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Im Falle von Rio de Janeiro, der Stadt in der Bucht von Guanabara, sind die Superlative der Tourismuswerbung tatsächlich keine Übertreibung: Es gibt wohl keine andere moderne Metropole, die in eine dermaßen erhabene Naturlandschaft eingebettet ist. Braucht es bei so viel Erhabenheit dann überhaupt noch Literatur? Dieser Stadtrundgang durch Rio beweist: auf jeden Fall! Denn in den hier versammelten Texten zeitgenössischer brasilianischer Autoren kommen auch die auf den ersten Blick verborgenen Seiten der Stadt zur Geltung: Clarice Lispector zeigt, dass man sich in den Gängen und Katakomben…mehr

Produktbeschreibung
Im Falle von Rio de Janeiro, der Stadt in der Bucht von Guanabara, sind die Superlative
der Tourismuswerbung tatsächlich keine Übertreibung:
Es gibt wohl keine andere moderne Metropole, die in eine dermaßen erhabene Naturlandschaft eingebettet ist.
Braucht es bei so viel Erhabenheit dann überhaupt noch Literatur?
Dieser Stadtrundgang durch Rio beweist: auf jeden Fall! Denn in den hier versammelten
Texten zeitgenössischer brasilianischer Autoren kommen auch die auf den
ersten Blick verborgenen Seiten der Stadt zur Geltung: Clarice Lispector zeigt,
dass man sich in den Gängen und Katakomben unter dem Maracanã- Fußballstadion
trefflich verlaufen kann, Aníbal M. Machado heftet sich einer Standartenträgerin
beim Karneval an die Fersen, bei Miguel Sanches Neto erhebt sich
die berühmte Christus- Statue nicht nur auf dem Corcovado hoch über der
Stadt, sondern ziert gleichzeitig den Bauch eines Transvestiten, und Sonia Coutinho
beschreibt den Zauber derCopacabana selbst im Angesicht des Todes.
Außerdem: Erzählungen und Gedichte von Luiz Ruffato, João Gilberto Noll,
Nélida Piñon, Carlos Drummond de Andrade, Caetano Veloso, Sérgio Sant?Anna
und vielen anderen ? fast alle in deutscher Erstübersetzung.
Autorenporträt
Marcos Machado Nunes und Marco Thomas Bosshard unterrichten brasilianische und hispanoamerikanische Literatur und Kultur an der Ruhr-Universität Bochum. Für die Übertragung der in ihrer Anthologie enthaltenen Texte haben sich professionelle Literaturübersetzer und Studierende zusammengetan.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 08.10.2013

Schatten auf der Seele
Eine Anthologie erkundet Rio hinter der Glanzfassade
Rio de Janeiro! Der Atlantik, die Morros, die Buchten und die Strände, und an den Rändern der Urwald, der alles zu verschlingen scheint – das ist der Sehnsuchtsort, wie man ihn von den Postkarten kennt. Das ist die Kulisse, vor der sich an Fernweh leidende Menschen Tage des Müßiggangs vorstellen, heiße Nächte und die Erfüllung ihres Verlangens nach exotischer Schönheit, die es allerdings nicht ohne Unbehagen gibt. Die Favelas beginnen am Saum der luxuriösen, auch touristisch bedeutenden Viertel Copacabana und Ipanema, und ähnlich wie die üppige Vegetation greift das Elend auf die Sonnenseite des Stadtlebens über. Aber was weiß man schon als Besucher, wie dieses Leben an der Sonne ist.
  Marco Thomas Bosshard und Marcos Machado Nunes versuchen als Herausgeber einer „literarischen Einladung“ einen Blick hinter die Kulisse. In ihrer Anthologie versammeln sie Geschichten von zeitgenössischen brasilianischen Schriftstellern, die bis auf zwei Ausnahmen zum ersten Mal auf Deutsch erscheinen. Sie führen den Leser nicht nur an bekannte Orte wie die Guanabara-Bucht, ins Nachtleben der Zona Sul oder ins Maracanã-Stadion. Ihre Einladung gilt auch für abseitige Orte, für Friedhöfe und Arbeiterviertel – und sie schließt Begegnungen mit Figuren ein, denen eine große Traurigkeit zu eigen ist.
  Bei Sonia Coutinho kehrt ein alter Mann aus dem Exil in seine Heimat zurück. Geblendet von der gleißenden Schönheit und Lebenslust Rios merkt er, dass es mit ihm zu Ende geht in dieser Stadt, die „eine Offenheit und Hingabe forderte, zu der er nie fähig wäre“. Die Wellen, die sich – „eine nach der anderen, durch die Jahrhunderte“ – am Strand brechen, lassen das Leben in Rio maßlos erscheinen, als koste man von der Unendlichkeit, aber hier wirft die tropische Sonne nur Schatten auf die Seele eines vom Leben müden Menschen, der nicht mehr mithalten kann.
  Auch in anderen Geschichten begegnen einem derart gebrochene Gestalten. Bei Clarice Lispector irrt eine verwirrte alte Frau durch die labyrinthischen Gänge des Fußballstadions. João Gilberto Noll skizziert eine Jungfrau, zerrissen im Widerspruch zwischen Machismo und Moralanspruch der Männer. Bei João Antônio berichtet ein Türsteher, wie nicht nur die Buchten der Stadt von Wellen verändert werden, sondern auch das Nachtleben Gezeiten unterliegt. Hier kommen auch Großeinsätze vor, mit denen die Polizei schon einmal, anlässlich der 400-Jahr-Feier in den 1950er Jahren, die Kriminellen vertreiben wollte – ähnlich, wie sie heute vor der Fußball-WM und den Olympischen Spielen gegen die Bewohner der Favelas vorgeht. Auf Texte über Gewalt und Drogen in den Armutsvierteln haben die Herausgeber dennoch verzichtet. Die Problematik könne in einer Anthologie nicht weitreichend genug erörtern werden, schreiben sie im Vorwort. Soziale Härten scheinen dennoch an vielen Stellen dieses schönen, nachdenklichen Bandes durch – Licht und Schatten, die Rio umso stärker schillern lassen.
JOCHEN TEMSCH
Marco Thomas Bosshard und Marcos Machado Nunes (Hg.): Rio de Janeiro. Eine literarische Einladung. Verlag Klaus Wagenbach, Berlin 2013. 144 Seiten, 15,90 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Entführt in die dunkelsten Ecken von Rio fühlt sich Rezensent Jochen Temsch bei den Geschichten, die Marco Thomas Bosshard und Marcos Machado Nunes in ihrer Anthologie über die brasilianische Megametropole versammelt haben. Die traurigen Schicksale der Figuren bewegen ihn, dabei haben die Herausgeber dezidierte Erzählungen über Gewalt und Drogen ohnehin weggelassen. Er schätzt Bosshards und Nunes' Auswahl der Erzählungen, von denen, so weiß er, fast alle bisher noch nicht auf Deutsch übersetzt worden sind. In der Anthologie offenbart sich ihm eine ungewohnte und nachdenkliche Sicht hinter die Fassaden des "Sehnsuchtsortes" Rio.

© Perlentaucher Medien GmbH