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Copacabana ist nicht nur eine Verheißung von blauem Meer und weißem Sand, sondern auch der Inbegriff brasilianischer Lebensart, von demokratisch gelebter Strand- und Körperkultur über die Grenzen von Klassen und Hautfarben hinweg.Dabei hat es mehrere Jahrhunderte gedauert, bis die Lust am Strand in Brasilien salonfähig wurde. Dazu mussten schon ein portugiesischer König 1817 aus Angst um sein Leben baden gehen und der Bau eines Tunnels 1892 das Fischerdorf Copacabana mit dem alten Stadtzentrum Rios verbinden. Erst dann wurden hier die Nächte länger und die Badehosen der mondänen Strandgäste so…mehr

Produktbeschreibung
Copacabana ist nicht nur eine Verheißung von blauem Meer und weißem Sand, sondern auch der Inbegriff brasilianischer Lebensart, von demokratisch gelebter Strand- und Körperkultur über die Grenzen von Klassen und Hautfarben hinweg.Dabei hat es mehrere Jahrhunderte gedauert, bis die Lust am Strand in Brasilien salonfähig wurde. Dazu mussten schon ein portugiesischer König 1817 aus Angst um sein Leben baden gehen und der Bau eines Tunnels 1892 das Fischerdorf Copacabana mit dem alten Stadtzentrum Rios verbinden. Erst dann wurden hier die Nächte länger und die Badehosen der mondänen Strandgäste so kurz, dass der Bikini seinen Siegeszug antreten konnte.Dawid Danilo Bartelt erzählt in seiner kenntnisreichen wie kurzweiligen Biographie Copacabanas aber auch von den jungen Architekten wie Oscar Niemeyer, die das angrenzende Stadtviertel zum Modell der brasilianischen Moderne machten, von der Geburt des Bossa Nova, von Strandpolitik und Sandgesellschaften - und davon, dass direkt neben den glitzernden Hotelkomplexen die Händler aus den umliegenden Favelas ums tägliche Überleben kämpfen.
Autorenporträt
Dawid Danilo Bartelt, 1963 geboren, studierte in Bochum, Hamburg, Recife (Brasilien) und Berlin, wo er als Historiker über den Canudos-Krieg 1897 im Nordosten Brasiliens promovierte. Danach arbeitete er acht Jahre lang als Pressesprecher der deutschen Sektion von Amnesty International. Seit 2010 leitet er das Brasilienbüro der Heinrich-Böll-Stiftung in Rio de Janeiro, wo er mit seiner Familie lebt.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur FR-Rezension

Dawid Danilo Bartelt lässt sich in "Copacabana" viel, viel Zeit bis er im Heute ankommt, berichtet Christian Thomas, erstmal kommen die Reiseschriftsteller des neunzehnten Jahrhunderts zu Wort, die Erschließung dieses Orts werden beschrieben, der schon damals Sehnsüchte weckte und erfüllte, nicht wenige beschrieben ihn als das wahr gewordene Paradies. Nachdem man sich den Weg in die Bucht freigesprengt und Gleise verlegt hatte, wurde das Paradies - wie zuvor schon der Rest Rios - zum "Betätigungsfeld kompromissloser Urbanisten", erfährt der Rezensent von Bartelt, der Ort wuchs in die Höhe und das Pittoreske wich "dem Großen und Vielstöckigen". Das Buch ist wie eine langsame "Akklimatisierung an einen entzauberten Ort", findet Thomas. Heute regiert am Strand der Körperkult und in der Stadt das Kapital, und neben dem Bossa nova ist die Copacabana inzwischen wohl hauptsächlich für knappe Bikinis bekannt, berichtet der Rezensent.

© Perlentaucher Medien GmbH

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 14.05.2013

Gemeinplatz der Körper
Bossa Nova, Bikinis, brasilianisches Nationalgefühl – in dieser neuen Geschichte von Copacabana ist alles drin, was man so erwartet.
Trotzdem vermeidet das Buch von Dawid Danilo Bartelt Klischees, es ist heiter, aber nicht unkritisch – und sehr aufschlussreich
VON MICHAELA METZ
Copacabana, das klingt wie ein überdimensionierter Eisbecher, wie eine Kitschversion seiner selbst.“ Das schreibt Dawid Danilo Bartelt in der Einleitung seines klugen neuen Buchs über einen Traumort mit Rhythmus im Blut.
  Das poppig aufgemachte und handliche, jedoch akribisch recherchierte Buch ist mehr als eine informative Reiselektüre. Bartelt beschreibt detailliert, historisch genau und unter Umgehung der üblichen Gemeinplätze die rasante Entwicklung dieses berühmten Stadtteils von Rio de Janeiro, der in Europa wie in Brasilien bis heute ein Sehnsuchtsort ist. Dabei beschränkt sich Bartelts Chronologie nicht im engeren Sinne auf Copacabana. Stehen diese viereinhalb Kilometer Strand mit den heute etwa 100 Wohnblocks auf knapp fünf Quadratkilometern Fläche doch für Rio wie kein zweiter Platz – und steht nicht Rio für ganz Brasilien?
  Im neunzehnten Jahrhundert, als Rio de Janeiro schon seinen Ruf als exaltierte Hauptstadt Brasiliens genoss, sprach von Copacabana noch niemand. Ein großer Felsen trennte das Fischerdorf von der Stadt, der Weg dorthin war beschwerlich. Der Strand als Revier der Sonnenanbeter, als Bühne des gesellschaftlichen Lebens war ohnehin noch nicht erfunden. Das wusste die französische Schauspiel-Diva Sarah Bernhardt offenbar nicht. Sie provozierte 1886 während ihres Besuchs in Rio einen Skandal, als sie an diesem wilden Gestade im Meer badete und stundenlang im Badeanzug verweilte. Um nichts anderes zu tun, als auf das Meer hinauszusehen. Von den damals üblichen Tauchbädern – streng nach ärztlicher Vorschrift und möglichst vor Sonnenaufgang – hielt sie nichts.
  Im Jahr 1892 öffnete ein Tunnel durch den Felsen den Weg für die erste Straßenbahn von Rios Zentrum nach Copacabana. Und mit der Tram kamen das quirlige Volk und die High Society. Von da an gab es kein Halten mehr. Copacabana steht für ein ganz spezielles Lebensgefühl, mit all seinen illustren Bewohnern, den Künstlern und Musikern, Touristen, Prostituierten (dreierlei Geschlechts), Strandverkäufern und den alteingesessenen Bürgern.
  In den Zwanzigerjahren erlebte Copacabana die erste Blütezeit. 1919 wurde die Straße Avenida Atlantica erweitert. Zu dieser Zeit entstand auch der berühmte schwarz-weiße Wellenbürgersteig. Die aktuelle Version stammt aus den Vierzigerjahren und wurde von dem Landschaftsarchitekten Burle Marx entworfen. An diesem großen Strandboulevard erbaute auch der Architekt Oscar Niemeyer sein „Edificio Ypiranga“ mit Blick aufs Meer. Wegen seiner weiblichen Rundungen erhielt das Gebäude den Beinamen „Mae West“. Rundungen gibt es ja in Rio überall: die Hügel, die sanfte Krümmung der Meeresbuchten und die attraktiven Formen der Menschen, die sich in diesen Buchten tummeln. Im obersten Stock jenes Baus befand sich noch bis zu Niemeyers Tod im Dezember 2012 sein Büro. Und auch mit 104 Jahren ging er fast jeden Tag dorthin.
  1922 entstand das Luxushotel Copacabana Palace, ein Abbild des Carlton in Cannes und bis heute das Wahrzeichen des Viertels. Stefan Zweig, Marlene Dietrich, Jeanne Moreau, Walt Disney, Jean-Paul Sartre und Simone de Beauvoir, Henry Fonda, Mick Jagger, Prinzessin Diana, Nelson Mandela, Helmut Kohl und Michael Schumacher – sie alle haben hier übernachtet.
  Wie im Zeitraffer durchliefen Brasiliens Städte in diesen Jahren einen Prozess der Modernisierung und Urbanisierung. In zwei, drei Dekaden erfanden sie sich neu. Aus dem Fischerdorf Copacabana entwickelte sich eine mittlere Großstadt.
  Das Buch von Dawid Danilo Bartelt – einem der Vorboten des Brasilien-Schwerpunkts der Frankfurter Buchmesse im Oktober – beschreibt mit dem Blick des Historikers, wie Brasilien zusammenwuchs, es zeigt den Einfluss des brasilianischen Modernismo („Tupi or not Tupi, that is the question“) auf die Architektur, auf die Stadtentwicklung und die Zeitstimmung. Bartelt erklärt, was man heute als „Brasilidade“, als dieses besondere, den Brasilianern eigene Nationalgefühl begreift. Die Trends gingen von Rio aus und lange Zeit besonders von Copacabana.
  Den kritischen Blick merkt man dem Autor in diesem heiteren Sachbuch dennoch an – er war Pressesprecher von Amnesty International und leitet heute das Brasilienbüro der Heinrich-Böll-Stiftung in Rio de Janeiro. Zwischen den zarten Tönen des Bossa Nova klingen auch die sozialen Dissonanzen der Traumstadt durch. Inmitten von Ausführungen über die Geschichte des Bikinis streut Bartelt seine Sozialkritik teils überraschend ein; in anderen Kapiteln äußert er sie mit deutlichen Worten.
  Auch die Wiege des Bossa Nova stand in Copacabana. João Gilbertos Aufnahme von „Chega de Saudade“ („Schluss mit dem Schmachten“) machte den Anfang. Gilberto galt als die Leitfigur des Bossa Nova. Und wie das „Neue Ding“ funktionierte, was den berühmten Bossa-Schlag der Snare Drum ausmacht, und wie die um Quarten, Nonen und Septimen erweiterten Akkorde den Bossa-Swing herbeizauberten, das erfährt der Leser in einem aufschlussreichen Bossa-Crashkurs.
  Die Musiker des Bossa Nova waren weiß und gebildet. Man traf sich in den Clubs im „Beco das Garrafas“, der Flaschengasse. Diese, die Flaschen, fielen von oben aus den Fenstern auf die lärmenden Gäste. Die Virtuosen traten mit grandioser Geste auf, besaßen jedoch oft nur eine einzige Hose. Aber eben eine Smokinghose. Bezahlt wurden sie mit Whiskey. Ohne Eis, trotz der unerträglichen Hitze in den Clubs; on the rocks gab’s nur gegen Cash. Der damals 20-jährige Sérgio Mendes bekam nicht einmal das – viel später wurde die Rap-Version des Hits „Mas que nada“, den er gemeinsam mit den Black Eyed Peas aufnahm, ein Welterfolg.
  Musik, Fußball und der Körperkult gehören zu Brasilien. Und die erste Bühne der für die Brasilianer identitätsstiftenden Körperlichkeit war der Strand von Copacabana. Man erfährt auch, was es mit Brazilian Waxing auf sich hat (ganz ohne) und dem Brazilian Strip (nur noch ein Streifen), und was es kostet, sich solch einen modischen Cut verpassen zu lassen.
  Die Strandmode wurde in Copacabana schon früh zum avantgardistischen Prinzip erhoben. Vom wollenen Ganzkörpersuit über den Maillot, den hochgeschlossenen (und seinerzeit trotzdem skandalösen) Einteiler bis zum Tanga aus Lycra. Auch ein Anti-Bikini-Verein, der 1947 gegründet wurde, konnte den Kult um sehr wenig Stoff nicht aufhalten. Ein Highlight der Männerstrandmode muss das gehäkelte Mini-Körbchen gewesen sein, das der Sänger Caetano Veloso (allerdings in Ipanema) als Sichtschutz fürs Gemächt in den Siebzigerjahren ausführte. Copacabana ist inzwischen in die Jahre gekommen – und doch immer noch angesagt. Rios Sieg der Kurven über die Linie begann genau hier.
Dawid Danilo Bartelt: Copacabana. Biographie eines Sehnsuchtsortes. Verlag Klaus Wagenbach, Berlin 2013. 208 Seiten, 10,90 Euro.
Aus dem Fischerdorf
Copacabana entwickelte sich
eine mittlere Großstadt
Strandmode als Avantgarde:
Hier in Rio begann der Sieg
der Kurven über die Linie
Sehnsuchtsort und Bühne des gesellschaftlichen Lebens – Copacabana, der berühmte Stadtteil von Rio de Janeiro mit viereinhalb Kilometern Strand und heute etwa 100 Wohnblocks.
FOTO: PILAR OLIVARES/REUTERS
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