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Mit präzisem Blick für die tragische Komik des Lebens stolpert Herr Lehmann durchs Leben. Durch jahrelange, ausgefuchste Ausweichmanöver und heroische Trägheit hat der arglistfreie, bis ins Mark ambitionslose Bierzapfer erfolgreich Ansprüche von Eltern, Vermietern, Nachbarn und Frauen ausgesessen. Nun, wir schreiben das Jahr 1989, lebt er weitgehend störungsfrei in seiner Eineinhalbzimmerwohnung in Kreuzberg, wenn er nicht in die nächste Kneipe geht. Doch plötzlich bricht eine unvorhergesehene Störung nach der anderen in seinen heißgeliebten Alltagstrott. Herr Lehmann muß nicht nur sein Revier…mehr

Produktbeschreibung
Mit präzisem Blick für die tragische Komik des Lebens stolpert Herr Lehmann durchs Leben. Durch jahrelange, ausgefuchste Ausweichmanöver und heroische Trägheit hat der arglistfreie, bis ins Mark ambitionslose Bierzapfer erfolgreich Ansprüche von Eltern, Vermietern, Nachbarn und Frauen ausgesessen. Nun, wir schreiben das Jahr 1989, lebt er weitgehend störungsfrei in seiner Eineinhalbzimmerwohnung in Kreuzberg, wenn er nicht in die nächste Kneipe geht. Doch plötzlich bricht eine unvorhergesehene Störung nach der anderen in seinen heißgeliebten Alltagstrott. Herr Lehmann muß nicht nur sein Revier gegen einen wurstförmigen Hund verteidigen, der ihn am Überqueren des Lausitzer Platzes hindert, er wird auch vom Besuch seiner Eltern aus der Provinz bedroht, trifft in der Markthalle auf eine Frau, der es gelingt, ihn zu einem Besuch des Prinzenbads zu verführen und in emotionale Verwirrung zu stürzen. Zu allem Überfluß wird er zudem durch widrige Umstände gezwungen, eine Reise an den Kurfürst endamm anzutreten und den Versuch einer Grenzüberschreitung gen Osten vorzunehmen.
Autorenporträt
Sven Regener wurde 1961 in Bremen geboren. 1985 gründete er die Band "Element of Crime", die mit deutschsprachigen Alben wie "Damals hinterm Mond" und "Weißes Papier" eine große Popularität erlangte. Sven Regener ist Sänger und Texter der Gruppe. 2011 erhielt er den Ehrenpreis der Deutschen Schallplattenkritik, 2015 die "Zuckmayer-Medaille" und 2016 die "Grimm-Gastprofessur der Universität Kassel".
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 17.08.2001

Aber dann, aber dann: Kreuzberger Hosenträger sind lang
Der Einzug des guten Onkels in die neueste deutsche Literatur: Sven Regener kehrt bei Herrn Lehmann, dem Zapfer, ein und spendiert ihm einen Roman und zwanzig Biere
Es soll vor der Wende ein Tal der Ahnungslosen gegeben haben. Es lag im Südosten der Deutschen Demokratischen Republik, irgendwo hinter Dresden, und wurde so genannt, weil keine Antenne mehr ausreichte, um ein Fernseh- oder Rundfunkgerät mit Sendungen aus dem Westen zu versorgen. Dass es auch im Westen ein solches Tal ohne Nachrichten, ohne Veränderung, eine solche Welt der ewigen Wiederholung des Gleichen gegeben haben soll, war bislang nicht bekannt. Sven Regener, gerade noch Sänger und Texter der Popgruppe Element of Crime will dieses Tal nun entdeckt haben: im äußersten Osten West-Berlins, in SO 36, im tiefen Kreuzberg. Dort ist „Herr Lehmann” in den achtziger Jahren zu Hause gewesen, als Zapfer in einer Kneipe namens „Einfall”, und vielleicht zieht er dort noch heute seine mehr oder minder schwankenden Kreise.
Der Untertitel weist das Buch (Eichborn Berlin, Berlin 2001) als „einen Roman” aus, und der unbestimmte Artikel ist von Bedeutung. Hier tastet sich einer an eine Form heran, die ihm noch nicht geheuer ist – und gibt zugleich zu erkennen, dass er auf etwas Großes hinauswill (was aber nur geht, weil die Anforderungen an einen Roman so klein geworden sind.) Denn „Herr Lehmann” ist ein historischer Roman: Er spielt im Herbst 1989, in den Monaten vor der Öffnung der Mauer.
Sechzig Jahre, so hatte Walter Scott verlangt, sollten zwischen dem Erzählen und der erzählten Zeit liegen, und diese Frist wird hier weit unterboten. Wie wenig sind zwölf Jahre: eine knappe Schulzeit, vier Weltmeisterschaften im Fußball. Zwölf Jahre – das ist wie gerade erst gewesen, und doch verwandelt Sven Regener diese Zeit in tiefste Vergangenheit. Man wundert sich, wie Lebensumstände, die so kurz zurückliegen, so viel liebenswürdige Patina angesetzt haben können. Doch ist es gerade diese Sicht zurück in die vergangenen Jahrzehnte, die sich unter den jüngeren deutschen Autoren heftig auszubreiten scheint. Den Anfang hatte Michael Kumpfmüller im vergangenen Jahr gemacht, mit einem Helden namens „Hampel”, einem Schwerenöter, Frauenhelden und Trunkenbold, der aus dem Westen in den Osten flüchtete, um Ruhe vor seinen Gläubigern zu haben. In diesem Herbst wird „Arbogast” erscheinen, der neue Roman von Thomas Hettche, und er wird vom Glück erzählen, eine „Isabella” von Borgward zu fahren. Allen drei literarischen Historikern gemein ist die sagenhafte Milde, mit der sie sich in der jüngsten Vergangenheit umschauen.
Was ist das auch für einen Idee, einen literarischen Helden von knapp dreißig Jahren „Herrn Lehmann” zu nennen? Noch vor zehn Jahren hätte man an diesem Wort zuerst die darin versteckten Sockenhalter wahrgenommen. Und doch ist dieser Titel gut gewählt, denn Sven Regener hat tatsächlich eine Welt entdeckt: den unerbittlichen Konservativismus eines Milieus, das man offenbar zu Unrecht für eine „alternative Szene” gehalten hat. Nun lässt sich der Dichter auf ihrem besten Sofa nieder und blättert ein Familienalbum auf: Da ist Frank Lehmann, der Zapfer, da ist sein Freund, der große, dicke Karl, der eigentlich Künstler ist und vielleicht auch nicht, und da ist Katrin, die schöne Köchin mit den breiten Hüften, die Herr Lehmann recht vergeblich liebt. Ruhig, ordentlich und friedlich ist diese Welt, und nur eines fällt hier unangenehm auf: die Ruhestörungen, der sich Lehmanns Fluchten allesamt verdanken.
An diesem Buch müsste man nur ein paar Attribute austauschen, und es käme daher, als sei es in den zwanziger Jahren entstanden. Vor allem ist es die Milde, die diesen Eindruck erweckt, der betuliche Ton eines ebenso langmütigen wie teilnehmenden Beobachters, den man sich eigentlich immer als dicken Mann mit Hosenträgern vorgestellt hat. Sein erzählerisches Prinzip ist die Anekdote, am besten die mit Pointe. Auch das war bei Michael Kumpfmüller schon so: Dessen Held war schließlich Bettenverkäufer. Thomas Hettche schickt nun einen Vertreter für Billardtische auf die Walz. Bei Herrn Lehmann könnten sie beide einkehren. Er ist der Zapfer ohne Ehrgeiz. Pausenlos in Selbstgespräche oder sprachkritische Debatten verstrickt – denn nichts hält die Zeit so schön auf wie ein guter innerer Monolog – , bewegt er sich durch eine ebenso skurrile wie von Grund auf harmlose Welt.
Am Ende sind es zwanzig Anekdoten, aus denen dieses Buch besteht. Eine jede ist wie ein Popsong: Sie hat eine eingängige Melodie, ein Refrain und ein kleines Solo. Zwölf von ihnen hätten ein hübsches Album ergeben, aber zwanzig sind ein bisschen viel. Am Ende hat der Erzähler etwas von einem heiteren Partygast, über dessen Pointen sich man eine ganze Weile amüsiert hat, bis der Kerl mit den Witzen nur noch unerträglich ist.
Kaum mehr als ein Jahrzehnt ist seit dem Mauerfall vergangen, und schon kommen die Erzählungen von der Zeit davor im Gestus der Archäologie daher. In dieser Vorzeit gibt es keine Mobiltelefone, keine Computer, und das Bier wird aus der Flasche getrunken. „Herr Lehmann” ist ein Buch der Verweigerung, eine Huldigung an alte, vergangene Rituale und auch ein Roman der Beschwichtigung. „Bumm, bumm” – schon trommelt der frühe Techno aus den Lautsprechern. Wenn Sven Regener allerdings das Lied von „Herrn Lehmann” singen müsste, käme etwas heraus, dass „A Dedicated Follower of Tradition” heißen müsste und eine Rockballade wäre.
Was ist den jungen deutschen Schriftstellern, die in den vergangenen Jahren ihr Debüt hatten, nicht alles nachgesagt worden: dass sie die Enkel von Günter Grass, ein Fräuleinwunder oder gar der Anfang einer rundum neuen, erfolgreichen Literatur seien. Hier aber treten auf: Die alten und gar nicht bösen Onkel der neuesten deutschen Literatur. Und wenn man dem Buch eines vorwerfen kann, dann einen fatalen Hang zur willkürlichen Besinnlichkeit. Herrn Lehmann kostet so viel Gemüt schließlich die literarische Seele. Auch er ist eine Figur, der man nicht in die Augen schauen möchte, weil da nichts ist – außer einem Bedürfnis nach sehr viel Schlaf und sehr viel Bier. Und natürlich geht die Geschichte nicht gut aus, schließlich wird Herr Lehmann dreißig Jahre alt, und die Mauer steht dann auch nicht mehr. Aber was heißt das schon? Irgendwann ist Schluss mit gemütlich, und es beginnen die Jahre der Reife.
„Herr Lehmann” ist ein freundliches, leichtes und gekonnt belangloses Buch, das es im einzelnen nicht an Originalität und Kraft fehlen lässt. Michael Kumpfmüller hat die Kritik den Tort angetan, sein Werk neben das von Heiner Müller zu rücken. Es wäre schön und nützlich, wenn es Herrn Lehmann erspart bliebe, dafür gelobt zu werden, einen „Wahnsinn” von Buch geschrieben zu haben, „als hätten sich die Pickwickier und Gregor Samsa zusammengetan, um eine Party mit Gustav Gans zu feiern”. Was, es ist schon geschehen? Das ist schade, wirklich schade.
THOMAS STEINFELD
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 09.03.2008

DIE STADT IM ROMAN

Düsseldorf: Aufstieg und Fall einer Anwaltsfamilie im neureichen Prada-Milieu von Düsseldorf schildert Martin Walser in seinem Roman "Der Lebenslauf der Liebe". Es ist die Geschichte von Susi Gern, einer alternden Frau auf der Suche nach Liebe. Dieser Düsseldorfer Lebenslauf ist aber auch eine Gesellschaftssatire, die in einer anderen Stadt so nicht spielen könnte.

Martin Walser, Lebenslauf der Liebe, Frankfurt, Suhrkamp, 10 Euro.

Berlin: Robert Gernhardt, der Frankfurter Lyriker, hat seine Hauptstadtgedichte in den 90er Jahren für die Berliner Seiten der Frankfurter Allgemeinen geschrieben. Beobachtungen vom Potsdamer Platz stehen da neben ironischen Beschreibungen Berliner Lebensart. Der Grundton der Gedichte ist Zuneigung. Hier ein kurzer Auszug:

In der großen Stadt Berlin

kommst Du auf die Kosten:

Wenn der Westen es nicht bringt,

gibt's ja noch den Osten.

Robert Gernhardt, Berliner Zehner - Hauptstadtgedichte, Fischer, Frankfurt, 8 Euro.

Berlin: In seinem Roman "Herr Lehmann" entführt Sven Regener, Sänger der Band "Element of Crime", den Leser in die kleine Welt von Kreuzberg während der Zeit des Mauerfalls. In einer Kreuzberger Kneipe lassen sich die, die aus der alten Bundesrepublik auf die Insel West-Berlin geflüchtet sind, auch durch den Mauerfall von ihren eingefahrenen Gesprächen beim Bier nicht stören. Es gab wohl kein besseres Milieu - und keinen besseren Romanhelden als Herrn Lehmann, um das Desinteresse des Westens an den Veränderungen in Berlin einzufangen - und unterhaltsam zu erzählen.

Sven Regener, Herr Lehmann, Goldmann, München, 8,90 Euro.

Köln: Werner Köhler ist einer der drei Macher der lit.Cologne. Und er schreibt Krimis mit dem Deutsch-Italiener Jerry Crinelli als Hauptfigur. Ein aufgespießter Toter auf dem Dach eines Hauses, ein Anschlag auf den ICE von Köln nach Frankfurt, eine Kindsentführung - es passiert viel in diesem Roman. Und immer wieder führt Köhler seinen Helden Crinelli dabei in das Herz der Stadt, in das Zentrum von Köln.

Werner Köhler, Crinellis kalter Schatten, Kiepenheuer & Witsch, Köln 9,95 Euro.

Mannheim: Bekannte Plätze der Mannheimer Innenstadt und einiger Vororte sind Schauplatz der Erzählungen in dem Band "Mord im Quadrat" von Walter Landin. Landin ist im Hauptberuf Realschullehrer und ein begeisterter Mannheimer, der auf die Authentizität der Tatorte und Milieus in seinen Erzählungen großen Wert legt. Wer Mannheim nicht kennt, erfährt in diesen Kriminalerzählungen viel über diese Stadt.

Walter Landin, Mord im Quadrat, Wellhöfer Verlag, Mannheim, 9,80 Euro.

Nürnberg: Regionalkrimis liegen in Deutschland im Trend. Deswegen wird hier auch fündig, wer einen Roman sucht, in dem das heutige Nürnberg die Kulisse bietet. In Jan Beinßens "Dürers Mätresse" stirbt der Chef des Fremdenverkehrsamts während der Eröffnung des Christkindlesmarktes. Es wird weiter gemordet; und alle Spuren führen zu Albrecht Dürer, den größten Sohn der Stadt.

Jan Beinßen, Dürers Mätresse, Ars Vivendi, Cadolzburg, 14,90 Euro.

Leipzig: Für seinen Debütroman "Als wir träumten" ist der Jungschriftsteller Clemens Meyer auf der Leipziger Buchmesse vor zwei Jahren begeistert gefeiert worden. Der Ich-Erzähler im Roman, Jahrgang 1976, wächst im Osten von Leipzig auf. Er liebt Bier, Fußball und Mädchen, er raucht und randaliert. Meyer ist Leipziger und erzählt von einer wüsten ostdeutschen Jugend.

Clemens Meyer, Als wir träumten, Fischer, Frankfurt, 9,95 Euro.

cag.

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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Thomas Steinfeld hält diesen Band für ein "freundliches, leichtes und gekonnt belangloses Buch", bei dem ihm offenbar besonders gut gefällt, dass der Autor hier einen "unerbittlichen Konservatismus" der alternativen Szene ins Visier nimmt, in der vor allem eines wichtig ist: dass man nicht gestört wird in seinem eingerichteten Leben. Steinfeld ist der Ansicht, dass dieses Buch beinahe genauso gut in den zwanziger Jahren hätte geschrieben werden können, vor allem wegen der "Milde, (...) dem betulichen Ton eines ebenso langmütigen wie teilnehmenden Beobachters, den man sich eigentlich immer als dicken Mann mit Hosenträgern vorgestellt hat". Dass der Roman letztlich aus zwanzig Anekdoten besteht, hat zwar nach Steinfeld seinen Reiz, doch findet er, das zwölf durchaus gereicht hätten. Irgendwann bei der Lektüre schien es Steinfeld so, als ob man einem Partygast zuhört, der lustige Dinge erzählt, einem jedoch ab einem gewissen Punkt nur noch auf die Nerven geht. Auch ein bisschen mehr "literarische Seele" hätte dem Herrn Lehmann nicht geschadet, findet Steinfeld. Doch insgesamt überwiegt das positive Urteil in der Rezension, zumal Steinfeld zum Schluss noch lobend auf die "Originalität und Kraft" dieses Buch hinweist.

© Perlentaucher Medien GmbH
"Die Dialoge entfalten einen sprühenden Witz, wie man ihn selten antrifft in einem deutschen Roman. Und er geht auch bei wiederholtem Lesen nicht verloren." Neue Zürcher Zeitung
"Diese 140 Minuten Hörspiel sind besser als die Verfilmung von Leander Haussmann."