerin zum nächsten Schicksal weiter. Das macht die Lektüre nicht gerade einfach, auch wenn die einzelnen Kapitel durch Wiederholungen, Wortspiele und Leitmotive geschickt verklammert und rhythmisch strukturiert werden: Marder erobern das Haus, Kartoffelkäfer rücken gen Osten vor, Schätze werden vergraben, Krebse gegessen, Menschen und Worte ans andere Ufer übersetzt. "Heimsuchung" ist virtuos durchkonstruiert.

Die kleinen Scharmützel und großen Dramen am Scharmützelsee passieren nicht nacheinander, sondern neben- und übereinander. Zeit wird gestaut und verkürzt, gesichtet und geschichtet und "mit sich selbst verschwistert", bis das Futur II das Präsens überlistet und Vergangenheit zu Gegenwart und Zukunft wird. "Alles wie eins. Heute kann heute sein, aber auch gestern oder vor zwanzig Jahren." Nur der Wechsel der Sprach- und Stilebenen markiert das Vergehen der Zeit. Klara zerbrach noch an einer archaischen Ordnung, die in Sprichwörtern, Bauernregeln und Ritualen fest gegründet war; mit den Nationalsozialisten kommen Unwörter wie "Entjudungsgewinnabgabe", mit der Roten Armee auch eine peinlich missglückte Politpornographie, und am Ende kehrt die Enkelin die Scherben ihres Kindheitsparadieses zusammen und bringt sie im Abschied noch einmal zum Leuchten.

"Die Wildnis bändigen und dann mit der Kultur zusammenstoßen lassen, das ist die Kunst", sagte der Architekt und Heimatplaner. Auch der Bau "Heimsuchung" wirkt manchmal wie am Reißbrett konstruiert: eine Blaupause aller inneren und äußeren Kriege. Der Rasen im Park ist zu kurz geschnitten, mit zu viel preziösen und sentenziösen Rosen bepflanzt, als dass er noch atmen, wuchern, leben könnte. Man spürt die Anspannung, um nicht zu sagen: Anstrengung, alle Facetten deutscher Geschichte im zwanzigsten Jahrhundert an einem stillen Ort, weit weg von Berlin und vom klassischen Familienroman, zur Sprache zu bringen. Erpenbeck hat jahrelang recherchiert, vom Bauaktenarchiv Köpenick bis nach Südafrika, hat sich in die Fachsprachen von Geologie, Rosenzucht, Zivilrecht und natürlich Bautechnik eingearbeitet. Am Ende hat sie das Schreckliche wie das Schöne in dieselbe schlackenlose, poetisch beherrschte Sprachkunst gebannt, und selbst wo von Brüchen, Unglück, Terror und Wahn die Rede ist, geht alles perfekt auf. "Heimsuchung" ist ein kühnes Experiment, ein eindrucksvoller Roman. Aber wohnen möchte man in diesem radikal entkernten Haus am See eigentlich nicht. "Wer baut, klebt nun einmal sein Leben an die Erde": Jenny Erpenbeck hat ihres eher an Wörter und Sätze gehängt.

- Jenny Erpenbeck: "Heimsuchung". Roman. Eichborn Berlin, Berlin 2008. 191 S., geb., 17,95 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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"Jenny Erpenbecks neuer Roman besteht zum größten Teil aus Respekt: Respekt vor den wirklichen Menschen, vor den Figuren, vor all diesen Wahrheiten."
(Die Zeit, 29. Mai 2008)

"Erpenbeck ist unter den Autoren ihrer Generation die leise Poetin. Die Wucht ihrer Sprache liegt nicht in den einzelnen Worten, sondern zwischen den Sätzen Heimsuchung ist ein Meisterwerk."
(Der Spiegel, 10. März 2008)

"Ein Dutzend lose miteinander verknüpfter Geschichten von Schuld und Sühne: hochkonzentrierte lyrische Prosa, nacktes Gerippe ohne episches Fett, ohne Dialoge und meistens auch ohne Namen. […] Heimsuchung ist virtuos durchkonstruiert."
(Frankfurter Allgemeine Zeitung, 23. Februar 2008)

"In wenigen Sätzen, kurzen Szenen und Dialogen zeichnet Jenny Erpenbeck zwölf spannende und berührende Einzelschicksale, die mit diesem Grundstück an einem See bei Berlin verbunden sind. […] Es gelingen ihr raunende Untertöne, märchenhafte Szenerien, traumhafte Situationen zuwischen Realität und Wahnsinn. […] Große Geschichten um ein kleine Stück Erde, epische Geschichtsschreibung auf höchstem Niveau."
(Rainer Schmitz in: Focus, 4. Februar 2008)

"Jenny Erpenbecks schmaler Roman ist voll von kleinen und großen Schicksalen. Was sich in Deutschland zusammenbraute, beeinflusste das Leben gerade derjenigen, die darauf hofften, sich in ein märkisches Idyll zurückzuziehen. Dem geschichtlichen Wandel steht dabei die Tegelmäßigkeit des Jahreszeitenrhythmus gegenüber, […] Durch Stilmittel der Wiederholung, die von ferne an den Nouveau Roman erinnern, kreiert Jenny Erpenbeck damit einen litaneiartigen Ton, einen märchenhaften, von Elementen des Volksaberglaubens getragenen Gesang, …"
(Rainer Moritz in: Die Welt, 2. Februar 2008)

"Der Balanceakt zwischen Einfühlung und Distanz, Sammeleifer und Askese, Kunstwollen und Chronisten-Ambition verstärkt noch die ballerinenhafte Anspannung, mit der Jenny Erpenbecks Prosa einen permanenten Spitzentanz vorführt."
(Süddeutsche Zeitung, 9./10. Februar 2008)

"Dass sie gut schreibt, dass sie mit auffallender Geläufigkeit poetische Bilder ausbalancieren kann, dass sie die Reduktion eines Stoffs auf seine inneren Strukturen beherrscht und jedes Wort bei ihr an der richtigen Stelle im Satz steht, hat die Berliner Schriftstellerin hinlänglich bewiesen. […] In diesem Geschichtsabriss — ein Wort, das man hier durchaus wörtlich nehmen darf — entfaltet die Autorin die Geschichte eines Fleckchens Erde nahe Berlin und seiner aufeinanderfolgenden Besitzer."
(Literaturen, März 2008)

"Die Geschichte ist das, was sich an jedem Ort als Sediment abgelagert hat. Jenny Erpenbeck hat einen Roman von enormer poetischer Kraft geschrieben, der genau dies eindrücklich zur Darstellung bringt: Sie erzählt von den kleinen Geschichten eines unscheinbaren Ortes und spiegelt darin .- ergreifend und fassbar — die grosse Geschichte."
(Neue Zürcher Zeitung, 2. Februar 2008)

"Und so berührt dieser Roman rein sprachlich auf eine so intime Art, dass die Unbedingtheit, ja Unerbittlichkeit, mit der er seinen existenzialistischen Grundton hält, dadurch gewissermaßen ausgeglichen wird."
(die tageszeitung, 7. März 2008)

"Erpenbeck weitet nicht den Blick auf das große Ganze, sondern erzielt den gleichen Effekt durch mikroskopische Verkleinerung der Welt und der Sprache, die sie beschreibt. […] In einer blassen, feinen Sprache wie aus Porzellan nähert sich Erpenbeck den Bewohnern und ihren Schicksalen."
(Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, 2. März 2008)

"Immer wieder bricht unsere Geschichte in den Alltag des Hauses ein oder schimmert durch ihn hindurch. Und wird in diesem wunderbaren Roman  so spürbar, so nachfühlbar wie in kaum einem anderen Buch der letzten Jahre."
(Brigitte 26. März 2008)

"Die Zeit ist das eigentliche Thema dieses leisen, eindrücklichen und hochpoetischen Romans. […] Die Zeit als begehbarer Raum, der Ort als konkrete Verdichtung in der Zeit: Von hier aus greift die erzählerische Imagination weit aus, …"
(Der Tagesspiegel, 3. Februar 2008)

"So wird die Sprache des Romans poetisch und der Blick richt weit, jede Geschichte erscheint persönlich und exemplarisch zugleich."
(Bayerischer Rundfunk Diwan-Büchermagazin, 1. März 2008)

"Die 1967 geborene Regisseurin und Autorin spiegelt […] die deutsche Geschichte des 20. Jahrhunderts im stillen Wasser eines märkischen Sees. Seine Oberfläche wirft indes kein historisches Lehrstück zurück, sondern reflektiert so epische wie poetische die menschliche Suche und Sehnsucht nach Heimat."
(Frankfurter Neue Presse, 21. Februar 2008)

"Ihre Prosa ist geschliffen und poetisch,."
(Börsenblatt, 7. Februar 2008)

"Ein Haus am See […] Ausgangspunkt einer Reise durch das 20. Jahrhundert — so raffiniert und mit poetischer Einfachheit geschrieben, dass man meint, das Verstreichen der Zeit zu spüren."
(Vanity Fair, 13. März 2008)

"Jenny Erpenbecks neues Buch ist ein beeindruckender, klug und stringent konzipierter Roman über das Haben und Verlieren, über materiellen und immateriellen Besitz, über den Krieg und seine Folgen, über die Natur und die Wende, die neue Menschen mit neuen Besitzforderungen gebracht hat."
(Verena Auffermann für Deutschlandradio Kultur, 26. Februar 2008)

"Einzelschicksale, erzählt wie durch ein Brennglas, die sich zu Geschichte summieren: deutsche Geschichte des 19. Jahrhunderts, und weiter bis zum Ende der DDR. Festgemacht an einem Haus, durch das Menschen Heimat suchen und manchmal finden und das doch auch zu Heimsuchung wird, das entsteht und vergeht wie das Land auf dem es steht. […] Ein außerordentliches Stück Literatur, das Jenny Erpenbeck hier vorlegt und das sie einmal mehr als eine ganz besondere Autorin ausweist, realistisch, klug und hochpoetisch zugleich."
(NDR Kultur, 11. Februar 2008)

"…Geschichten von Bauern und Hausherren, von Pächtern und Unterpächtern, von Eingesessenen und Flüchtlingen. Nicht chronologisch und nicht linear, es sind Mosaiksteine, die sich nach und nach zu einem Ganzen, zu einem Bild zusammensetzen. […] Wie ein Lied, wie eine melancholische Melodie prägen sich Jenny Erpenbecks Erzählungen ein. Und wir wissen: Nicht nur Musik, auch Literatur gehört zum Überlebensgepäck."
(hr-online, Februar 2008)

"Dieses Buch ist ein Geschenk! Es macht glücklich und nachdenklich, es ist kunstvoll, ohne je gekünstelt zu sein. Und dabei ist es keine leichte Lektüre. […] Das ganz Besondere, Herausragende an Jenny Erpenbecks Büchern ist die Sprache. Sie ist poetisch, frei von Kitsch und sie kann unglaublich genau und hart sein."
(NDR info, Februar 2008)

"…verfolgt der Roman fast Hundert Jahre lang die Geschichte […] Um die Chronologie schert die Autorin sich dabei nicht, sprachlich souverän springt sie vor und zurück, was die Lektüre zu einem anregenden Vergnügen macht."
(WirtschaftsWoche, 10. März 2008)

"Ein kleines Buch, aber ein großer Wurf: Erpenbeck erzählt intensiv, meisterhaft beherrscht sie die Sprache, formt sie zu märchenhaftem Klang von magischem Reiz. […] Die Zeit ist das eigentliche Thema dieses Romans, dessen ästhetisches Konzept bis ins Letzte durchdacht ist."
(Hamburger Abendblatt, 6. Februar 2008)

"Eine rätselhafte Figur und eine Geschichte, die keinen Anfang und kein Ende kennt, die teilweise in einen überzeitlichen Kontext gerückt wird — das ist das literarische Geheimnis Jenny Erpenbecks."
(Berliner Morgenpost, 15. Februar 2008)

"Das Große im Kleinen aufscheinen zu lassen, in unverwechselbaren Szenen und Bildern, ist seit je eine Stärke der Autorin, […] ein aufwühlend poetischer Roman, technisch perfekt, wie ein Puzzle gebaut, mit balladesken, märchenhaften Klängen. Ein kunstvoll beschriebener Wimpernschlag im ewig währenden Kreislauf der Dinge."

"Leipziger Volkszeitung, 20. Februar 2008)

"Die sprachliche Reife und die historische Genauigkeit […] und die menschliche Dimension, in der die Autorin schreibt, ergeben einen den Leser vor Erschütterungen nicht verschonenden Roman.."
(Saarbrücker Zeitung, 8. Februar 2008)

"Nicht nur das Haus, auch das Buch ist ein Traum. Bevor Di Wohlgesinnten in deutscher Übersetzung erscheint, Jonathan Littells Versuch, NS-Verbrechen aus reueloser Sicht eines Beteiligten zu schildern, hat Erpenbeck mit Heimsuchung die Gegenposition zeitgeschichtlichen Erzählens eingenommen. In Umfang, Ansatz und Blickrichtung in stärkstem Kontrast zu Littell, mit  einer Eindringlichkeit, die nicht aus dem Unfassbaren, sondern aus der Gewissheit gelebten Lebens erwächst."
(Kölner Stadt-Anzeiger, 16./17. Februar 2008)

"Fast hundert Jahre deutsche Geschichte zeigt Jenny Erpenbeck […] im Porträt des Hauses und in der Montage der verschiedenen Stimmen seiner Bewohner — mal klaglos, mal hysterisch, mal schlicht. Immer kunstvoll."
(Neon, Februar 2008)

"Diese Novellensammlung beschreibt Liebe, Tod und Leidenschaft, von der Weimarer Republik bis zur Wende. Wunderbare deutsche Prosa."
(Playboy, Februar 2008)

"Nur ein Genie wie Jenny Erpenbeck kann diesem Setting so viel Wucht verschaffen. Sie zeigt brillant, wie Menschen entwurzelt, entehrt, entsetzt werden und was passiert, wenn Ungeziefer über ein Land herfällt..."
(blond magazine, März 2008)

"Ein Buch der leisen Töne, kunstvoll und elegant und wunderschön poetisch."
(Glamour, 5. Februar 2008)

"Erpenbeck setzt den Rhythmus der Natur gegen die Symbolik der schicksalhaften Macht. Die Zeit ist das Thema dieses Romans, dessen ästhetisches Konzept bis ins Letzte durchdacht ist. Eine beachtliche literarische Leistung."
(Augsburger Allgemeine, 6. Februar 2008)

"Erpenbeck erzählt intensiv, meisterhaft beherrscht sie die Sprache, formt sie zum märchenhaften Klang von magischem Reiz."
(Allgäuer Zeitung, 6. Februar 2008)

"Jenny Erpenbeck erweist sich als Meisterin der Sprache, die jede ihrer Personen besondes artikuliert."
(Hellweger Anzeiger, 9. Februar 2008)
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Perlentaucher-Notiz zur ZEIT-Rezension

Rezensentin Katharina Döbler hat viele Gründe, diesen "mit feinem Stich und großer Wirkung" gearbeiteten Roman von Jenny Erpenbeck über das Haus ihrer Großmutter, das die Familie nach der Wende an die Erben der jüdischen Alteigentümer zurückgeben musste, zu loben: Akribische Recherche, ihre dichte "mit dem Stoff der Imagination üppig gepolsterte" literarische Umsetzung, die Implantation von gedanklichen Ausschweifungen sowie die höchst komplex gebauten Figuren in den verschiedenem Zeiten, durch die der Roman das Geschick des Hauses und seiner wechselnden Besitzer und Bewohner verfolgt. Aber auch die Art, wie Erpenbeck darin deutsche Geschichte des 20. Jahrhunderts manifest werden lässt, haben die Rezensentin sehr beeindruckt. Was die Rezensentin aber vor allem überzeugt, ist die große Objektivität der Autorin bei der Beschreibung, die ohne jeglichen "autobiografischen Groll" auskomme. Und der Respekt, den sie in der Fiktion vor den "wirklichen Figuren" und ihren Wahrheiten behält, wo von ihre eigene Wahrheit zwar ein Teil, jedoch ein gleichgestellter sei.

© Perlentaucher Medien GmbH
»Ein Roman von enormer poetischer Kraft.« Neue Zürcher Zeitung