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Ein scheinbar harmloser Museumsbesuch verändert das Leben eines angesehenen Arztes. Vor einem berühmten Bild kommt ihm ein unheilvoller Gedanke: Stand seine eigene Ehefrau Modell für Aktfotos? Ein turbulenter Roman über die Kraft der Phantasie und derEifersucht.

Produktbeschreibung
Ein scheinbar harmloser Museumsbesuch verändert das Leben eines angesehenen Arztes. Vor einem berühmten Bild kommt ihm ein unheilvoller Gedanke: Stand seine eigene Ehefrau Modell für Aktfotos?
Ein turbulenter Roman über die Kraft der Phantasie und derEifersucht.
Autorenporträt
Jorge Edwards wurde 1931 in Santiago de Chile geboren. Er studierte in Chile und Princeton Jura und Philosophie. Als Diplomat vertrat er sein Land in Brüssel, Havanna, Lima und Paris. Nach dem Militärputsch ging er 1973 für fünf Jahre ins spanische Exil.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 02.07.2005

Klassisches Dreieck
Mit den Augen Courbets: Ein Roman von Jorge Edwards

Dieser psychologische Roman ist nahezu perfekt: hart, klar und trocken erzählt, auch gerade deshalb so intensiv; weltläufig, kultiviert - aber ohne Insistenz und Pedanterie; leicht bei aller Härte, sogar etwas reißerisch, spannend auf jeden Fall. Er ist nicht unbedingt, wie Mario Vargas Llosa urteilt, "sehr komisch", aber seiner Härte fehlt das Komische nicht. Er ist vor allem souverän geschrieben - auch und gerade in seiner formalen Unbekümmertheit. Da sind zum Beispiel, einfach so, zwei kühne Wechsel der Erzählperspektive: der vom "ich" zum "er" (da berichtet, ein Kapitel lang, plötzlich nicht mehr, wie bis dahin und nachher wieder, jener, der die Geschichte erleidet, sondern ein Erzähler von außen), dann, ganz am Ende, der Wechsel vom "ich" des Mannes zum "ich" der Frau, die immer mehr zum Opfer wird. Da redet nun also sie über ihn, der sonst das Wort führt.

Das Buch startet wie rasend. Augenblicklich geht es los - mit jenem ominösen Gemälde von Gustave Courbet, das so heißt wie dieser Roman. Oder andersherum: Der Roman heißt wie das Bild. Ist dieses Bild eigentlich obszön? Beinahe möchte man es heute "nett" nennen; es bleibt aber doch, in seiner unverschämten Direktheit, auch in seiner handwerklichen Perfektheit, irritierend. Und nun also: "Es sieht dir ähnlich", sagt unvermittelt der Mann zu seiner Frau, nachdem er im Museum das Bild "ein paar Minuten" betrachtet hat. Seltsam bestätigend wirkt da die unmotiviert wütende Reaktion der Frau: "Du bist verrückt!" fährt Silvia ihn an, "rot wie ein Schulmädchen". Patricio ist Medizinprofessor; Silvia war einmal seine Studentin. Um das klassische Dreieck zu vervollständigen - und das schon auf der ersten Seite -, ist da noch der gemeinsame Freund Felipe Díaz, ein heruntergekommener, aber interessanter Single, den Silvia ebenso sehr mag wie Patricio (und Patricio - das ist vielleicht das Problem - mag ihn eher noch etwas mehr als sie) und der seine oft wechselnden Frauen, wie Patricio zu wissen glaubt, gern "in obszöner Pose" fotografiert.

Dieser Felipe also ist die reale oder doch real mögliche Verbindung zwischen Courbet und Silvia: das Bild als Anreger für Felipe und Silvia als ein dankbar und nun fotografisch wiederholter "Ursprung der Welt". Ebenda setzt der sich rasch kristallisierende Verdacht von Patricio an, der sich zügig zur Paranoia entwickelt. Patricio trifft den weit jüngeren Freund einmal, dann noch einmal. Bevor er ihn aber selbst zu fragen vermag, stirbt Felipe - nur zwei Tage später, aber aus nicht ganz heiterem Himmel heraus (der Arzt Patricio sah es irgendwie kommen: da waren Risikofaktoren). Und dann, tatsächlich, findet Patricio in Felipes Wohnung neben anderen Fotografien eines, das genau mit Courbets Vorlage übereinstimmt, und ist nun sicher, daß die Frau auf dem Bild nur Silvia sein kann. Es folgt die beklemmende soziale Degradierung. Er sucht seine wenigen Freunde auf und kommt stets rasch auf seinen Punkt: Hast du, habt ihr Hinweise auf eine Geschichte zwischen Silvia und Felipe? Die Freunde sind entsetzt, weisen ihn so entschieden wie grob zurück. Patricios Wahn aber ist nicht aufzulösen. Schließlich geht aber doch alles, durch Silvias Klugheit, auch durch ihre Liebe, gut aus, so jedenfalls, daß es insgesamt wieder werden könnte, wie es war. Mehr soll hier nicht verraten werden, denn ein bißchen wie ein Krimi, freilich ohne Verbrechen, ist der Roman auch.

Zwar sind alle Personen des Romans Chilenen, die Handlung aber spielt, von gelegentlichen Erinnerungen an die Heimat abgesehen, in Paris. Dort leben sie als Flüchtlinge, als Opfer Pinochets. Und diese Exkommunisten finden es, ohne sich dies wirklich klarzumachen, schließlich doch angenehmer, in Paris zu bleiben, als nach Chile zurückzukehren. Paris ist doch etwas anderes als Iquique, sagt einmal Silvia, die da weiter, nämlich ehrlicher ist als die Männer. Da ist denn auch die Hintergrundkomik dieses kurzen, kaum politischen, sondern psychologischen und hier sehr unheimlichen Romans "Der Ursprung der Welt".

Der chilenische Autor mit dem englischen Nachnamen, Jahrgang 1931, ist in der spanischsprechenden Welt seit langem alles andere als unbekannt. Vor sechs Jahren erhielt er mit dem Premio Cervantes einen ihrer wichtigsten (und höchstdotierten) Literaturpreise. Sodann war Jorge Edwards Botschafter seines Landes in Brüssel, Havanna, Lima und Paris. Dies ist wie vormals in Frankreich (man denke nur an Paul Claudel und Saint-John Perse) noch heute in Lateinamerika nicht unüblich. Nun muß man nicht im diplomatischen Dienst gewesen sein, um solch einen Roman zu schreiben. Vielleicht aber hat die unpedantisch kultivierte Weltläufigkeit dieses Romans doch auch mit diesem biographischen Hintergrund zu tun. Jedenfalls paßt er zu ihm.

Sabine Giersbergs Übersetzung "aus dem chilenischen Spanisch" (nun, das ist halt Spanisch) ist sehr gut. Über einige Konjunktive freilich ließe sich streiten. Doch ist hier ja allgemein und zumindest norddeutsch einiges durcheinandergeraten. Die eigentümlichen Französischfehler im deutschen Text gehen aufs Konto des großen Jorge Edwards.

Jorge Edwards: "Der Ursprung der Welt". Roman. Aus dem Spanischen übersetzt von Sabine Giersberg. Verlag Klaus Wagenbach, Berlin 2005. 176 Seiten, geb., 17,50 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 16.07.2005

Nur für die Untreue gibt es Beweise
Hiebe mit dem Stöckelschuh: Jorge Edwards ergründet Treue und Eifersucht unter Chilenen in Paris
Was mag sich nur in dieser Verpackung verbergen?, denkt der Leser, der Jorge Edwards’ schmales Buch zur Hand nimmt und den eigentümlichen Umschlag betrachtet: dickes Zellophanpapier, darauf breite weiße Querstreifen, mit Zwischenraum hindurchzuschaun. Man lüpft es, und es tritt einem, leicht versetzt und nicht geschmacklos auf schieferblauem Grund, das Gemälde von Gustave Courbet entgegen, das dem Buch den Titel gibt: „Der Ursprung der Welt”, das Bild eines nackten weiblichen Torsos aus der Froschperspektive, die Schenkel weit auseinander gebogen und, zentral, in reichem Haarschmuck, die weibliche Scham.
„Der Ursprung der Welt”: Der Name klingt (wie auch Edwards weiß) etwas theatralisch, wo es sich genau genommen doch bloß um den Künstlereingang für die menschliche Rasse handelt. Das Bild, mehr berüchtigt als berühmt, viele Jahre lang ins Magazin verbannt, stellt gewiss kein großes Kunstwerk dar. Tief notwendig war es gleichwohl. Nach vier Jahrhunderten der Aktmalerei schrie die Heuchelei, die das weibliche Geschlecht unterschlug (Männer bekamen immerhin Andeutungen zugebilligt) und an dessen Stelle eine erlogene Latex-Kalotte setzte, zum Himmel. Gibt es eine Schönheit, die nicht auch zum Begehren spricht? Es hatte sie zu geben, basta! Courbet verhalf der Natur mit einem Gewaltstreich zu ihrem Recht.
Vor diesem Gemälde stehen, in der Eröffnungsszene des Buchs, das sich zwar einen Roman nennt, aber nach Umfang und Art der thematischen Durchführung besser eine Novelle hieße, Patricio Illanes und seine um zwei Jahrzehnte jüngere Ehefrau Silvia, Exilchilenen in Paris.
„,Weißt du was?‘ hatte ich Silvia leise gefragt, nachdem ich das Bild im großen Saal mit den Courbets ein paar Minuten lang angesehen hatte.
,Was?‘
,Es sieht dir ähnlich.‘
,Du bist verrückt!‘, rief Silvia aus, rot wie ein Schulmädchen und wütender als ich es vorhergesehen hatte, und sie schaute sich um, denn spanische Touristen waren immer da, vor allem um diese Jahreszeit, mitten im Sommer.
,Das ist deine guatita‘, erklärte ich ihr irritiert und musste innerlich lachen, die Spanier hatten diesen chilenischen Ausdruck bestimmt nicht verstanden, ,dieselben kräftigen, wohlgeformten Schenkel, sogar dieselben Haare, dieselbe . . .‘
,Du Schwein!‘ rief Silvia.”
Die feinen Unterschiede
Frauen sind komisch. Warum ist Silvia außerstande, dies als Kompliment entgegenzunehmen? Hätte Patricio sie mit der Porträtbüste einer Gräfin verglichen, wäre sie zweifellos geschmeichelt gewesen. Und bewährt sich ihr Mann nicht als Kavalier, der feine persönliche Unterschiede macht, wo Andere nur blind zustoßen? Und doch . . .
Dieses „Und doch” schwärt aber nicht in Silvia fort, sondern in Patricio, dem Erzähler. Auf einmal hat er die Eifersucht im Leib wie ein Krebsgeschwür. Wie, wenn Silvia ihn mit seinem besten Freund Felipe, Exilchilene auch er, Lebenskünstler und Frauenheld, betrogen hätte? Wer beweist ihm das Gegenteil?
Das ist eine Frage, die den Fragenden ins Unglück stürzen muss. Patricio fängt an, Zeugen zu suchen - hofft er jemanden zu treffen, der dabei war, als Silvia ihm die Treue hielt? Ach, für die Treue gibt es keinen Beweis; nur für die Untreue kann es ihn geben. Darum beruhigt sich die Eifersucht nie, bevor sie nicht ihre schlimmsten Befürchtungen bestätigt findet.
Felipe stirbt ganz kurz darauf. Er nimmt Tabletten nach einer Szene, die Patricio sich schaudernd, aber auch mit einer Spur Schadenfreude ausmalt: Wie Felipe, schon betrunken, eine kleine Verkäuferin aufgabelt, sie charmiert, in ihre Wohnung mitgenommen wird, sich dort auf dem Teppich übergeben muss und in seinem Erbrochenen kniet, während die Schöne, in ihrer Enttäuschung zur Furie geworden, ihm mit dem Absatz ihres Stöckelschuhs auf den Kopf drischt und schreit: „Fahr zur verdammten Hölle, wo du hergekommen bist, du impotenter alter Sack!”
Manch ein anderer hätte gesagt: Lassen wir’s gut sein. Nicht so Patricio, dem gerade der Tod Brief und Siegel zu geben scheint für die Unwiderruflichkeit des Geschehenen. Er verschafft sich Zugang in die Wohnung des Verstorbenen und entdeckt dort eine ganze Schublade voll Frauenfotos. Um zwei Sorten von Bildern handelt es sich: Porträts, die ihm die Damen geschenkt haben; und Fotografien, die Felipe selbst gemacht hat, dilettantische und teils obszöne Aktaufnahmen, darunter - ja: ein Bild, das genau dem Gemälde Courbets nachempfunden ist! Hastig stiehlt Patricio das Corpus delicti, nun vollends von Silvias Untreue überzeugt.
Der wahre Heroismus
Felipes Tod gibt Anlass zu philosophischen Betrachtungen. Hat er sich zuletzt umgebracht, weil er ein „gescheiterter Intellektueller” war? Mit Wehmut denkt Patricio daran, wie Felipe seinen alten zerbeulten Hut und das seidene Halstüchlein mit einer unvergleichlich mühelosen Eleganz zu tragen wusste, die er selbst, der gewissenhafte alte Arzt, nicht nach hundertjähriger Übung hingekriegt hätte. Was heißt schon scheitern? Ungewiss, denkt der Leser, muss nicht nur bleiben, ob Felipe, der aus dem Handgelenk Theaterstücke schrieb, die durchfielen, überhaupt gescheitert sei - sondern sogar, ob man speziell von einem intellektuellen Scheitern sprechen kann. Er hatte sein Leben der Erforschung der Frage gewidmet, ob sich das Allgemeine und das Persönliche an der weiblichen Schönheit versöhnen ließen - ein Projekt, das eines Intellektuellen jedenfalls nicht unwürdig ist. Er tat es mit dem wahren Heroismus, der nicht davor zurückschreckt, lächerlich zu werden. Patricio muss den Packen mit Fotos zusammendrücken, um die Schublade schließen zu können, so dick ist er.
Das Ende überrascht: Silvia erhält das Wort. Patricio demütigt sich so tief, dass er zuletzt sie selbst fragt, und: sie hat.
„,Wie oft?‘
,Wie oft?‘
,Ja. Wie oft?‘
,Vier oder fünf Mal.‘
,Vier oder fünf?‘
,Ich glaube, es waren fünf, jedenfalls nicht mehr, wenn es überhaupt so viele waren!‘”
Nach diesem Geständnis kommt es zu einer Liebesnacht wie schon lange nicht mehr. Silvia betrachtet es nicht ohne Sorge; Patitos neue Energien sieht sie, aber auch deren obskure, vielleicht bereits senile Quelle. Sie resümiert:
„Ich war wahnsinnig verliebt in Felipe, sagte ich mir, fast mit Erstaunen, aber niemand hat es gewusst, Patito nicht, niemand, und natürlich auch Felipe selbst nicht, der mit solchen Dingen nichts am Hut hatte und es nicht einmal merkte, der Unglückliche! Und meinen Doktor, Patito, den liebe ich sehr, meine Gefühle für ihn werden mit jedem Tag stärker. Hoffentlich lebt er noch viele Jahre.”
Da kenne sich einer aus!
BURKHARD MÜLLER
JORGE EDWARDS: Der Ursprung der Welt. Roman. Aus dem chilenischen Spanisch von Sabine Giersberg. Wagenbach Verlag, Berlin 2005. 164 S., 17,50 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Eine Dienstleistung der DIZ München GmbH
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Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension

Leopold Feldmair hat einiges auszusetzen an Jorge Edwards "schmalem" Roman "Der Ursprung der Welt", denn schmal findet er nicht nur den Umfang des Werkes. Auch den gedanklichen Zuschnitt hält er eher für bescheiden; einen leicht altersschnattrigen Machismo sieht er am Werk, die Angst eines "Großschriftstellers" vor den Mühen des Alters. Der Rezensent macht keinen Hehl daraus, dass er die Fabel - ein über 70 Jahre alter Arzt und Psychologe steigt in einem Anfall von Eifersucht der erotischen Vita eines durch Selbstmord geendeten Freundes nach und findet heraus, dass auch seine eigene Frau zu dessen Eroberungen gehört hat - und deren Gestaltung für einigermaßen töricht hält. "Wortverliebt" findet er den Roman, zudem "nicht ganz überzeugend übersetzt" und darüber hinaus mit "unsicherer Kommasetzung" belastet, welche letztere natürlich weder dem Autor noch dem Erzähler anzulasten ist. Der Titel bezieht sich auf das berühmte Gemälde Gustave Courbets, "den Schamhügel einer gesichtslosen Frau" zeigend.

© Perlentaucher Medien GmbH